The Girl with all the Gifts – Blu-ray Kritik

Melanie (Sennia Nanua) mit Schutzmaske
Melanie (Sennia Nanua) mit Schutzmaske © SquareOne/Universum

Die Kritik:

The Girl with all the Gifts - Blu-ray Cover
The Girl with all the Gifts – Blu-ray Cover © SquareOne/Universum

Kaum ein Subgenre wird schon seit so vielen Jahren derart häufig frequentiert wie der Zombiefilm, wodurch eindeutig schon ein Zustand der Übersättigung eingetreten ist – gerade, wenn man bedenkt, dass nicht nur unzählige zweitklassige Videopremieren den Markt überschwämmen, sondern auch Mainstream-Produktionen wie „The Walking Dead“ in aller Munde sind. Etwas frischen Wind, willkommene Menschlichkeit und Originalität bringt nun die britische Zombie-Dystopie „The Girl with All the Gifts“, die auf Mike Careys gleichnamigem, 2014 veröffentlichtem Roman basiert. Die Werkgetreue der Adaption versprach die Tatsache, dass Carey selbst das Drehbuch verfasste. Auch wenn sich zweifelsohne immer wieder gewisse Versatzstücke des Genres in Colm McCarthys zweitem Spielfilm finden, so bietet „The Girl with All the Gifts“ dennoch genug stilistische Eigenwilligkeit, Unberechenbarkeit und vor allem interessante Charaktere, um eher frisch als abgestanden zu wirken.

Der Film ist zeitlich in naher Zukunft angesiedelt, nachdem die Erde mal wieder Opfer einer verheerenden apokalyptischen Epidemie wurde. Ursprung dieser ist hier ein tödlicher Pilz, der aus dem Großteil der Erdbevölkerung manische, willenlose und menschenfleischfressende Wilde macht, die von den Nichtbefallenen „Hungries“ genannt werden. (Es folgen leichte Spoiler) Neben den Menschen, bei denen der Virus voll ausgebrochen ist, gibt es auch eine Gruppe von Kindern aus zweiter Generation, die ebenfalls über kannibalistische Tendenzen verfügen, aber ihre menschlichen Eigenschaften voll erhalten haben. Diese werden auf einem hermetisch von der Außenwelt abgeschotteten britischen Armeestützpunkt mit größten Vorsichtsmaßnahmen weggesperrt. In gewisser Weise stellen diese Kinder die letzte Hoffnung für die Menschheit dar, weshalb die mysteriöse Wissenschaftlerin Dr. Caroline Caldwell (Glenn Close) Experimente an ihnen durchführt, um ein Gegenmittel zu generieren. Die als Häftlinge gehaltenen Kinder werden außerdem von der empathischen Lehrerin Helen Justineau (Gemma Arterton) unterrichtet, die besonders zu der Ausnahmeschülerin Melanie (Sennia Nanua) engeren Kontakt aufbaut. Diese gefährliche Beziehung wird besonders argwöhnisch vom militärischen Personal der Basis, angeführt von Sergeant Eddie Parks (Paddy Considine), betrachtet. Nach einem verheerenden Zwischenfall ist jedoch genau diese Gruppe gezwungen, in freier Wildbahn zu überleben…

 

Helen Justineau (Gemma Arterton)
Helen Justineau (Gemma Arterton) © SquareOne/Universum

Es gelingt Regisseur Colm McCarthy, der bislang vor allem als TV-Regisseur von „Die Tudors“, „Peaky Blinders“ oder „Sherlock“ aufgefallen ist, von Beginn an eine dichte Atmosphäre und vor allem starke Bilder zu kreieren, die Lust auf mehr machen. Die scheinbar unschuldigen Kinder, die in dunklen Einzelzellen gehalten und von schwer bewaffneten, sichtlich hasserfüllten Soldaten abgeführt und komplett bewegungsunfähig gemacht werden, ist ein verstörendes Bild, das nachwirkt. Nach und nach legen McCarthy und Autor Carey die Hintergründe für die Behandlung der Kinder und der weltweiten Situation frei. Das gelingt nicht immer sehr subtil, etwa wenn die Figuren deutlich spürbar in regelmäßigen Abständen ihre Dialoge mit kurzen erklärenden Expositionssätzen füllen müssen. So gesehen ist es auf jeden Fall empfehlenswert, den Film mit möglichst geringen Vorkenntnissen zu sehen, sodass der Überraschungsfaktor entsprechend hoch bleibt. Manche interessante erzählerische Variation bezüglich des Zombiefilms bietet „The Girl with All the Gifts“ allemal, auch wenn erprobte Zuschauer hier sicher nicht allzu viel Neues entdecken werden.

Der erste Akt des Films, der ausschließlich auf dem Militärstützpunkt stattfindet und keinen Blick auf die apokalyptische Außenwelt zulässt, ist in seiner klaustrophobisch-beklemmenden und düsteren Wirkung sehr gelungen. Zunehmend öffnet sich der Film dann und wächst von einem Kammerspiel auf eine weit größere Umgebung, die allerdings nicht minder bedrohlich und unwirtlich erscheint. Auch wenn „The Girl with All the Gifts“ nicht die enorm realistische Wirkung einer ausgestorbenen Welt von Danny Boyles Meilenstein „28 Days Later“ erreicht, gelingen McCarthy hier dennoch – gerade angesichts seines limitierten Budgets von knapp vier Millionen Pfund – sehr starke Bilder. Auch die immer wieder eintretenden Actionszenen inszeniert der Brite mit sicherer Hand, weniger schön sind allerdings die sehr auffällig künstlichen CGI-Bluteinlagen, die nur selten überzeugen. Auch die detailreichen Panoramen eines verlassenen und der Natur überlassenen Londons mit all seinen Überresten der Konsumwelt in Form von bekannten Markennamen sind kraftvoll, aber auch eine Spur künstlich. Effektiver ist der Film dann aber in den detaillierten und echt verwilderten Sets, durch die unsere Gruppe ziehen. Darüber hinaus ist das rasante, abrupte und sprunghaft-animalische Verhalten der Hungries meistens wirkungsvoll und gelegentlich verstörend geraten, auch wenn hier nicht unbedingt Originalitäts-Punkte gewonnen werden.

Sergeant Eddie Parks (Paddy Considine, li.) und Kieran Gallagher (Fisayo Akinade)
Sergeant Eddie Parks (Paddy Considine, li.) und Kieran Gallagher (Fisayo Akinade) © SquareOne/Universum

Was „The Girl with All the Gifts“ jedoch neben der gelungenen und atmosphärisch dichten Inszenierung ausmacht, sind letztlich vor allem seine überzeugend menschlich gezeichneten Figuren. Allen voran stiehlt hier Newcomerin Sennia Nanua den erfahreneren Akteuren oft die Show. Ihre Melanie ist eine faszinierende und sehr originelle Erscheinung, die mit ihrem glaubwürdigen Spiel in den Bann zieht. Ihr gelingt es zugleich sowohl kindlich unschuldig als auch intelligent und ihrem Alter weit voraus zu wirken, während die immer wieder eingebauten Momente purer, ungestümer Wildheit überraschen. Gemma Arterton gibt als ihre Mentorin und Vertrauensperson eine willkommen warmherzige Präsenz, auch wenn sie mit zunehmendem Voranschreiten der Handlung wenige Akzente setzen kann. Derweil glänzt jedoch die großartige Glenn Close als fokussierte Antagonistin, die keine Schwarz-Weiß-Zeichnung zulässt und eine Figur mit nachvollziehbar ambivalenter Motivation gestaltet – selbst wenn ihre Methoden furchterregend und eiskalt sind. Auch der gewohnt starke Paddy Considine überzeugt mit einer komplexen Darstellung, denn sein zu Beginn knallharter Soldat gewinnt zunehmend glaubwürdig an Menschlichkeit.

So ist bei „The Girl with All the Gifts“ stets ein spürbar pochendes menschliches Herz spürbar, während man auch längst nicht nur auf billige Thrills aus ist. McCarthys Inszenierung fällt genreungewöhnlich angenehm ebenso intelligent wie mitfühlend aus, dennoch ist der Film mit 111 Minuten eine Spur zu lang geraten. Echtes Momentum und Spannung wird nur bedingt aufgebaut, auch wirklich effektive Grusel- und Schockmomente sind rar gesät. Dennoch, in atmosphärischer Hinsicht überzeugt der Film, wofür auch Christobal Tapia de Veers originelle, verzerrte, dissonante, gelegentlich an Radioheads experimentelle Klänge erinnernde Filmmusik ihr übriges tut.

Bild:

Die Bildsprache von „The Girl with All the Gifts“ setzt insgesamt auf eine eher erdige Farbpalette und gelegentlich etwas weichere Kontraste. Entsprechend ist das Bild der Blu-ray umgesetzt, neben geringem Rauschen in manchen dunklen Momenten gibt es hieran aber nichts auszusetzen. Die Farben wirken soweit natürlich, überzeugend sind auch die Schärfe- und Detailwerte, die allerdings vordergründig bei Nahaufnahmen von Gesichtern oder Textilien bestechen. Ansonsten dominiert hier ein insgesamt recht softer Bildeindruck, der sich visuell eher an Analogfilm richtet.

Melanie (Sennia Nanua) wird von den Hungries bedroht
Melanie (Sennia Nanua) wird von den Hungries bedroht © SquareOne/Universum

Ton:

Als überaus stark erweist sich die wuchtige und dynamische Tonspur der Blu-ray. Immer wieder kommt es hier zu Momenten, wo ein durchaus bemerkenswerter und damit effektiver Dynamikumfang zum Vorschein kommt und die Filmerfahrung dadurch entsprechend mitreißend gestaltet. Hierzu tragen auch der oft intensive Tieftoneinsatz und die insgesamt sehr aktive Surround-Beschallung bei. Dialoge im Original sind klar abgemischt, könnten aber auch eine Spur lauter sein.

Extras:

Herzstück des Bonusmaterials ist ein gut 20-minütiges Making-of, das einen sehr guten Eindruck in die Produktion liefert. Dazu kommen ausführliche Interviews mit Cast & Crew, die man stückweise bereits in der Featurette zu sehen bekommt. Insgesamt eine informative Zusammenstellung.
Behind the Scenes (19:53 Min.)
Interviews mit Cast & Crew (Gemma Arterton (09:07 Min.), Glenn Close (05:36 Min.), Paddy Considine (08:15 Min.), Sennia Nanua (05:24 Min.), Fisayo Akinade (10:09 Min.), Colm McCarthy (19:34 Min.), Camille Gatin (11:28 Min.), Mike Carey (09:49 Min.))
Trailer 1 (01:49 Min.)
Trailer 2 (02:19 Min.)
Teaser (01:08 Min.)
Trailershow (Stolz und Vorurteil & Zombies, Valerian – Die Stadt der Tausend Planeten, Das 9. Leben des Louis Drax, Green Room, The Eloise Asylum, Knock Knock, The Loft)

Blu-ray Wertung
  • 7/10
    Film - 7.0/10
  • 8/10
    Bild - 8.0/10
  • 9/10
    Ton - 9.0/10
  • 5/10
    Extras - 5.0/10
7/10

Kurzfassung

„The Girl with All the Gifts“ ist dank origineller Ideen und menschlich gezeichneter Figuren einer der besten Zombiefilm-Vertreter der letzten Jahre.

Fazit:

Genrefans dürften mit der britischen post-apokalyptischen Zombie-Dystopie „The Girl with All the Gifts“ eine willkommene Überraschung erleben. Regisseur Colm McCarthy baut eine dichte Atmosphäre auf, kreiert einige starke, erinnerungswürdige Bilder und überzeugt mit menschlicher Figurenzeichnung. Manch origineller Einfall trägt hier zu einer überdurchschnittlichen Horror-Erfahrung bei, die dennoch nicht ohne Klischees bleibt.


von Florian Hoffmann

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