Tides – Blu-ray Kritik

Tides - Nora Arnezeder und Sarah Sofie Boussnina
Tides - Nora Arnezeder und Sarah Sofie Boussnina © Constantin Film

Die Kritik:

Ich will ehrlich sein. Es ist schon lange her, dass ich mich freiwillig mit einem Genrefilm deutscher Produktion beschäftigen wollte. Während es im 20. Jahrhundert gerade das deutsche Kino war, dass mit Filmen wie Metropolis oder Nosferatu – Eine Symphonie des Grauens wahre Meilensteine setzte, gibt es viele deutsche Fantasy-, Horror- und vor allem Scifi-Produktionen in jüngerer Geschichte, die in meinen Augen leider äußerst unterdurchschnittlich abschnitten. Gerade im Production Design, der Filmstilistik und in ihrer allgemeinen Präsentation wirken sie oft lieblos und unkreativ oder versuchen – meist nicht sonderlich erfolgreich – von amerikanischen Vorbildern abzukupfern.

Tides - Blu-ray
Tides – Blu-ray © Constantin Film

So hielt sich auch meine Erwartungshaltung in Grenzen als ich zum ersten Mal von Tides hörte, dem schweizerisch-deutschen Science-Fiction-Thriller über eine Weltraummission einiger weniger Astronauten des Planeten Kepler-209 in Richtung Erde. Eine Erde, die schon vor langer Zeit von globalen, menschengemachten Katastrophen zerstört wurde und dessen Aussicht, wieder als Lebensraum für Menschen dienen zu können, unbekannt ist.

Dennoch wollte ich dem Film eine Chance geben. Nicht zuletzt, da er unter anderem vier deutsche Filmpreise abräumen konnte und aus der Feder des Regisseurs und Drehbuchautoren Tim Fehlbaum stammt. Immerhin konnte dessen Spielfilm-Debüt Hell – ein Film, der sich gleichfalls mit einer Endzeitthematik beschäftigt – ebenfalls eine Reihe hervorragender Kritiken und verschiedenster Preise einheimsen.
Und ich kann nur so viel sagen – Tides hat meiner Ansicht über moderne, deutsche Genrefilme definitiv einen Strich durch die Rechnung gemacht.

So bietet der Film nicht nur eine auf dem Papier interessante Prämisse, sondern entwickelt er diese auch anhand einiger überraschenden Ideen und dynamischen Charakterinteraktionen zu einer vollwertig packenden Geschichte. Nicht zuletzt erreicht er dies durch seinen guten Cast an Darstellern, allen voran die hervorragende französische Schauspielerin Nora Arnezeder, die die Hauptfigur Louise Blake spielt.

Tides - Iain Glen
Tides – Iain Glen © Constantin Film

Vor allem überraschte mich der Film aber auf seiner visuellen Ebene. Während ich wie zu Beginn angesprochen mit diesem Aspekt meistens einige Probleme im Bereich der deutschen Genrefilme habe, hat Tides hier wirklich alle Register gezogen. Und damit meine ich nicht nur, dass der Film „für einen deutschen Film“ gut aussieht, sondern dass er in meinen Augen gerade auch im internationalen Vergleich eine hervorragende Figur macht. Statt offensichtlich fehlendem Budget für hochwertige Filmsets oder schlechten Kopien aus Übersee bietet Tides einen gänzlich eigenen Look.

Während man als Zuschauer vom hochentwickelten Scifi-Planeten Kepler-209 nahezu gar nichts zu Gesicht bekommt, muss sich der Film in erster Linie darauf konzentrieren, eine von Naturkatastrophen heimgesuchte und vereinsamte Erde authentisch in Szene zu setzen. Dies erreicht er einerseits durch auffällig häufige Nahaufnahmen von Gegenständen, Wänden, Gesichtern und Menschen im Allgemeinen. Da definitiv mit hochwertigem Equipment gedreht wurde, sorgt die besondere Cadrage für qualitative Bilder und schafft es gerade zu Beginn des Filmes die verlassene und lebensfeindliche Umgebung der Erde mit ähnlich beklemmenden Gefühlen zu übermitteln wie es die Protagonistin in diesen Momenten fühlen wird. Hinzu kommt ein sehr gutes Spiel mit Nebel, Tauchszenen und Wasser im Allgemeinen. Man merkt sehr stark, dass sich für die meisten Szenen wirklich Gedanken gemacht und auch gerne aufwändigere Prozesse eingeleitet wurden, um dem eigenen Anspruch gerecht zu werden.

Tides - Joel Basman
Tides – Joel Basman © Constantin Film

Und auch wenn es mich gerade im visuellen Bereich überrascht hat, ist Tides in allen Departments ein entsprechender Anspruch anzumerken. Alles in allem präsentiert sich hier ein durchaus überdurchschnittlicher Scifi-Thriller. Und das nicht nur im nationalen Vergleich.

Bild:

Tides konnte bei mir vor allem über seine visuellen Qualitäten punkten. Dazu gehört unter anderem das Spiel mit Nebel und Wasser, der im Vergleich zu Hollywood ruhige und nachvollziehbare Schnitt in Actionsequenzen und der gewiss exklusive Gesamtstil.

Ton:

Der Ton der Blu-rays ist durchaus fehlerfrei, wenn auch unspektakulär. Nur muss ich sagen, dass es doch negativ auffällig ist, dass in einer deutschen Produktion – die aber auf Englisch gedreht wurde – die Synchronisation der eigenen Sprache an manchen Stellen zu wünschen übrig lässt. Es ist definitiv kein Totalausfall, aber hin und wieder fallen kleine lippenasynchrone Momente oder im Vergleich zur Originalspur auffallend weniger mitreißende Dialoge auf.

Extras:

In erster Linie bietet das Heimkino-Release von Tides etwa 40 Minuten an Interviews als Extra-Content. Das beiliegende Making-of ist mit seinen zwei Minuten Lauflänge leider alles andere als umfangreich.

Blu-ray Wertung
  • 7/10
    Film - 7/10
  • 8/10
    Bild - 8/10
  • 6.5/10
    Ton - 6.5/10
  • 6.5/10
    Extras - 6.5/10
7/10

Kurzfassung

Wer sich für das Genre begeistern kann sollte sich Tides nicht entgehen lassen.

Fazit:

Mit Tides hat Tim Fehlbaum nun bereits ein zweites Mal gezeigt, dass das deutsche Genrekino unweigerlich einen eigenen Stil zu bieten hat und international mitmischen kann. Jeder, der sich gerne für das Genre begeistern kann oder sich davon überzeugen möchte, dass so etwas auch im deutschsprachen Raum möglich ist, sollte sich Tides nicht entgehen lassen.


von Esra Pötter

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