Wolfzeit – Kritik zum Film und Mediabook

Wolfzeit - Die Familie
Wolfzeit - Die Familie © Camera Obscura Filmdistribution

Die Kritik:

Wolfzeit Mediabook
Wolfzeit Mediabook © Camera Obscura Filmdistribution

Wolfzeit ist ein Spielfilm von Michael Haneke aus dem Jahr 2003, der als österreichisch-deutsch-französische Coproduktion in französischer Sprache inszeniert wurde. Seine knapp 20 Jahre spätere Blu-ray-Veröffentlichung im Dezember 2022 wird in einer limitierten Mediabook-Variante inkl. sehr interessantem Booklet mit reichlich Infos und Interpretationen vollzogen. Aber dazu später mehr. Zunächst bewerten wir den Inhalt, sowie Bild und Ton bevor wir zu den Extras dieser Sammleredition kommen.

Eine nicht näher erklärte Apokalypse hat die Welt anscheinend vor einiger Zeit getroffen. Eine Familie trifft in ihr Heim ein und wird dort von einer anderen bewaffneten Familie überrascht. Die Gewalt direkt in den Anfangsminuten macht schnell klar, dass die Menschen für das eigene Überleben zu allem bereit scheinen. Wer aber dann einen packenden Thriller erwartet, der sei vorgewarnt. Zwar dominieren auch im restlichen Film die negativen Aspekte rund um Missgunst, Egoismus bis hin zu Verrat, doch beobachtet Haneke in seinem Drama lieber, wie seine Figuren trotz Extremsituation um Regeln und Ordnung bemüht sind – und größtenteils scheitern. Diese Beobachtung geschieht im Spielfilm aus den Augen der Mutter (Isabelle Huppert, mit späterer Oscar-Nominierung als Beste Hauptdarstellerin für Elle) und der Teenie-Tochter (Anaïs Demoustier, die Entdeckung in diesem Film).

Wolfzeit - Das Warten auf den Zug
Wolfzeit – Das Warten auf den Zug © Camera Obscura Filmdistribution

Regisseur und Autor Michael Haneke ist bekannt für sehr ausgewählte, anspruchsvolle und unbequeme (Kino-)Filme um das Verhalten von Menschen, das nicht selten in Gewalt mündet. So sieht er etwa seine ersten drei Kinofilme (von 1989 bis 1994) als Trilogie über die Vergletscherung der Gefühle der Menschen. Durchschnittskost? Nicht mit dem österreichischen Filmemacher. Nicht selten werden seine Werke von Kritikern mehr gefeiert als vom Mainstreampublikum. Sein nach Auszeichnungen erfolgreichstes war 2013 „Liebe“, der in der Kategorie Bester fremdsprachiger Film den Oscar gewann und weitere Nominierungen (u.a. Bester Film, Regie, Originaldrehbuch) erhielt.

Eine solche Ehre wurde Wolfzeit damals nicht zu Teil. Die Bewertungen waren auch nicht durchweg positiv, im Booklet wird das teils mit einem fehlenden Verständnis des vieldeutigen Films begründet. In der Tat fallen die vielen Interpretationsmöglichkeiten selbst dem geübten Zuschauer schwer zu deuten. Von nordischen Mythen über Opferrituale bis zu biblischen Geschichten ist alles drin. Wohl auch aufgrund des eher sperrigen Werks war Wolfzeit finanziell im Kino nicht sonderlich erfolgreich.

Isabelle Huppert
Isabelle Huppert © Camera Obscura Filmdistribution

Und doch ist dieses Drama besonders mit etwas Hintergrundwissen absolut empfehlenswert. Aufgrund des eher biederen Inhalts, lassen sich toll die Vergleiche und Metaphern analysieren, die Haneke zweifelsohne im Sinn hatte. Gleichzeitig hat das Endzeitdrama nichts von seiner Aktualität eingebüßt, was zur Zeit leider auf viele Filme mit der Thematik einer globalen Schreckensperiode zutrifft. Und schauspielerisch konnte der Streifen mit den beiden Protagonistinnen schon früh diese beiden grandiosen Darstellerinnen erkennen.

Bild:

Das Mediabook enthält als physischen Datenträger eine Blu-ray. Das Bild des 20 Jahre alten Films kann dabei nicht durchweg überzeugen. Die Farbübergänge erscheinen manchmal nicht fließend. Bei den vielen dunklen Szenen (bis komplett lichtarmen bei Nacht) zieren sogar mal leichte Graupelschauer das Bild. Natürlich darf ein Endzeitdrama körnige Momente innehaben und was teils gar als Stilmittel Verwendung findet – für die rein technische Betrachtung gibt das allerdings Minuspunkte.

Ton:

Die deutsche Synchronisation besitzt nur eine 2.0 Stereo Audiospur. Zeitgemäß ist das natürlich nicht mehr, während die französische Originalsprache immerhin DTS-HD Master Audio 5.1 besitzt. Da der dialoglastige Film aber kaum Actionszenen und einen ruhigen Soundtrack besitzt, fällt das wenig ins Gewicht.

Extras:

Das digitale Bonusmaterial zeigt nebst Trailer ein Making of sowie eine Behind-the-Scenes-Fotogalerie. Das allein ist noch nicht weltbewegend, das Highlight findet sich aber in dem Mediabook. Das wertige Booklet kann haptisch wie optisch überzeugen. Auf die Rückseite schaffte es dann aber nicht etwa ein weiteres vollflächiges Motiv, sondern die normalen Infos zum Film. Bei Sammlern nicht unbedingt die erste Wahl. Als kleiner Kniff wurde hier dafür im Querformat gearbeitet. Inhaltlich lesen wir ein schon angesprochenes äußerst informatives Essay des Filmwissenschaftlers Prof. Dr. Marcus Stiglegger. Viele Interpretationsmöglichkeiten werden diskutiert und genau das will man bei so einem Film doch auch haben. Zwar auch hier nicht immer mit ganz einfacher Sprache, aber jedem Filmliebhaber sehr zu empfehlen.

Blu-ray-Wertung
  • 7/10
    Film - 7/10
  • 7/10
    Bild - 7/10
  • 7/10
    Ton - 7/10
  • 8/10
    Extras - 8/10
7/10

Zusammenfassung

Ein aufgrund seiner Sperrigkeit eher vernachlässigtes Werk von Michael Haneke erscheint im neuen Glanz.

Fazit:

Wolfzeit zählt nicht zu Hanekes bekanntesten Filmen. Dass der 20 Jahre alte Film nun neu aufgelegt wurde, liegt sicherlich auch an den begnadeten Schauspielerinnen, die später noch viel bekannter wurden und der erschreckenden Aktualität, wenn die Zivilisation (ob das nun durch Seuche ,Krieg oder etwas anderem) zusammengebrochen ist. Sammler und Filmliebhaber wird‘s freuen.


von Nicolas Wenger

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