Cyrano: cleverer neuer Anstrich – Filmkritik

Cyrano: Haley-Bennett und Peter Dinklage
Cyrano: Haley-Bennett und Peter Dinklage © Metro-Goldwyn-Mayer Pictures Inc.

Die Kritik:

Edmond Rostands 1897 erschienenes Versdrama „Cyrano de Bergerac“ gehört zweifelsohne zu den beliebtesten Klassikern der Weltliteratur. Zwei große Verfilmungen gab es bereits, eine mit José Ferrer von 1950, eine mit dem für die Titelrolle Oscar-nominierten Gérard Depardieu aus dem Jahr 1990. Dass aber ausgerechnet „Roxanne“, Steve Martins zeitgenössische komödiantische Bearbeitung des Stoffes um den Mann mit der langen Nase, die wohl populärste Verfilmung darstellt, erscheint da schon fast etwas ironisch. Zuletzt hatte man sogar in Deutschland mit „Das schönste Mädchen der Welt“ eine überraschend frische Herangehensweise gefunden. Nun ist es Prestigefilm-Experte Joe Wright („Stolz und Vorurteil“, „Abbitte“, „Die dunkelste Stunde“), der sich erneut dieser klassischen romantischen Komödie annimmt. Der wesentliche Kniff von „Cyrano“ liegt nun darin, dass der Stoff als Musical aufgearbeitet wird, das wiederum auf der gleichnamigen 2018 in Connecticut uraufgeführten Vorlage basiert. Doch auch in der Besetzung von Peter Dinklage in der Hauptrolle (der bereits auf der Bühne als Cyrano agierte) setzt der Film dann aber noch einen weiteren interessanten und neuen Akzent, der dieser Neuauflage einen originellen und cleveren Anstrich verpasst.

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Cyrano – Hauptplakat © Universal Pictures

„Cyrano“ mag auf den ersten Blick wie ganz klassisches Kostüm- und Ausstattungskino daherkommen, jedoch ist es gerade die gelungene und oft mitreißende Musik des „The National“-Duos Aaron und Bryce Dessner sowie Matt Berninger, die diese Neuinterpretation überraschend frisch und modern gestaltet. Darüber hinaus ist es eben auch besagte Präsenz von Peter Dinklage, die den Zuschauer durch den im Frankreich des späten 17. Jahrhunderts angelegten Film führt und dabei einen ganz vertrauten wie auch neuen Cyrano erschafft: Sein Offizier und Hobbypoet verfügt zwar nicht über die charakteristisch entstellende Nase, dafür aber über eine zwergwüchsige Statur, wodurch er tragischerweise glaubt nicht gerade die beste Partie für seine heimliche Angebetete Roxanne (Haley Bennett) darzustellen. Stattdessen verbindet die beiden eine geschwisterliche Liebe, die jedoch schlagartig auf den Prüfstein gestellt wird, als sich Roxanne in den Soldaten Christian (Kelvin Harrison Jr.) verliebt. Cyrano konnte sich bisher kein Herz fassen, um seine Gefühle zum Ausdruck zu bringen, doch über den wenig eloquenten Christian sieht er eine Chance als Wortakrobat im Verfassen von Liebesbriefen, die er im Namen seines Nebenbuhlers verfasst. Der schneidige, aber etwas einfach gestrickte Christian profitiert von den Fähigkeiten seines scheinbaren Freundes, ohne jedoch zu wissen, dass es sein Kamerad auch schon lange auf Roxanne abgesehen hat…

Es ist angenehm zu sehen, dass das Team um Joe Wright hier zwar die erwartungsgemäße Ausstattungs- und Kostümextravaganz betreiben, diese aber nicht perfekt, sondern authentisch unsauber und eingelebt gestaltet. Durch die Nutzung von speziellen Leitz-Objektiven und den Dreh an barocken Originalschauplätzen in Sizilien erscheint „Cyrano“ wunderbar klassisch und erinnert insbesondere zu Beginn in seiner greifbaren wie malerischen Ästhetik eher an solche Filme wie „Amadeus“ als an das digital-künstliche Einerlei, das man heute gewohnt ist.

Stimmungsvoll ist dieser Film also allemal. Doch mit Peter Dinklages dynamischem wie charismatischem Auftritt, bei dem er einen zweitklassigen und plump beleidigenden Schauspieler vor versammeltem Publikum mit geistreicher Eloquenz bloßstellt, ist klar, dass hier auch für echte Unterhaltung gesorgt wird. Das folgende Degenduell auf der Bühne choreografiert Wright dynamisch-akrobatisch, während die Kombination mit einer mitreißenden Musical-Nummer für einen ersten Höhepunkt sorgt, der Lust auf mehr macht. In dieser Theaterszene wird die Figur rundherum in all ihren Dimensionen perfekt etabliert. Dinklage strahlt größtes Selbstbewusstsein in dieser für einen Golden Globe nominierten Rolle aus, er füllt seinen Cyrano gleichermaßen mit entwaffnender Chuzpe wie auch mit der richtigen Dosis Selbstzweifel und Tragik. Kurz gesagt, er entlockt diesem Part echte Menschlichkeit, die den Film auch in der Folge weitestgehend trägt.

Cyrano (Peter Dinklage)
CYRANO © Metro-Goldwyn-Mayer Pictures Inc.

Dennoch ist klar, dass „Cyrano“ immer dann am besten funktioniert, wenn er seinen Mehrwert der starken Musical-Einlagen ausspielt: Diese sind angenehm beiläufig und nicht überchoreografiert umgesetzt sowie vor allem emotional performt. Ähnlich wie Tom Hoopers „Les Misérables“ setzen Wright und seine Musikmacher auf nicht zwingend musikalische Nummern, die oft auch wahrhaftig nicht perfekt gesungen dargeboten werden. Hier hat immer die echte Emotion Vorrang, da kommt dann auch mal eine von Fiesling Nebenbuhler Graf de Guiche (Ben Mendelsohn) förmlich wütend dahin gerotzte Sprechgesang-Nummer wie „What I Deserve“ dabei raus. Man hat es zwar mit Schauspieler*innen und nicht mit klassisch ausgebildeten Sänger*innen zu tun, dennoch gibt es durchaus auch einige eingängigeren Stücke zu hören.

Der Film erweist sich also als sehr ansehnliches, elegantes und gut gemachtes Hollywood-Kino. So richtig will der Funke dann aber auch in einem dennoch vertrauten wie vorhersehbaren Szenario nicht überspringen: Es gelingt zum einen nur bedingt, die eigentlich interessante Wechselbeziehung zwischen Cyrano und Christian lebendig und dynamisch zu gestalten. Gerade die berühmte Szene, bei der Cyrano seinem überforderten Nebenbuhler die Sätze diktiert, während Roxanne auf einem Balkon steht, hätte bedeutend amüsanter ausfallen können. Peter Dinklage nimmt mit seiner Präsenz den Film ganz ein, da kann „Waves“-Akteuer Kelvin Harrisson Jr. fast nur untergehen. Auch die in „Shallow“ noch überragende Haley Bennett bleibt in ihrer Rolle leider abgesehen von einigen toll performten Songs und ihrer gewohnt strahlenden Ausstrahlung eher blass.

Cyrano: Haley-Bennett spielt Roxanne
Cyrano: Haley-Bennett spielt Roxanne © Metro-Goldwyn-Mayer Pictures Inc.

Charakterisierung ist demnach nicht die Stärke von „Cyrano“, trotz über zweistündiger Laufzeit bekommen die Figuren mit Ausnahme des Protagonisten einfach zu wenig Dimension. So erweist sich die Anziehungskraft zwischen den Parteien letztlich auch nur als behauptet, wirkliche Chemie entsteht nur in Ansätzen – und das obwohl Dinklage und Bennett die Rollen bereits im Bühnenmusical gespielt haben. Hier fällt leider auch ausgerechnet das emotional aufgeladene und theatralische Finale flach, bei dem Roxannes Erkenntnis derart abrupt und theatralisch erscheint, das man hier wenig zufriedengestellt zurückbleibt.

So zieht sich „Cyrano“ dann auch ein wenig, insbesondere dann, wenn es im letzten Akt auch noch an die verschneite Kriegsfront geht. Gerade dieser narrativ essentielle Abschnitt erscheint merkwürdigerweise in einem insgesamt eher mäandernden Film wie zusätzlicher erzählerischer Ballast. Zugegebenermaßen offenbart der Film hier allerdings seinen absoluten Höhepunkt, wenn zum Scheitern verdammte Soldaten die außerordentlich bewegende Nummer „Wherever I Fall“ zum Besten geben und dabei ihre bald vermutlich ausgelöschten Stimmen in Abschiedsbriefen an ihre Frauen und Eltern richten. Hier ist „Cyarano“ erstaunlich profund und wirkungsvoll, jedoch erscheint die gesamte Szene aber eben auch etwas losgelöst vom Gesamtkontext. So bleibt letztlich ein durchaus sehenswerter Film mit vielen ansprechenden und schmackhaften Zutaten, den man wirklich mögen will, auch wenn es am Ende leider nicht zur ganz großen Liebe kommt.

Filmwertung
7/10

Kurzfassung

Cleverer neuenn Anstrich, wobei der emotionale Funke bei einer nicht immer mitreißenden Erzählung aber letztlich nicht ganz überspringen will.

Fazit:

„Cyrano“ gibt seiner berühmten Vorlage einen weitestgehend werkgetreuen, aber in entscheidenden Momenten cleveren neuen Anstrich. Besonders Peter Dinklage sorgt für äußerst charismatische und menschliche Akzente, während auch die melancholische Musik von Indieband „The National“ für einige Höhepunkte sorgt. Joe Wright setzt das grandios ausgestattete und malerisch eingefangene Musical dynamisch und spielerisch um, wobei der emotionale Funke bei einer nicht immer mitreißenden Erzählung aber letztlich nicht ganz überspringen will.


von Florian Hoffmann

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