The Accountant – Blu-ray Kritik: Buchhalter und Tötungsmaschine

The Accountant - Ben Affleck und Anna Kendrick
The Accountant - Ben Affleck und Anna Kendrick © Warner Home Video

Die Kritik:

The Accountant - Blu-ray Cover
The Accountant – Blu-ray Cover © Warner Home Video

Mittlerweile sind sie eher zur Seltenheit als zur Regel geworden – Hollywood-Studiofilme mit einem mittleren Budget von etwa 30 bis 60 Millionen Dollar, die sich primär an Erwachsene richten. Umso seltener sind dann noch originelle Stoffe, die sich in einem Wust von Comicverfilmungen, Remakes und Fortsetzungen durchsetzen müssen. Einer dieser Filme ist „The Accountant“, eine interessante Mixtur aus Finanz-/Actionthriller, Familien- und Außenseiterdrama mit leichten Anflügen von schwarzem Humor. Regisseur Gavin O’Connor, der sich bislang mit den muskulösen Old School-Dramen „Miracle“, „Das Gesetz der Ehre“ und vor allem „Warrior“ einen Namen gemacht hat, inszeniert hier einen spannenden und interessanten Film, bei dem Ben Affleck einen Asperger-Autisten spielen darf, der neben seiner Buchhalter-Tätigkeit auch als Profikiller agiert. Hier treffen „Rain Man“ und „A Beautiful Mind“ quasi auf „John Wick“ und Jason Bourne.

Christian Wolff (Affleck) ist ein hochfunktioneller Asperger-Autist, der unter dem unauffälligen Deckmantel eines kleinen Steuerberater-Unternehmens für diverse weltweit agierende kriminelle Organisationen arbeitet. Christian ist ein Genie in seinem Arbeitsbereich, soziale Fähigkeiten sind jedoch seine Schwäche. Doch nicht nur im Umgang mit Zahlen ist Christian ein Genie, dank eines brutalen militärischen Trainings, das sein strenger Vater ihm und seinem Bruder schon in Jugendtagen aufzwang, ist der harmlos wirkende Buchhalter auch eine hochgefährliche Tötungsmaschine.

Kurz vor seinem Ruhestand hat es Ray King (J.K. Simmons), der Leiter der Steuerfahndungsabteilung des US-Finanzministeriums, auf Wolff abgesehen, dessen Identität er aber nicht kennt. Schon seit Jahren macht er Jagd auf die mysteriöse Persönlichkeit, die nur als „Accountant“ bekannt ist und unter anderem auch in Verdacht steht, zahlreiche Mitglieder der Gambino-Mafia ausgeschaltet zu haben. Um seinem Ziel endlich näher zu kommen, rekrutiert er die ehrgeizige Analytikerin Marybeth Merida (Cynthia Addai-Robinson), deren kriminelle Vergangenheit er bei verweigerter Kooperation zu entlarven droht.

The Accountant - Ben Affleck und Anna Kendrick
The Accountant – Ben Affleck und Anna Kendrick © Warner Home Video

Wolff arbeitet derweil für das aufstrebende Robotik-Unternehmen „Living Robotics“, da die firmeninterne Buchhalterin Dana Cummings (Anna Kendrick) Unstimmigkeiten in den Finanzbüchern entdeckt hat. Tatsächlich bestätigen sich ihre Annahmen, denn Wolff kann feststellen, dass wohl insgesamt 61 Millionen Dollar in den letzten Jahren veruntreut wurden. Mit dieser Entdeckung rufen er und Cummings jedoch Feinde auf den Plan, wodurch plötzlich ihr beider Leben bedroht wird…

Oberflächlich betrachtet ist „The Accountant“ mehrere Filme in einem, weshalb es schon fast erstaunt, dass es O’Connor gelungen ist, ein sowohl inhaltlich wie auch stilistisch schlüssiges Ganzes zu erschaffen. Zum einen funktioniert der Film als eine Art Charakterstudie dieser faszinierenden Figur, deren Entwicklung über Rückblenden schon ab früher Kindheit erzählt wird, zum anderen ist „The Accountant“ ein schnörkellos und hart inszenierter Actionthriller. Er springt zwischen unterschiedlichen Erzählperspektiven umher, zeigt neben Wolff auch ausführlich die mühsame Ermittlungsarbeit von King und Merida, aber auch den Auftragskiller Braxton (Jon Bernthal), dessen genaues Ziel sich erst im Verlauf des Films offenbart. Überhaupt entfalten sich sämtliche Hintergründe in diesem überraschend geduldig und langsam erzählten Film nach und nach, bis am Ende tatsächlich alles irgendwie Sinn ergibt. Vieles hiervon wirkt sicherlich auf dem Papier weit hergeholt, doch O’Connors Stilsicherheit und Ernsthaftigkeit lassen problemlos über Unglaubwürdigkeiten in Bill Dubuques („The Judge“) originellem Drehbuch hinwegsehen.

The Accountant - Christian Wolff (Ben Affleck) jongliert mit Zahlen
The Accountant – Christian Wolff (Ben Affleck) jongliert mit Zahlen © Warner Home Video

„The Accountant“ funktioniert aber auch, weil O’Connor seine Figuren ernst nimmt und ihnen Zeit zum Atmen gibt, Dinge nicht überstürzt. Trotz mehrerer immer mehr ineinandergreifender Handlungsstränge und zahlreicher Figuren wirkt der Film fokussiert und bei entsprechender Aufmerksamkeit seitens des Zuschauers auch nicht verwirrend. Der Plot von „The Accountant“ ist durchaus komplex, Schwächen in der Erzählung ergeben sich aber leider gegen Ende, wenn J.K. Simmons Figur in einem sehr langen Monolog zu diversen Rückblenden die Handlung und sämtliche bislang unbekannten Hintergründe erklärt. Ben Affleck überzeugt in seinem Part, gerade wohl deshalb, weil er durch seinen Zustand stoisch agiert. Dennoch versieht Affleck seine Darstellung mit subtilen Nuancen und Tics, die eine glaubhafte und erstaunlich sympathische Präsenz erschaffen. Mit der wie immer gut aufgelegten quirligen Anna Kendrick bildet er zudem eine schöne, harmonische, sich gegenseitig ergänzende Dynamik, die man gerne beobachtet. Zu den positiven Aspekten von „The Accountant“ gehört sicher auch (trotz gewisser Überhöhungen) seine überraschend realistische, sensible und ausgewogene Darstellung des Asperger-Syndroms.

O’Connor kreiert mit Kameramann Seamus McGarvey eine stimmungsvolle greifbare Realität, die in ihrer ungekünstelten Filmästhetik an ernsthaftes amerikanisches 70er Jahre-Autorenkino erinnert, wodurch der Film auch visuell grundiert wirkt. Die Actionszenen inszeniert er ebenso schnörkellos und mit klarem Blick wie den Rest des Films, die Schießereien und Kampfszenen sind brutal und ungeschönt. „The Accountant“ erweist sich so als gelungene, angenehme und originelle Abwechslung, die ein wenig an Filmemachen nicht allzu lange vergangener Zeiten erinnert.

Bild:

„The Accountant“ sieht auf Blu-ray sehr ansehnlich aus. Die Tatsache, dass man auf Analogfilm gedreht hat, gibt dem Film eine schöne Filmkorntextur und eine besondere Ästhetik, die sich bewusst von allgegenwärtigem digitalem Hochglanzkino abwendet. Die Schärfe- und Detaillevel sind hervorragend, ebenso auch Kontraste und Schwarzwerte. Die Farbpalette präsentiert sich weitestgehend natürlich und schnörkellos, je nach Filmabschnitt werden jedoch mal gesättigtere, mal kühlere Akzente gesetzt. Insgesamt eine sehr hübsche Präsentation auf hohem Niveau, die ohne wesentlichen Bildfehler auskommt.

The Accountant - Christian Wolff (Ben Affleck) auf der Jagd
The Accountant – Christian Wolff (Ben Affleck) auf der Jagd © Warner Home Video

Ton:

Über fast jeden Zweifel erhaben ist die akustische Umsetzung der Blu-ray. Hier präsentiert sich eine sehr aktive Tonspur, die durch hohen Dynamikumfang, ein starkes, sehr differenziertes Räumlichkeitsgefühl und einiger druckvoller Effekte begeistert. Letztere werden vor allem durch das hochkalibrige Gewehr des Protagonisten hervorgerufen, das immer wieder den Subwoofer, aber auch die Surroundlautsprecher kraftvoll bedient. Schüsse sorgen so nicht nur für furchterregende Tieftöne, man hat durch die umliegenden Boxen regelrecht das Gefühl, das die Kugeln durch den Raum zischen. Lediglich die Stimmen könnten im Original gelegentlich eine Spur lauter abgemischt sein, ansonsten lässt sich aber in Sachen Klarheit und Verständlichkeit nichts aussetzen.

Extras:

Das Bonusmaterial der Blu-ray ist übersichtlich, aber unterhaltsam und einsichtsreich. Drei Featurettes beschäftigen sich mit den Hintergründen der Produktionen und im Speziellen mit der Symptomatik des Asperger-Syndroms. Außerdem wird noch die Action-Inszenierung des Films interessant beleuchtet.
Wer ist der Accountant? (10:38 Min.)
Verhaltensforschung (08:04 Min.)
Der Accountant in Aktion (07:14 Min.)

Blu-ray Wertung
  • 7.5/10
    Film - 7.5/10
  • 8.5/10
    Bild - 8.5/10
  • 9/10
    Ton - 9.0/10
  • 5.5/10
    Extras - 5.5/10
8/10

Kurzfassung

Ein im positiven Sinne altmodisch inszenierter Actionthriller, der durch geduldige Erzählweise und einen sehr guten Ben Affleck zu überzeugen weiß.

Fazit:

„The Accountant“ erweist sich als angenehme Überraschung, ein primär an Erwachsene gerichteter Studiofilm, der eine zugegebenermaßen weit hergeholte, aber komplexe Geschichte spannend, geduldig und fokussiert erzählt. Die Mixtur aus knallhartem Actionthriller und überraschend aufrichtiger Außenseitergeschichte funktioniert ebenfalls erstaunlich gut.


von Florian Hoffmann

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