Avatar: The Way of Water – Kann die Fortsetzung überzeugen? – Filmkritik

Kiri (Sigourney Weaver) in AVATAR: THE WAY OF WATER
Kiri (Sigourney Weaver) in AVATAR: THE WAY OF WATER © 20th Century Studios

Die Kritik:

Fast schon erscheint es mittlerweile etwas müßig über die vielen Superlativen des James Cameron zu sinnieren, so selbstverständlich erscheinen sie in seiner nun vierzigjährigen Schaffensperiode. Der Gedanke, dass er satte 13 Jahre nach dem rekordbrechenden ersten „Avatar“ eine Fortsetzung veröffentlicht und zusätzlich drei weitere Filme folgen lassen will, erscheint da nur auf den ersten Blick wahnsinnig. Doch natürlich hat der kanadische Maximalist bisher alle Skeptiker konsequent verstummen lassen und mit erstaunlicher Zuverlässigkeit die erfolgreichsten Filme aller Zeiten produziert. „Avatar“ hat dabei 2009 mit bahnbrechenden visuellen Effekten und dem Performance Capture-Verfahren neue Maßstäbe geschaffen und erscheint bei einem erneuten Blick sogar immer noch erstaunlich frisch, auch wenn seine simple Erzählung sicher nicht an Dimension hinzugewonnen hat. Dementsprechend ist es eben kaum überraschend, dass seine sich seit Jahren in Arbeit befindliche Fortsetzung erneut einen filmtechnologischen Meilenstein darstellt, der die bekannte Welt von Pandora in jeder Hinsicht massiv erweitert und zum konstanten Staunen einlädt. Dass es dabei erzählerisch trotz aller Ambition ein weiteres Mal etwas holprig, simpel und eher überraschungsarm zugeht, kann man angesichts nie gesehener Bildgewalt weitestgehend verschmerzen.

AVATAR: THE WAY OF WATER - Filmplakat
AVATAR: THE WAY OF WATER – Filmplakat © 20th Century Studios.

„Avatar: The Way of Water“ stellt in dieser episch angelegten Saga also den nächsten Evolutionsschritt dar. Mindestens zehn Jahre sind nach den Ereignissen des ersten Films vergangen und Ex-Marine Jake (Sam Worthington) hat mit Neytiri (Zoe Saldaña) eine Familie gegründet und sich friedlich auf Pandora eingelebt. Er ist fester Teil des Omaticaya-Stammes der im Urwald lebenden Na’vi und wird längst nicht mehr als Fremdkörper der feindlichen „Himmelsmenschen“ angesehen. Superbösewicht Colonel Miles Quaritch (Stephen Lang), der bei den Kämpfen um Pandora einst ums Leben gekommen ist, mag tot sein. Doch schon vor seinem Ableben hat der militärische Anführer des imperialistischen Konzerns RDA seine DNS und Erinnerungen speichern lassen, um sie nun in den neu geschaffenen Körper eines Avatar einspeisen zu lassen. Nun dürstet diese neue Version von Quaritch im kolonialistischen Auftrag von General Frances Ardmore (Edie Falco) weiterhin nach Rache gegen seinen ehemaligen Schützling Jake, auf den er es mitsamt seines Volkes abgesehen hat…

Cameron lässt sich in diesem 193-minütigen Epos erst mal sehr viel Zeit, um seine alten und neuen Figuren einzuführen und sie ausführlich zu etablieren: Neben den bekannten Jake und Neytiri sind da eben auch ihre Kinder Neteyam (Jamie Flatters), Lo’ak (Britain Dalton), Tuktirey (Trinity Jo-li Bliss) sowie ihre Adoptivtochter Kiri (Sigourney Weaver), die der im ersten Teil verstorbenen Forscherin Dr. Grace Augustine entsprungen ist. Dazu kommt auch noch Adoptivsohn Spider (Jack Champion), ein Menschenkind, das auf der Kolonialbase zur Welt gekommen ist und sich den Na’vi völlig angepasst hat. Einige dieser Figuren hinterlassen Eindruck (besonders Sigourney Weavers Kiri kann Akzente setzen), während andere – insbesondere leider die beiden Protagonisten – eher enttäuschend blass und uninteressant bleiben.

Cameron aalt sich lieber erneut in seiner spektakulär gestalteten Welt und macht früh deutlich, dass seine präzise ausgefeilten visuellen Effekte einen weiteren regelrechten Quantensprung gemacht haben: Pandora mit all seiner Biodiversität erscheint unglaublich fotorealistisch und haptisch greifbar, exotische Flora und Fauna sowie üppig-massive Landschaften werden auf beeindruckende Weise tatsächlich nochmal ein Stück lebendiger als zuvor. Auch hier transportiert Cameron den Zuschauer erneut auf nie dagewesene Weise in eine immens detailreich erschaffene Welt, an der man sich nur schwer satt sehen kann. Doch besonders auffällig ist der Fortschritt bei dem Performance Capture-Verfahren, das die Mimik der Figuren nochmal um Längen filigraner und lebensechter als zuvor gestaltet. Die Illusion, hier echte humanoide Wesen und keine reinen CGI-Figuren zu sehen, ist absolut verblüffend: Sowohl feinste Bewegungen und Gesichtsregungen wie auch nochmal viel präzisere Texturen sorgen für einen echten Aha-Effekt, der alles Vorangegangene nahezu mühelos in den Schatten stellt.

Gerade in 3D und mit teilweise erhöhter Bildfrequenz erschafft Cameron hier mit bemerkenswerter Selbstverständlichkeit ein derart glaubhaftes Fenster in eine nahezu komplett künstlich erschaffene Welt, sodass man sich förmlich immer wieder daran erinnern muss, dass so gut wie nichts von dem Gesehenen echt ist. Hiermit ist Cameron wohl der ultimative Triumph gelungen, den eigentlich alle VFX-orientierten Filme erreichen wollen: Die fast perfekte Illusion. Man sieht dem Film zu jeder Sekunde an, dass hier viele Jahre Arbeit investiert wurden, sowohl in der Erschaffung neuer Kreaturen, Lebewesen, Pflanzen und Maschinen als auch in der Verfeinerung visueller Effekte und Entwicklung völlig neuer Technologien. Der Film platzt so förmlich aus allen Nähten in Sachen schier grenzenloser visueller Vorstellungskraft und funktioniert erneut fast alleine im Stil einer gigantischen Naturdokumentation fremder Welten.

Lo’ak (Britain Dalton) in AVATAR: THE WAY OF WATER
Lo’ak (Britain Dalton) in AVATAR: THE WAY OF WATER © 20th Century Studios.

Das geschieht nicht zum reinen Selbstzweck, denn wie auch schon sein Vorgänger nutzt Cameron diese State-of-the-art-Technologie, um seine tief empfundene Liebe für die Natur und – ganz entscheidend – zum Ozean und seiner enormen Artenvielfalt filmisch greifbar zu machen. Cameron lädt den Zuschauer ein weiteres Mal ein, sich in dieser Welt fallen zu lassen und jede Schnelllebigkeit und Ironie an der Kinotür zurückzulassen. Angesichts einer immer rasanteren und unübersichtlichen Welt wirkt der Kino-Koloss „Avatar: The Way of Water“ dann im besten Sinne ein wenig anachronistisch und altmodisch, auch wenn seine Ode an Tiefenökologie, die Verbindung aller Lebewesen und die Botschaft, mehr im Einklang mit seiner Umwelt zu leben, kaum zeitgemäßer sein könnte.

Doch auch ansonsten ist dieser Film wie von Cameron gewohnt mit aufrichtiger und völlig ironiefreier Emotion aufgeladen, die man problemlos als plump und kitschig abtun kann. Angesichts einiger hölzerner Dialoge (die leider auch immer zu Camerons Markenzeichen gehörten) macht er es dem Zuschauer nicht immer leicht, ganz von eher unfreiwilligen Schmunzlern und Augenrollern abzusehen. Dass erzählerisch hier dann doch nicht ganz so viel Neues gewagt wird und vieles schematisch und arg stereotyp erscheint, kann man dann durchaus als Enttäuschung ansehen. Sicher, Cameron erschafft eine ganz neue Familienkonstellation und will auch viel über Vater-Sohn- bzw. Generationenkonflikte erzählen, charakterliche Tiefe darf man in diesem wenig subtilen Szenario aber nicht erwarten. Stattdessen verbringt man sehr viel Zeit mit den nicht immer leicht unterscheidbaren Figuren und fühlt sich oft wie in einer besseren Seifenoper, wodurch Geduld auch regelmäßig strapaziert wird. Dann muss man aber auch immer wieder Camerons absolute Aufrichtigkeit und eben auch Effektivität als geradliniger wie kraftvoller Geschichtenerzähler anerkennen. Wenn das alles nicht funktioniert, kann man sich – ganz wie im ersten Film – ohnehin an den Bildern ergötzen.

Erneut steht dann das Paradies von Pandora unter Attacke der von Quaritch angeführten Imperialisten, die mit typisch rücksichtsloser Brutalität und blindem Hass das unberührte Ökosystem dieses Exoplaneten zu vernichten bereit sind. Das ist dann auch der Katalysator für den zweiten Akt, der diese Welt nochmal enorm im Vergleich zum ersten Teil erweitert und den zweifellos größten Mehrwert zum ersten Teil bietet: So müssen Jake und seine Familie weit flüchten, um schließlich bei dem Volk der Metkayina Unterschlupf zu finden. Diese Subkultur von Meeresmenschen, die vom Stammesältesten Tonowari (Cliff Curtis) und dessen Frau Ronal (Kate Winslet) angeführt wird, begegnet den Omaticaya zunächst eher skeptisch, gewährt den Verbannten aber Unterstützung. Dort, an ganz anderer Stelle von Pandora, müssen Jake und Co. nicht nur mit der unbekannten und enorm reichhaltigen Welt des Ozeans vertraut werden, sondern seine Teenager-Kinder müssen auch einige Konflikte mit den rebellischen Sprösslingen von Tonowari und Ronal bewältigen. Währenddessen nehmen der fanatische Quaritch und seine Söldner die Spur auf, wobei er den gefangengenommenen Dreadlocks-Jungen Spider als Führer in das unbekannte Land missbraucht.

(L-R): Neytiri and Jake Sully in AVATAR: THE WAY OF WATER
(L-R): Neytiri and Jake Sully in AVATAR: THE WAY OF WATER © 20th Century Studios

Der erzählerische Fokus von „Avatar: The Way of Water“ liegt unmissverständlich erneut auf dem ganz traditionellen Kampf Gut-gegen-Böse, aber auch dem Konflikt zwischen ursprünglicher Natur und hochtechnologisierter Maschinen. Hier pochen wieder zwei Herzen in Camerons Brust, denn sein Fetisch für militärische Apparate, Mechanik und Technik steht natürlich in faszinierendem Kontrast zu der hochgradig spirituell portraitierten Natur. Wie schon so oft in seinem Werk verschmelzen Menschen mit der von ihnen genutzten Technologie, so gibt es auch hier nach „Aliens“ und dem ersten „Avatar“ erneut beeindruckende motorisierte Mech-Kampfanzüge, die eins mit ihrem Nutzer werden. Genauso vereinen sich die Na’vi aber auch wie zuvor gesehen mit ihren Flugdrachen oder Wasserkreaturen, wenn sie sich förmlich mit den Enden ihres Haarzopfs auf elektrochemische Weise an die Lebewesen koppeln. Absolutes Highlight der neuen Lebewesen: die walartigen und hochintelligenten wie emotional sensiblen Tulkun, die auch eine zentrale Rolle im weiteren Verlauf des Films spielen. Außerdem stehen hier familiärer Zusammenhalt und das Weitertragen von Wissen innerhalb der Generationen ebenso im Mittelpunkt wie die Vermittlung von Ehre, Respekt und Mitgefühl. Das sind jedoch alles nur oberflächliche Attribute, die leider nur bedingt mit Leben und echter Dimensionalität gefüllt werden.

Während der erste Akt Figuren etabliert und vertieft, aber auch den Urwald von Pandora erweitert, lässt sich Cameron im zweiten Akt ebenso viel Zeit mit neuen Charakteren, aber vor allem der Ozeanwelt. Während er der Faszination dieser sensationell reichhaltigen Umgebung frönt, treibt er die Erzählung kaum voran und verlässt sich voll und ganz auf seine transportierende Bilderwelt und mehr oder weniger subtile Konflikte zwischen dem großen Ensemble. Echte Spannung kommt hier leider nur immer in Ansätzen auf. Alles läuft dann auf einen gigantischen Showdown hinaus, wenn Quaritchs Trupp mit Hilfe des rücksichtslosen Meeresjägers Mick Scoresby (Brendan Cowell) und dem Meeresbiologen Dr. Ian Garvin (Jemaine Clement) immer näher an die Protagonisten heranrückt.

Was Cameron im letzten Akt schließlich an spektakulär-ausufernder Daueraction abfeuert, ist nichts anderes als sensationell und sich konstant selbst-übertreffend, wodurch man vorangegangene Hänger und Schwächen gerne vergisst. Die gigantische Größe dieses größtenteils auf und unter Wasser spielenden Unterfangens (das sowohl an die Finale von „Terminator 2“ wie auch insbesondere frappierend von „Titanic“ erinnert) erscheint nahezu beispiellos, wobei bemerkenswert ist, wie klar und muskulös Camerons Inszenierung ist: Hier gibt es nie Zweifel, wer sich wo befindet und wer welche Motivation hat. Überhaupt hat Cameron die Laufzeit natürlich gut genutzt, um all das Geschehen auch entsprechend zu unterbauen, wodurch hier alles sinnig, rund und zufriedenstellend kulminiert. Erneut muss das enorme Selbstverständnis dieser Bilder hervorgehoben werden, denn man vergisst tatsächlich sehr leicht, dass es alles andere als das ist. So ist Cameron letztlich fast schon erwartbar der nächste große Wurf gelungen, der ebenso erwartungsgemäß keinen Originalitätspreis gewinnt, aber angesichts nie dagewesener Bildgewalt unbedingt – ja, man muss es einfach sagen – auf größtmöglicher Leinwand erlebt werden muss.

Filmwertung
8.5/10

Kurzfassung

Ein filmtechnologischer Meilenstein und neue Referenz in Sachen visuelle Effekte.

Fazit:

James Cameron übertrumpft seinen rekordbrechenden Vorgänger in nahezu allen Bereichen und erschafft einen weiteren filmtechnologischen Meilenstein, der eine neue überlebensgroße Referenz in Sachen visuelle Effekte darstellt. Erzählerisch ist Cameron angesichts vieler neuer Figuren und Konflikte durchaus ambitioniert, auch wenn hier strukturell erneut nur sehr überraschungsarme und wenig originelle Kost geboten wird.


von Florian Hoffmann

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