Bad Times at the El Royale – Filmkritik: atmosphärische Noir-Geschichte

Chris Hemsworth in Bad Times at the El Royale
Chris Hemsworth in Bad Times at the El Royale © 20th Century Fox

Die Kritik:

Bad Times at the El Royale Filmposter
Bad Times at the El Royale Filmposter © 20th Century Fox

Vor ein paar Jahren lieferte Drew Goddard mit „Cabin in the Woods“ eine hochoriginelle und spaßige Dekonstruktion des Horror-Genres und all seiner Konventionen, die schnell schon leichten Kultstatus genießen durfte. Entsprechend groß ist die Vorfreude und Erwartungshaltung an die zweite Regie-Arbeit, die der „Cloverfield“- „Der Marsianer“- und „Lost“-Autor in Form von „Bad Times at the El Royale“ präsentiert. Goddards Drehbuch wurde mit größter Geheimhaltung durch Hollywood durchgereicht, schließlich sicherte sich 20th Century Fox die Rechte an dem heftig umworbenen Skript. Mit einem Cast, der das Wasser im Mund zusammen laufen lässt, zelebriert Goddard einen konsequent überraschenden und enorm stilsicher inszenierten Noir-Plot, der im Verlauf der mit 140 Minuten doch überraschend langen Laufzeit wie beim Schälen einer großen Zwiebel eine Ebene nach der anderen freilegt. „Bad Times at the El Royale“ ist eine sehr originelle und ambitionierte Genreübung, die es auf diesem Niveau nur noch selten gibt und wohl nicht nur für Filmkenner trotz mancher Schwäche einen echten Genuss darstellen sollte.

Wie schon einst in „The Shining“ und „Psycho“ offenbart Goddards Film mit dem titelgebenden Hotel einen Charakter für sich. Das El Royale liegt mitten im Nirgendwo am Lake Tahoe, einst spielten hier Stars wie Dean Martin, auch Marilyn Monroe war schon Gast. Wir schreiben das Jahr 1969 und das einst ruhmreiche Hotel inklusive Casino wirkt in der Nacht, in der der Film spielt, schon etwas verwaist. Eins ist klar: Seine beste Zeit hat dieses Hotel, in dem ein Zimmer pro Nacht acht Dollar kostet, bereits hinter sich. Eine rote Linie teilt das Hotel in der Mitte, denn das El Royale liegt genau auf der Grenze zwischen Nevada und Kalifornien. Auf der einen Seite ist der Ausschank von Alkohol erlaubt, auf der anderen nicht mehr; die kalifornischen Zimmer kosten einen Dollar mehr als die auf der Nevada-Seite, wie der junge Concierge und Barkeeper Miles Miller (Lewis Pullman) jedem seiner neuen Gäste stolz berichtet – „das El Royale ist ein Zwei-Staaten-Etablissement…“ beginnt er stets seine würdevolle Ansprache.

Jeff Bridges und Cynthia Erivo in Bad Times at the El Royale
Jeff Bridges und Cynthia Erivo in Bad Times at the El Royale © 20th Century Fox

In dieser Nacht treffen hier mehrere Fremde aufeinander: Der wortgewandte Gentleman-Staubsaugervertreter Seymour Laramie Sullivan (Jon Hamm), die talentierte, aber noch erfolglose Sängerin Darlene Sweet (Cynthia Erivo), der alternde Priester Daniel Flynn (Jeff Bridges) und eine geheimnisvolle und wortkarge junge Frau (Dakota Johnson). Alle beziehen sie hier ein Zimmer, doch etwas Unausgesprochenes scheint bei allen der mysteriösen Hotelgäste in der Luft zu liegen. Was führen diese Figuren im Schilde? Goddard ist sich dieser Fragestellung des Zuschauers bewusst, wodurch er genüsslich und ganz behutsam sämtliche Charaktere aufbaut und nach und nach die einzelnen Vorhänge wegzieht.

Viel mehr sollte man über den Handlungsverlauf von „Bad Times at the El Royale“ auch nicht wissen. Von der ersten Sekunde, die eines der Zimmer zehn Jahre vor den Ereignissen in einer einzigen, lange anhaltenden Totale zeigt, wo ein verängstigter, bewaffneter Mann alles nach und nach auf den Kopf stellt, begeistert Goddard mit enormen Stilwillen und präziser, selbstbewusster Bildsprache. Gepaart mit einem fantastischen Soundtrack voller mehr oder weniger bekannter 60er Jahre R ‘n‘ B- und Soulsongs, einer warm-gesättigten Farbpalette und leichter Filmkörnung kommt hier ganz viel stilechtes Sixties-Flair auf. Das eingangs erwähnte Hotel ist natürlich auch ein enorm stimmungsvoller und wunderbar detailreich ausgestatteter Handlungsort, der entscheidend für die Atmosphäre des Films ist. Als später draußen noch ein schlimmer Sturm zu wüten beginnt, entwickelt sich hier spätestens auch ein leicht unbehaglich-klaustrophobisches Gefühl.

Dakota Johnson (Emily Summerspring) in Bad Times at the El Royale
Dakota Johnson (Emily Summerspring) in Bad Times at the El Royale © 20th Century Fox

Ähnlich wie Quentin Tarantino mit diversen Filmen folgt Goddard keiner konventionellen Drei-Akt-Struktur. Er unterteilt das Geschehen in einzelne Kapitel mit Bildtafeln, die meist nach den Zimmernummern benannt sind, in denen die Figuren diese Nacht hausen. Dieses Aufeinanderprallen von Fremden mit unklarem Motiv an einem einsamen Ort im Nirgendwo erinnert fast zwangsläufig an Tarantinos „The Hateful Eight“ und tatsächlich gelingt es auch Goddard über den Genreteppich hinaus kleine, aber wirkungsvolle Anspielungen auf soziale Gegebenheiten Amerikas zu werfen. Doch größtenteils ist „Bad Times at the El Royale“ aber eine überaus gekonnte und filigrane Genrearbeit, die die Laufzeit primär damit nutzt, seinen Figuren jede Menge Dimension und Tiefe zu geben.

Über Rückblenden nimmt sich Goddard gebührend Zeit, um all seine Figuren zu beleuchten. Das ist größtenteils abwechslungsreich gehalten und gerade dadurch, dass Goddard die gegenwärtigen Ereignisse im El Royale immer bis zum jeweils spannendsten Punkt laufen lässt, bis er eine weitere Rückblende schaltet, bleibt man hier dank Cliffhanger-Struktur immer am Ball. Das Erzählen von Ereignissen aus mehreren Blickwinkeln ist ebenfalls ein inszenatorischer Kniff, der gut funktioniert. Der Film bleibt konsequent unberechenbar und überraschend, dennoch spürt man die Laufzeit irgendwann schon, wodurch der Film für einen kurzen Moment etwas aufgeblasen wirkt. Mit dem Erscheinen von Chris Hemsworth gegen Ende des Films glaubt man „Bad Times at the Royale“ schließlich durchschaut zu haben.

Jeff Bridges (Father Flynn) ; John Hamm (Laramie Seymour Sullivan) ; Cynthia Erivo (Darlene Sweet) in Bad Times at the El Royale
Jeff Bridges (Father Flynn) ; John Hamm (Laramie Seymour Sullivan) ; Cynthia Erivo (Darlene Sweet) in Bad Times at the El Royale © 20th Century Fox

Doch Goddard weiß auch hier, wie er noch für Überraschungen sorgen kann, bis er sogar noch für regelrecht berührende Momente sorgt. Die hat er sich durch seinen starken Figurenaufbau auch erarbeitet, wobei gerade die bemerkenswerte Newcomerin Cynthia Erivo am meisten aus einem starken Ensemble herausragt und glänzt. Wie sie mit einem entlarvenden und überaus empathischen Monolog gegen Ende einen arrogant allwissenden Bösewicht als Schwächling bloßstellt, ist schon bemerkenswert und überraschend kraftvoll. Hier rückt der Film, der gerade ins Schleppen geraten ist, nochmal einiges gerade und kommt schließlich zu einem zufriedenstellenden und starken Finish, bei dem auch andere Figuren überraschend emotionale Momente haben und ihren präzise ausgearbeiteten Entwicklungsbogen zufriedenstellend zum Ende bringen.

Viel darf man wie erwähnt nicht verraten, denn gerade die Geheimnisse von „Bad Times at the El Royale“ machen den Film aus. Ein wenig fühlt sich Goddards Film wie ein guter Krimi-Roman an, den man in einem Rutsch durchblättert. Das macht trotz leichter Hänger großen Spaß, gerade eben auch, weil der Film mit so großem Stilwillen und Flair inszeniert ist, sodass man sich in der Atmosphäre des El Royale durchaus etwas verlieren kann. Dass das hochkarätige Ensemble so gut funktioniert, sorgt dann natürlich auch ganz entscheidend für den Genuss dieses Films. Gerade auch Jeff Bridges zeigt einmal mehr, wie viel Seele und Tiefe er einer Figur geben kann. Mit Erivo bildet er das Herz eines facettenreichen Films, der keine Genre-Dekonstruktion wie „Cabin in the Woods“ sein will, sondern einfach stark erzähltes, scharfsinniges und stylisches Kriminalkino mit Biss und Überraschungen.

Filmwertung
8/10

Kurzfassung

Stilsichere und atmosphärische Noir-Geschichte, die konsequent zu überraschen weiß und trotz mancher Hänger spannend bleibt.

Fazit:

Drew Goddard gelingt mit „Bad Times at the El Royale“ eine stilsichere und atmosphärische Noir-Geschichte, die konsequent zu überraschen weiß und trotz mancher Hänger spannend bleibt. Starke Figurenzeichnung und ebenso gute Darsteller geben dem Film Menschlichkeit, Dimension und Seele, die auch dank cleverer, behutsam aufgebauter Erzählung für genüssliche Unterhaltung sorgen.


von Florian Hoffmann

Mehr zum Film:
Filminfo:

1 Kommentar zu Bad Times at the El Royale – Filmkritik: atmosphärische Noir-Geschichte

  1. Hätte ein echt guter Film werden können… nur ist die Story sowas von gesucht und total unlogisch. Jeden bringt jeden um, obwohl keiner einen Grund dazu hätte, angefangen von einer Frau die ihre Schwester aus den Fängen einer Sekte befreit (und sie deshalb fesselt) und sie dabei grundlos einen Polizisten erschiesst, weil dieser meinte das es sich um eine echte Entführung handelt, einen Gauner der 15 Jahren warten muss um das gestohlene Geld zu holen, aber keinen weiteren Tag warten kann (wie so auch immer), einen Sekten Anführer der ohne Grund wahllos Leute umbringt….. usw… Was schade ist, ansonsten würde alles passen, Kamera, Schauspieler, Schauplatz und Atmosphäre. Wie gesagt, eine bessere Story und der Film wäre wirklich ein Meisterstück geworden…

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