Filmkritik zu Amsterdam: Macht eine Starbesetzung einen guten Film?

Christian Bale als Burt, Margot Robbie als Valerie und John David Washington als Harold in AMSTERDAM
Christian Bale als Burt, Margot Robbie als Valerie und John David Washington als Harold in AMSTERDAM © 20th Century Studios. Photo by Merie Weismiller

Die Kritik:

Oh schau her, da ist Christian Bale! Und da! John David Washington! Okay, hallo Taylor Swift… Ach lustig, Chris Rock ist auch dabei! Margot Robbie! Zoe Saldana! Anya Taylor-Joy! Rami Malek! Michael Shannon! Mike Myers?! Dieses Spiel zieht sich im Grunde durch die ganze Laufzeit von David O. Russells neuem Werk „Amsterdam“. Was eigentlich auf dem Papier ganz aufregend scheint und mit seinem geballten Prestige vor und hinter der Kamera (Emmanuel Lubezki!) förmlich nach Oscars schreit, entpuppt sich leider als eine der großen Enttäuschungen des Kinojahres. Neben der All-Star-Riege (die Liste geht noch weiter) fährt Russell hier durchaus auch mit einer sehr vielversprechenden Prämisse auf, die nur leider so gar nicht in einen packenden oder gar unterhaltsamen Film gemündet ist.

Amsterdam - Filmplakat
Amsterdam – Filmplakat © 20th Century Studios

Diesmal gelingt es Russell einfach nie so ganz sein gewohntes organisiertes Chaos à la „American Hustle“ rund und zufriedenstellend zu gestalten: So erzählt der im New York von 1933 angesiedelte „Amsterdam“ von der engen Freundschaft des verschrobenen Arztes Burt Brendsen (Bale) und des Anwalts Harold Woodsman (Washington), die gezeichnet vom Ersten Weltkrieg um die Aufklärung des Todes ihres ehemaligen Befehlshabers und jetzigen US-Senators Bill Meekins (Ed Begley Jr.) gebeten werden. Dessen Tochter Elizabeth (Swift) vermutet, dass es bei dem Tod nicht mit rechten Dingen zugegangen ist, weshalb eine von Burt und dessen Kollegin Irma St. Clair (Saldana) durchgeführte Autopsie Klarheit bringen soll. Der vermutliche Fund von Gift im Magen des Toten bestätigt diesen Verdacht und schnell wird klar, dass die beiden Kriegsveteranen in ein Wespennest einer größeren politischen Verschwörung gestochen haben…

So entspinnt sich eine komplex und verworren erzählte Mystery-Geschichte, bei der man als Zuschauer konstant mit Informationen in Form vollgepackter Dialoge bombardiert wird. Ganz wie von klassischen Noirs gewohnt, muss man hier sehr gut aufpassen, um den ganzen Verwicklungen und den zahlreichen Figuren folgen zu können. Russell erzählt das alles mit einem betont luftigen, exzentrischen und eher amüsierten Unterton mit diversen Running Gags (Burt verliert etwa immer wieder sein Glasauge), sodass ein Gefühl von Dringlichkeit oder Spannung kaum aufkommt. Wäre dieser manchmal an die Coen-Brüder erinnernde Reigen dann nun eben wirklich auch amüsant und gut aufgelegt, könnte man das verkraften, so ist „Amsterdam“ aber weder Fisch noch Fleisch. Die vielen Dialoge haben durchaus ihre Momente und ihren eloquenten Reiz, sie sind allerdings so dicht, dass sich der Film als eher ermüdend und mäandernd entpuppt.

In die Lauflänge von spürbaren 134 Minuten packt Russell dann noch eine längere Rückblende ein, die zum einen die innige Freundschaft der beiden Protagonisten, aber auch den etwas sonderbaren Titel des Films erklärt: In dem wohl besten und rundesten Teil von „Amsterdam“ wird der Einsatz im besetzten Frankreich im Jahr 1918 gezeigt, bei dem sich Burt und Harold nach anfänglicher Distanz kennen- und schätzen gelernt haben. Zu dem schließlich stark verletzten Duo gesellt sich dann Krankenschwester Valerie Voze (Robbie), die die beiden verarztet, aus Schrapnellteilen dadaistische Kunst fertigt und sich schließlich in eine Art Liebesdreieck à la „Jules und Jim“ wirft. Wobei, das stimmt eigentlich nicht, denn romantische Gefühle entwickeln sich nur zwischen Valerie und Harold, während der ohnehin vergebene Burt mit stark freundschaftlicher Bindung das dritte Rad am Wagen bildet. Schließlich ziehen die drei nach Amsterdam, wo sie zusammen das Leben ein wenig genießen können, bis sich die Wege für lange Zeit trennen und in der Gegenwart des Films wieder zusammengeführt werden.

(L-R): John David Washington als Harold, Margot Robbie als Valerie, Rami Malek als Tom und Anya Taylor-Joy als Libby in AMSTERDAM
(L-R): John David Washington als Harold, Margot Robbie als Valerie, Rami Malek als Tom und Anya Taylor-Joy als Libby in AMSTERDAM © 20th Century Studios. Photo by Merie Weismiller Wallace; SMPSP

Viel passiert also in „Amsterdam“, dessen Plot nach dieser ausgedehnten Rückblende erst so richtig in Fahrt kommt. Der Film selbst tritt aber merkwürdig auf der Stelle, bietet trotz aufwändigem Szenen- und Kostümbild nur merkwürdig wenige Schauwerte und baut einfach weder echte Energie noch wirkliches Interesse auf, weder für die vertrackte Erzählung noch für die an sich durchaus sympathischen Figuren. Das ergibt ein sehr merkwürdiges und lauwarmes Seherlebnis, bei dem man stets großes Potential spürt, das aber einfach nie in einem guten und mitreißenden Film aufgeht. Das Ganze basiert dann auch auf einer wahren und etwas vergessenen Geschichte, die wirklich fast zu unglaublich ist, um wahr zu sein – Was es genau mit dem verschwörerischen „Business Plot“ auf sich hat, kann man entweder selbst nachlesen oder sich eben durch diesen Film aufklären lassen. So richtig entfalten sich die Hintergründe dann eben mitsamt Botschaft erst am Ende mit dem sehr guten Robert De Niro, das dann angesichts des historischen Zündstoffes durchaus für so manchen Aha-Moment sorgen kann.

Doch zu lange beschäftigt sich Russell mit der bedingt vorhandenen Dynamik seiner Figuren, die zudem von hochkarätigen SchauspielerInnen verkörpert werden, die hier oft merkwürdig verloren und nicht gut geführt daherkommen. Wo ein Feuerwerk gezündet werden sollte, ploppen hier nur ein paar kaum hörbare Knallfrösche vor sich hin, auch wenn das Trio Bale/Washington/Robbie durchaus eine ganz solide Chemie zueinander entwickelt. Ansonsten sorgen die vielen Auftritte namhafter Akteure dann auf kontraproduktive Art dafür, dass man nicht mehr so recht die Figuren, sondern eben nur die Spieler sieht.

Christian Bale als Burt, Margot Robbie als Valerie und John David Washington als Harold in AMSTERDAM
Christian Bale als Burt, Margot Robbie als Valerie und John David Washington als Harold in AMSTERDAM © 20th Century Studios

Sehr gute Momente bietet „Amsterdam“ zweifelsohne immer wieder, doch leider hebt der Film einfach nie richtig ab und entwickelt sich nicht zu einem harmonierenden Ganzen. So fragt man sich zu lange, was Russell eigentlich aussagen möchte, wo die Reise hinführt und warum man sich dafür interessieren sollte. Die Antworten kommen dann zu spät, der Film funktioniert so weder als drollige Farce, noch als berührende Geschichte einer Freundschaft, nicht als spannende Noir-Mystery-Kriminalgeschichte und dann eben auch nur in Ansätzen als scharfsinniges politisches Botschaftskino mit tieferer Botschaft. Alles ist hier in interessanten Ansätzen vorhanden, bleibt aber dann seltsam halbgar an der Oberfläche, was angesichts des enormen Potentials dann doch wirklich frustrierend ist.

Filmwertung
5.5/10

Kurzfassung

Amsterdam will vieles sein und ist am Ende nichts davon so richtig.

Fazit:

„Amsterdam“ will vieles sein und ist am Ende nichts davon so richtig: Skurrile Screwball-Farce, klassische Noir-Kriminalgeschichte mit zeitgemäßem politischem Unterton sowie die Erzählung einer Freundschaft und eines Liebesdreiecks. Trotz sensationeller Besetzung und vielen positiven Qualitäten bleibt dieser enorm dialogstarke Film dann leider merkwürdig mau, wenig mitreißend und bietet sowohl zu viel als auch letztlich zu wenig von allem.


von Florian Hoffmann

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