Vox Lux – Blu-ray Kritik zum Musikdrama mit Natalie Portman

Raffey Cassidy in Vox Lux
Raffey Cassidy in Vox Lux © New KSM

Die Kritik:

Vox Lux - Blu-ray
Vox Lux – Blu-ray © New KSM

Hat Schauspieler Brady Corbet bei seinem unterschätzten Debütfilm „The Childhood of a Leader“ noch den Aufstieg eines Faschisten thematisiert, schildert er in „Vox Lux“ nun die Entstehung eines Popstars. Wer Corbets Erstling gesehen hat, sollte schon darauf vorbereitet sein, auch hier keine herkömmliche Aufstiegsgeschichte zu sehen: Aufgeteilt in drei Prelude, Genesis und Regenesis betitelte Akte ist „Vox Lux“ eine von 1999 bis 2017 ragende Chronik eines jungen Mädchens, das sich durch eine persönliche Tragödie zur Pop-Ikone und -Märtyrerin wandelt. Corbet erweist sich auch hier insbesondere in seinem enorm verstörenden und packenden Beginn mit seiner klaren Bildsprache als nahezu schon virtuoser Filmemacher. Auch in der Folge erscheint „Vox Lux“ in seiner formal und inhaltlich aufsehenerregenden Machart als hypnotisches und ausdrucksstarkes Kino, jedoch zerfasert der Film zunehmend und mündet schließlich in einem erstaunlich schwachen Ende, das in hartem Kontrast zu seinem vielversprechenden Anfang steht.

Es fällt schwer, über „Vox Lux“ zu sprechen, ohne seinen Ausgangspunkt zu thematisieren. Es sei jedenfalls so viel gesagt, dass die ersten Minuten des Films einen Haneke-artigen Schlag in die Magengrube bilden, von dem man sich erst mal erholen muss. Die 13-jährige Celeste (Raffey Cassidy) erlebt hier ein schreckliches Trauma, das jedoch für sie und ihre Schwester Eleanor (Stacy Martin) zugleich auch ein kreativer Katalysator ist. Ihre Trauer kanalisiert sie in einem von Eleanor geschriebenen Song, der nicht nur ihr musikalisches Talent offenbart, sondern auch zur Schreckensbewältigung einer ganzen Nation führt. Die einst so schüchterne Cassidy steigt Anfang der 2000er Jahre mit Hilfe eines findigen Musikmanagers (Jude Law) zum Star und schließlich zur schillernden Pop-Diva (Natalie Portman) auf, die in der Filmgegenwart nach einigen persönlichen Rückschlägen ihr Comeback angeht.

Natalie Portman in Vox Lux
Natalie Portman in Vox Lux © New KSM

„Vox Lux“ ist ein spürbar ambitionierter Film, der stilistisch und inszenatorisch weit aus dem Durchschnitt des Genre-Klischees herausragt. Corbet will hier ganz offensichtlich viel über den Zusammenhang zwischen persönlicher Tragödie und kreativer Entfaltung sowie Pop und Gewalt aussagen, beim Zuschauer kommt letztlich dann doch aber nur ein Teil der Message an. Die Inszenierung fühlt sich überaus gewichtig an, der Film nimmt sich bitterernst und erscheint in seinen klaren 35mm-Filmbildern und Scott Walkers sphärischer Musik wie ein hypnotischer Albtraum fern jeder Selbstironie oder satirischer Zwischentöne.

Um eine typische Erfolgsgeschichte geht es hier nicht. Hier ist ganz klar, dass Celeste ihre Seele verkauft, dass ihr Leiden kapitalisiert wird und sie scheinbar ohne Selbstbestimmung in einen Strudel der immer größer werden Oberflächlichkeit und Leere gezogen wird. Die Aussage über eine seelenlose und nur an glattem Kommerz interessierte Popwelt ist wahrlich nicht neu, Corbets eigenwillige, kühl-distanzierte und bedeutungsschwangere Herangehensweise setzt jedoch interessante frische Akzente.

Natalie Portman und Raffey Cassidy in Vox Lux
Natalie Portman und Raffey Cassidy in Vox Lux © New KSM

Inwiefern nicht eine, sondern sogar noch eine weitere extern geschehende Tragödie als Verbindungspunkte in Celestes künstlerischem Werdegang funktionieren, muss man für sich selbst entscheiden. Die Frage, inwieweit Schicksalsschläge und Erfahrungen ein Leben sowie auch anders herum eine Person des öffentlichen Lebens unbewusst andere beeinflusst, ist sicher ein Schlüsselthema. Auch auf die popkulturelle Ausbeutung von Tragödien wird hier auf durchaus hintergründige und interessante Weise angesprochen. Corbet stimuliert hiermit zweifelsohne spannende Gedankengänge, jedoch lässt sich kaum bestreiten, dass „Vox Lux“ in seiner zweiten Hälfte immer mehr die Luft ausgeht. Das liegt sicher nicht an der brillanten Natalie Portman, die mit der Interpretation einer schillernden, emotional und psychisch fragilen wie auch völlig selbstbezogenen Popdiva eine ihrer wohl besten Leistungen abliefert. Portman saugt förmlich alle Aufmerksamkeit des Raumes auf sich, sodass man von ihrem exzentrischen wie egozentrischen Erscheinungsbild kaum den Blick nehmen kann. Portman ist eine magnetische Präsenz, doch trotz allem verliert der Film mit ihrem Erscheinen seinen durch die subtiler auftretende, aber nicht minder packende junge Celeste Raffey Cassidy etablierten Sog.

Natalie Portman in Vox Lux
Natalie Portman in Vox Lux © New KSM

Das Geheimnisvolle verschwindet, das Unausgesprochene wird verbalisiert. Der primär audiovisuell erzählte Film wird einfach zu gesprächig. Portman mag faszinierend sein, von einer Sympathiefigur, der man gerne folgt, ist sie größtenteils weit entfernt. „Vox Lux“ mündet dann schließlich in einen quälend in die Länge gezogenen Schluss, der letztlich bemerkenswert nichtssagend ist und den Zuschauer ohne eine verdiente Katharsis zurücklässt. Wenn es Corbets Intention war, Celestes innere Leere so sehr inszenatorisch zu verdichten, dass man sie als Zuschauer schließlich selbst spürt, hat er seine Aufgabe erfüllt. Nach dem fulminanten Start bleibt so jedoch leider ein Gefühl der Enttäuschung und von verschenktem Potential zurück.

Bild:

Dank seiner 35mm-Filmquelle erscheint „Vox Lux“ auf Blu-ray in prächtig aussehender Verfassung. Filmkorn ist unterschiedlich stark ausgeprägt, aber immer vorhanden. Hierdurch erhält der Film eine schöne, lebendige und organische Textur. Die Farbpalette ist vielfältig, natürlich und ausdrucksstark. Kontraste und Schwarzwerte schwanken ein wenig, das macht die Ästhetik aber auch aus.

Ton:

Etwas schwächer als das starke Bild fällt überraschenderweise der ein wenig zurückhaltende Ton aus. Insgesamt fehlt es hier ein wirklich durchschlagender Kraft und Räumlichkeit, die man bei einem Film mit zahlreichen Musikeinlagen erwarten würde. Sicher, immer wieder verteilen sich auch atmosphärische Klänge und die Musik auf die Surroundkanäle und das abschließende Konzert bietet mindestens solide Werte. Dennoch wäre eine höhere Klangdynamik wünschenswert gewesen. Stimmen und Dialoge ertönen klar und verständlich.

Extras:

Beim Bonusmaterial stehen leider nur zwei EPK-Interviews mit Natalie Portman und Brady Corbet bereit. Die verschiedenen Trailer und eine kurze animierte Bildergalerie sind dann nur dürftige Extras.

  • Interview mit Natalie Portman (3:51 Min.)
  • Interview mit Brady Corbet (14:32 Min.)
  • Trailershow
  • Bildergalerie (01:43 Min.)
Blu-ray Wertung
  • 7/10
    Film - 7/10
  • 9/10
    Bild - 9/10
  • 8/10
    Ton - 8/10
  • 4/10
    Extras - 4/10
7/10

Kurzfassung

Ist in seiner ersten Hälfte kraftvolles, hypnotisches und düsteres Filmemachen, jedoch wird der bedeutungsschwangere Ton in der stark abfallenden zweiten Hälfte nicht mit einer Katharsis ausgefüllt.

Fazit:

Brady Corbet stellt auch mit seinem zweiten Film nahezu virtuoses filmisches Können unter Beweis, das besonders in seinem markerschütternden Beginn große Wirkung erzeugt. „Vox Lux“ ist in seiner ersten Hälfte kraftvolles, hypnotisches und düsteres Filmemachen, jedoch wird der bedeutungsschwangere Ton in der stark abfallenden zweiten Hälfte nicht mit einer Katharsis ausgefüllt. Da hilft dann auch die gigantisch aufspielende Natalie Portman nicht, die hier eine ihrer womöglich besten Leistungen abliefert.


von Florian Hoffmann

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