The United States vs. Billie Holiday – Blu-ray Kritik

Andra Day spielt die legendäre Jazzsängerin Billie Holiday.
Andra Day spielt die legendäre Jazzsängerin Billie Holiday. © 2020 Paramount Pictures Corporation. All rights reserved. (Foto: Takashi Seida),

Die Kritik:

The United States vs. Billie Holiday - Blu-ray Cover
The United States vs. Billie Holiday – Blu-ray Cover © capelight pictures

Billie Holiday ist eine Persönlichkeit, die zweifellos mit ihren Leistungen als brillante Jazzsängerin in die Musikannalen eingegangen ist. Dass Holiday durch ihre Heroinabhängigkeit eine gepeinigte Persönlichkeit war, macht sie nochmal interessanter, wenn auch fast schon zum Musikfilmklischee. Doch mit ihrem Protestsong „Strange Fruit“ war die afroamerikanische Ikone mit der charakteristischen Stimme zudem in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts auch eine wichtige Stimme für Bürgerrechte. Mit ihrer klaren und mutigen Haltung in einem offen rassistischen Land war sie so auch der Regierung und dem DEA-Vorgänger FBN schließlich ein Dorn im Auge. Von diesen tumultartigen Jahren im Leben der mit nur 44 Jahren verstorbenen Figur handelt „The United States vs. Billie Holiday“.

Lee Daniels, der Oscar-nominierte „Precious“-Regisseur, kehrt mit diesem Musiker-Biopic acht Jahre nach seinem letzten Film „The Butler“ auf den Regiestuhl eines Spielfilms zurück. Daniels hat hier ganz sicher kein x-beliebiges Biopic inszeniert. Seine eigenwillige künstlerische Herangehensweise und insbesondere seine flirrende Leidenschaft und persönliche Befangenheit für sein Subjekt, aber auch schwarze Liebe triefen hier aus jeder Pore. Immer wieder thematisiert der Film nämlich auch Holidays zahlreiche Liebschaften, wobei vor allem die wechselhafte und widersprüchliche Beziehung zu dem zunächst naiven FBI-Mann Jimmy Fletcher (Trevante Rhodes, „Moonlight“) ein wiederkehrendes Element darstellt. Dennoch erscheint der Film so unfokussiert und rastlos wie Billie Holiday selbst und findet letztlich nie ganz zu sich und damit dramaturgischer Kohärenz.

Billie Holiday (Andra Day) und Jimmy Fletcher (Trevante Rhodes) kommen sich näher, obwohl er den Auftrag hat, sie zu überwachen
Billie Holiday (Andra Day) und Jimmy Fletcher (Trevante Rhodes) kommen sich näher, obwohl er den Auftrag hat, sie zu überwachen.
© 2020 Paramount Pictures Corporation. All rights reserved. (Foto: Takashi Seida)

In einer Rahmenhandlung zeigt der Film ein 1957 stattfindendes retrospektives Interview mit der fiktiven exzentrischen Radiopersönlichkeit Reginald Lord Devine (Leslie Jordan), bei der wichtige Stationen in Holidays Leben abgehakt werden. Der Film springt in der Chronologie gelegentlich umher, zeigt unter anderem surreale Momente, bei der die Sängerin während einer Tour durch die Südstaaten durch Szenen rassistischer Hassverbrechen taumelt und zusammenbricht. Im Großen und Ganzen bleibt der Film aber geradlinig erzählt, dennoch entscheidet sich Daniels für eine episodenartige Struktur, die den Zuschauer leider eher auf Distanz hält, als mitzureißen. So werden viele musikalische Auftritte gezeigt, dazwischen finden sich zahlreiche unterschiedliche, oft missbräuchliche Liebschaften mit Männern und Managern, aber auch die unerbittliche und fast schon besessene Jagd des FBI-Mannes Harry Anslinger (Garrett Hedlund), der es auf Holiday abgesehen hat. Treibt ihn vordergründig sein Krieg gegen die Drogen an, ist sein wahres Motiv unverkennbar: Er nimmt Holiday vor allem wegen ihrer Hautfarbe und Symbolwirkung als Gefahr wahr, ihre Drogensucht ist natürlich nur ein Vorwand, um die Sängerin mundtot zu machen.

Für seine Zwecke nutzt er den idealistischen Jimmy aus, der sich zunächst inkognito bei Holiday Vertrauen erschleicht, um sie dann wegen Drogenbesitz festzunageln. Dass man mit ihm selbst ein Spiel spielt und er eigentlich rassistischen Zwecken seiner Arbeitgeber dient, gibt seiner Figur eine interessante Läuterung, die allerdings nie genug Zeit bekommt, um wirklich vertieft zu werden. Jimmy fühlt sich eigentlich von Beginn an insgeheim zu Billie hingezogen und wird schließlich erst im weiteren Verlauf zu einem echten Vertrauten. Das führt zu einer äußerst freizügigen und hitzigen Sexszene, die Daniels nicht nur zum Selbstzweck, sondern fein dramaturgisch aufgebaut – von ungestümer Rauheit zu sanfter Zärtlichkeit – inszeniert. Leider bleibt Rhodes, noch so gut in „Moonlight“, in dieser Rolle eher blass und passiv. Zudem ist diese Affäre, dafür, dass sie so einen präsenten Platz im Film einnimmt, historisch nicht belegt.

Billie Holiday (Andra Day) zusammen mit ihrem Ehemann Louis McKay (Rob Morgan).
Billie Holiday (Andra Day) zusammen mit ihrem Ehemann Louis McKay (Rob Morgan).
© 2020 Paramount Pictures Corporation. All rights reserved.(Foto: Takashi Seida)

Dennoch ist es die Inszenierung, die zumindest oberflächlich betrachtet zu gefallen weiß. Zum einen ist der Film äußerst liebevoll und detailliert ausgestattet und kostümiert, zum anderen lässt die weiche und körnige Analogfilmästhetik den Film wie ein Film aus vergangener Zeit und damit sehr stimmungsvoll erscheinen. Daniels Inszenierung ist zwar wie eingangs erwähnt durchaus künstlerisch inspiriert, aber mit vielleicht ein paar Spielereien zu viel trägt sie auch zu dem nicht ganz stimmigen Gesamteindruck des Films bei. Daniels setzt auf zahlreiche Montagen, er arbeitet zusätzliche Alterungseffekte und Zeitungsausschnitte ein, verwendet gelegentlich Archivaufnahmen sowie auch 16 Millimeter- und Schwarzweiß-Filmmaterial. Besonders effektiv ist der Beginn, der ein Schwarzweißfoto von zufrieden in die Linse blickenden Männern zeigt und durch Texteinblendungen und das Abschwenken des Bildes einen neuen und verstörenden Kontext offenbart.

Dennoch ist es eben die erzählerische Herangehensweise, die den Film unnötig schwächt. Durch Daniels episodenhafte Struktur findet man sich nie so recht in dem Film ein, der emotionale Zugang zu seiner Hauptfigur bleibt weitestgehend verwehrt, obwohl das Material an sich eben bruchstückhaft vorhanden ist. Der Film ist zudem mit vielen Figuren ausgestattet, die schlichtweg zu flach bleiben, um die Geschichte interessanter zu gestalten. Viele individuelle Szenen sind dennoch stark: da sind vor allem die tollen Auftritte vor vollen Konzertsälen, aber auch Holidays Blankziehen während ihrer Verhaftung oder das Verwehren des Nutzens eines Aufzugs in einem Luxushotel ausgerechnet durch einen schwarzen Pagen.

Billie Holiday (Andra Day) bei einem Auftritt zusammen mit Louis Armstrong (Kevin Hanchard).
Billie Holiday (Andra Day) bei einem Auftritt zusammen mit Louis Armstrong (Kevin Hanchard).
© 2020 Paramount Pictures Corporation. All rights reserved. (Foto: Takashi Seida)

Und hier kommt nun schließlich das Beste zum Schluss: „The United States vs. Billie Holiday“ verfügt schlichtweg über eine der besten Debüt-Schauspielleistungen aller Zeiten, denn Sängerin Andra Day liefert hier eine sensationelle, kühne und überaus engagierte Leistung, die völlig zurecht mit einem Golden Globe sowie einer Oscar-Nominierung gewürdigt wurde. Day, die ihren Künstlernamen zu Ehren von „Lady Day“ gewidmet hat, hat für die Rolle gekämpft, viele Kilos abgenommen und ihre Stimme mit Alkohol und Zigaretten transformiert. Es hat sich gelohnt, Billie Holiday wird hier lebendig, mit all ihrer Kraft, aber auch ihrer Verletzlichkeit. Die Songs singt sie selbst, definiert sie mit ihrer intensiv-kehligen Stimme nochmal neu. Man kann seine Augen nicht von Day lassen, so magnetisch, so präsent ist sie hier. Man erlebt Holiday auf der Höhe ihres künstlerischen Schaffens, aber auch in ihren schwachen Momenten, in denen sie sich vor lauter Weltschmerz in die Drogensucht wirft. So wird auch ihr verstörender Verfall am Ende kraftvoll und unverblümt dargestellt. Am meisten bleibt wohl der Höhepunkt des Films hängen, bei dem Day auf gänsehauterregende Weise in die Kamera blickend die berüchtigte Protesthymne „Strange Fruit“ alles durchdringend performt und das Lynchen von schwarzen Amerikanern beklagt. Alleine solche Momente und Days denkwürdige Performance machen „The United States vs. Billie Holiday trotz aller Schwächen schließlich sehenswert.

Bild:

Für HD-Puristen mag die bildliche Umsetzung enttäuschen, Freunde von Filmästhetik sollten hingegen sehr angetan sein. So präsentiert sich hier ein betont körniges und texturiertes Bild mit warmen, aber nicht zu gesättigten Farben. Es dominieren eher weiche Kontraste und Schwarzwerte, wodurch ein insgesamt sehr angenehmer du organischer Bildeindruck entsteht. Schärfe und Details stehen hier somit nicht an vorderster Prioritätenstelle.

Ton:

Wie es sich für einen Musikfilm gehört, überzeugt die akustische Gestaltung auf ganzer Linie. Gerade die Musik ertönt feinabgestimmt raumfüllend, Andra Days Stimme ist wunderbar präsent und geht tief ins Herz. Auch ansonsten gefallen atmosphärische Geräusche auf den Surroundkanälen, die den Film jederzeit lebendig wirken lassen.

Extras:

Leider liegen dem Bonusmaterial nur Trailer vor.

Blu-ray Kritik
  • 6.5/10
    Film - 6.5/10
  • 6.5/10
    Bild - 6.5/10
  • 9/10
    Ton - 9/10
  • 1/10
    Extras - 1/10
6/10

Kurzfassung

Absolut sehenswert wird der Film durch Andra Days fantastische, kraftvolle und denkwürdige Oscar-nominierte Darstellung in der Titelrolle.

Fazit:

Lee Daniels Biopic über die traumatisierte Jazzikone Billie Holiday gefällt zwar mit teils eigenwilligen inszenatorischen Einfällen und Leidenschaft für seine Thematik, lässt aber durch seine unfokussierte Dramaturgie weitestgehend auf Distanz. Absolut sehenswert wird der Film jedoch durch Andra Days fantastische, kraftvolle und denkwürdige Oscar-nominierte Darstellung in der Titelrolle.


von Florian Hoffmann

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