Die Insel der besonderen Kinder – Filmkritik: Neuer Geniestreich von Tim Burton?

Die Insel der besonderen Kinder - Szenenbild
Die Insel der besonderen Kinder - Szenenbild © 2016 Twentieth Century Fox

Die Kritik:

Nachdem sich Kult-Regievisionär Tim Burton mit dem Biopic „Big Eyes“ einem Film in angenehm kleineren und charakterbezogenen Rahmen angenommen und damit etwas zu alter Form gefunden hat, nahm sich der eigenwillige Meister des Sonderbaren nun wieder einem bedeutend größeren Projekt an: „Die Insel der besonderen Kinder“ ist die aufwändige Verfilmung des gleichnamigen Jugendliteratur-Bestsellers von Ransom Riggs, der 2011 erschien und seitdem zwei Fortsetzungen nach sich zog.

Die Insel der besonderen Kinder - Kinoposter
Die Insel der besonderen Kinder – Kinoposter @ 20th Century Fox

Es ist leicht zu erkennen, was Burton an Riggs Fantasy-Roman ansprach: Hier wird die Geschichte von außergewöhnlichen und begabten Außenseitern erzählt, die im Rahmen einer fantasievollen und düsteren Parallelwelt auf bedrohliche Kreaturen treffen. Auch wenn sich aber einige andere thematische wie stilistische Markenzeichen des „Edward mit den Scherenhänden“- und „Sleepy Hollow“-Regisseurs in seinem neuen Film finden, kriegt man das Gefühl nicht los, dass Burtons Herz hier nicht ganz bei der Sache war. Der Film ist gewohnt opulent ausgestattet und atmosphärisch von Kameravirtuose Bruno Delbonnel („Die fabelhafte Welt der Amélie“, „Inside Llewyn Davis“) bebildert, doch er wirkt durch seine merkwürdig mechanische und vorhersehbare Erzählweise und einer langweiligen Hauptfigur nur wenig packend. Burtons einzigartige Handschrift ist hier unzweifelhaft zu erkennen, doch leider ist hier einer seiner schwächeren Filme entstanden.

Im Mittelpunkt steht der 16-jährige Jacob (Asa Butterfield, „Hugo Cabret“, „Ender’s Game“) – ein typischer zurückhaltender und unauffälliger Außenseiter. Mit seinem Vater (Chris O’Dowd, „Brautalarm“, „The Program“) und seiner Mutter (Kim Dickens, „Gone Girl“, „Fear the Walking Dead“) hat er bestenfalls eine oberflächliche Beziehung, viel mehr wurde er von seinem Großvater Abe (Terence Stamp („Superman II“, „“The Limey“) erzogen. Dieser hat ihm immer lange fantastische Geschichten erzählt, eine davon, wie er in einem Waisenhaus für „besondere Kinder“ aufgewachsen ist. Als Abe scheinbar ermordet wird, führen die Spuren auf die einsame Insel Cairnholm, dort, wo sich das Waisenhaus befinden soll. Auch wenn weder die Polizei noch Jacobs Eltern an die Mordtheorie glauben, rät Jacobs Psychologin Dr. Golan (Alison Janney, „American Beauty“, „Ganz weit hinten“) aus therapeutischen Gründen dazu, die Insel aufzusuchen. Jacob und sein Vater machen sich auf den Weg, doch alles, was sie auf Cairnholm anfinden, ist ein verschlafenes Dörfchen und das seit Jahrzehnten leerstehende Waisenhaus, das durch Fliegerbomben im Zweiten Weltkrieg zerstört wurde. Doch als Jacob weiter nachforscht, stellt er plötzlich fest, dass er ins Jahr 1943 zurückgereist ist. Er erfährt, dass sich die mit besonderen Fähigkeiten ausgestatteten Waisenkinder und deren Leiterin Miss Peregrine (Eva Green, „Dark Shadows“, „Penny Dreadful“) seit dem Tag des Bombardements in einer Zeitschleife befinden. Sie werden von schrecklichen Monstern bedroht, die jedoch nur wenige Menschen sehen können. Einer davon war Abe, doch auch Jacob besitzt diese besondere Begabung und scheint damit ihre einzige Rettungsmöglichkeit zu sein…

Die Insel der besonderen Kinder - Eva Green
Die Insel der besonderen Kinder – Eva Green © 2016 Twentieth Century Fox

Random Riggs mystisch-gruselig-verschrobener Roman, den er mit zahlreichen auf Flohmärkten gefundenen antiken Fotografien angereichert hat, ist außergewöhnlich stimmungsvoll und spannend geraten, die Verfilmung kann den Zauber des Buches aber nur bedingt auf die Leinwand übersetzen. Man hat beim Ansehen des Films das Gefühl all das schon mal gesehen zu haben (die nach Trailer vielfach geäußerten Parallelen zu „X-Men“ gehören jedoch nur bedingt dazu), wodurch sich schnell ein Gefühl von Vorhersehbarkeit einstellt. Die banale Geschichte eines unscheinbaren Jungen, der eine neue Welt betritt, in denen er andere Außenseiter mit machtvollen Kräften vorfindet und schließlich eine eigene, unerwartete Fähigkeit bei sich feststellt, wirkt einfach arg vertraut und leider auch nur recht uninspiriert in Szene gesetzt. Hier zählt das alte „Spider-Man“-Motto „aus großer Kraft folgt große Verantwortung“, denn Jakob muss lernen, dass er etwas Besonderes kann, dies aber auch helfend einsetzen muss. Hieran wächst der an sich selbst zweifelnde Junge natürlich und auf dem Weg zu seinem erwartungsgemäßen Ende gibt es natürlich noch eine obligatorische Liebesgeschichte. Hier entwickelt sich eine zögerliche Romanze mit Emma (Ella Purnell, „Alles, was wir geben mussten“, „Maleficent“), die die Fähigkeit besitzt zu schweben und Luft zu kontrollieren. Vor Jahrzehnten hatte sie eine enge Beziehung zu Abe, wodurch sie nun mit dem Erscheinen von Jacob Angst davor hat, wieder verlassen zu werden.

Die Insel der besonderen Kinder - Judy Dench
Die Insel der besonderen Kinder – Judy Dench © 2016 Twentieth Century Fox

Neben dem Gefühl, dass es Burton hier an echter Leidenschaft fehlt, um echte Kinomagie aufzubauen, wirken auch einige der Darsteller ähnlich müde. Eine entscheidende Schwäche von „Die Insel der besonderen Kinder“ ist Hauptdarsteller Asa Butterfield, der zwar durch seine eigene Unscheinbarkeit zur Figur passt, aber schlicht eine einschläfernd uninvolvierende und passive Präsenz darstellt. Darüber hinaus erweist sich der 19-jährige Brite, der in Martin Scorseses „Hugo Cabret“ noch durchaus überzeugen konnte, als schwacher und gekünstelter Schauspieler, was vor allem in seinen ersten Szenen schmerzhaft deutlich wird. Dass er sich regelrecht durch seine ganz offensichtlich gespielte Reaktion auf den Tod seines geliebten Großvaters quält, zeigt auch, dass Burton hier scheinbar einfach keine große Lust hatte. Eva Green wirkt in ihrer flamboyanten und betont theatralischen Rolle auch leicht überakzentuiert und kann auch nicht immer überzeugen, zumindest hat sie aber unbestreitbar Präsenz. Samuel L. Jackson darf wieder mal einen Bösewicht spielen, was ihm zwar sichtlich Spaß macht, aber in seiner überzeichneten und albernen Art nicht ganz zur düsteren Stimmung des Films passen will. Der Rest der Akteure wirkt verschwendet, etwa Chris O’Dowd, der jeden Moment mit seinem natürlichen Humor anreichert, oder Dame Judi Dench, die in ihrer kleinen Rolle so gut wie überhaupt nichts zu tun hat. Die Kinder und Jugendlichen haben teilweise zumindest eine besondere Ausstrahlung, ihre Figuren werden aber nur bedingt erforscht. Am besten kommt hier noch Ella Purnell weg, die aber auch den mit Abstand größten Part aller Waisenkinder hat.

Die Insel der besonderen Kinder - Die Kinder
Die Insel der besonderen Kinder – Die Kinder © 2016 Twentieth Century Fox

Hier und da schimmert in „Die Insel der besonderen Kinder“ so etwas wie echte Inspiration auf, die Burton zu dem gemacht hat, was er ist. Da sind einige schön düster-makabre Momente, etwa ein Stop-Motion-Messerkampf zwischen zwei von Waisenkind Enoch wiederbelebten Kreaturen. Oder auch die sehr gelungenen albtraumhaften, augenlosen „Hollowgasts“ mit langen Gliedmaßen, Tentakeln und spitzen Zähnen, die die Waisenkinder bedrohen. Burton liefert auch Szenen, die für manche junge Heranwachsende vielleicht schon etwas zu düster sind. In solchen Momenten, etwa wenn die bösartigen Kreaturen Augen verschlingen, um selbst wieder sehen zu können, wirkt Burtons Regie aber am lebendigsten. Ein finaler Kampf mit einer Armee wiederbelebter Skelette eines gesunkenen Ozeandampfers gegen die Hollowgasts wirkt dann aber wieder arg CGI-lastig und durch sehr gewöhnungsbedürftige Dance-Musik tonal irritierend.

Fans der Buchvorlage könnten durch zahlreiche Freiheiten bei der Adaption von Jane Goldman („Der Sternwanderer“, „Kingsman: The Secret Service“) enttäuscht sein. Hier wurden Fähigkeiten der Charaktere u.a. getauscht und zudem der gesamte letzte Akt abgeändert. Dennoch wird der Film wohl vor allem junge Menschen ansprechen, die einen Hang zu düsteren Fantasy-Geschichten haben, ältere Zuschauer werden wohl nur wenig angetan von dieser zu wirkungslos und vorhersehbar inszenierten Geschichte sein.

Filmwertung
5/10

Kurzfassung

Tim Burtons neuer Fantasy Film überzeugt optisch. Für ältere Zuschauer ist die Geschichte zu wirkungslos und vorhersehbar inszeniert.

Fazit:

Eine stellenweise bildgewaltig und stimmungsvoll inszenierte Fantasy-Geschichte, die leider unter einer vorhersehbaren Erzählung und merkwürdig uninspirierten und blutleeren Inszenierung leidet. Einer der schwächsten Filme von Tim Burton, der hier zwar seine Handschrift, aber nur wenig von seiner Magie einbringt.


von Florian Hoffmann

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