The 355: Action-Film, halt nur mit Frauen

The 355 - Die drei Agentinnen Marie Schmidt (Diane Kruger), Mason Brown (Jessica Chastain) und Khadijah Adiyeme (Lupita Nyong’o) haben sich im Kampf gegen einen gemeinsamen Feind verbündet.
The 355 - Die drei Agentinnen Marie Schmidt (Diane Kruger), Mason Brown (Jessica Chastain) und Khadijah Adiyeme (Lupita Nyong’o) haben sich im Kampf gegen einen gemeinsamen Feind verbündet. © LEONINE

Die Kritik:

Dass die ganz großen Action-Knüller in der Film-Geschichte so gut wie immer den Männern vorbehalten waren, ist sicherlich kein Geheimnis. Dass die Filmlandschaft immer häufiger versucht, starke Frauenrollen zu etablieren und auch vor dem Action-Segment keinen Halt macht, ist ebenso sehr publik und so scheint dieser Film die logische Konsequenz der Entwicklung der letzten Jahre zu sein. Die frisch gebackene Oscar-Preisträgerin Jessica Chastain entschied sich also kurzerhand einen Agenten-Film zu produzieren, bei dem sie als Frau nicht nur die Hauptrolle spielt, sondern auch von einigen anderen großen Namen der weiblichen Schauspieler-Riege begleitet wird. Die Trailer machten zunächst Lust auf mehr, ob der Streifen von Simon Kinberg in der Regie dann aber tatsächlich mit den ganz großen Action-Hits mithalten kann, ist eine andere Frage.

The 355 - Blu-ray
The 355 – Blu-ray © LEONINE

Wie so oft bei Action-Filmen wird auch dieser Film durch einen sehr generischen Plot ausgezeichnet. Viel dazu zu sagen, gibt es dann auch wirklich nicht, denn wenn zum gefühlt millionsten Mal ein böser Superschurke die Weltherrschaft übernehmen will und eine Agentin, in diesem Fall mehrere, sich dann von Ort zu Ort ballern und versuchen das Ganze zu stoppen, dann habe ich das Gefühl: Das habe ich schon gesehen. Das habe ich sogar schon viel besser gesehen! The 355 stellt eine Festplatte in den Mittelpunkt, mit der man das ganze Internet hacken und steuern kann, quasi mit einem Knopfdruck, und scheut dabei vor keinem Klischee zurück. Wenig verwunderlich sind dann auch die teils inhaltslosen Dialoge, die wirklich dämlichen Entscheidungen an manchen Stellen oder die völlig blassen Nebencharaktere. Viel Innovation oder gar Realität steckt hier dann wahrlich nicht drin, das ist gerade deshalb bedauernswert, weil Jessica Chastain eben diesen Realismus im Vorfeld als großes Argument für den Film nannte. Was Jessica Chastain im Gegenzug aber gut gemacht hat, ist das Casting für ihre Mitstreiterin und genau um diesen Cast geht es nun als Nächstes.

Der Cast ist wahrscheinlich der größte Lichtblick in The 355, das ist aber auch wenig verwunderlich bei den Namen, die hier auf der Liste stehen. Neben der großartigen Chastain selbst, befinden sich unter den Namen auch Lupita Nyong’o und Diane Kruger. Auch eine Penelope Cruz und eine Fan Bingbing machen ihren Job mehr als solide und das, obwohl sie, im Gegensatz zu ihren Kolleginnen, ja nicht unbedingt als die aller talentiertesten Schauspielerinnen gelten. Was mir an diesem Cast ein wenig die Suppe versalzt, ist das erneute Kalkül in der Diversität. Ja, die ist in gewisser Weise nur unterstellt, aber wenn wir einen Agenten-Film vor uns haben, der nicht nur ein reines Frauen-Ding sein soll, sondern auch eine Amerikanerin, eine Südamerikanerin, eine Afroamerikanerin, eine Deutsche und eine Asiatin nebeneinanderstellt, dann kann mir niemand erzählen, das sei Zufall oder „hätte sich halt so ergeben“. Grundsätzlich ist Diversität in allen Belangen selbstverständlich rein positiver Natur, wenn man aber hier bereits im Trailer schon versucht die unterschiedlichen Kulturen klarzumachen und dann auch noch als Titelbild ganz plakativ die Flaggen der jeweiligen Herkünfte hinter den Darstellerinnen platziert, dann ist das nicht freiheitlich oder divers, es ist berechnend und hat einen ganz faden Beigeschmack.

The 355 - Die deutsche Agentin Marie Schmidt (Diane Kruger) auf der Flucht vor CIA-Agentin Mason Brown.
The 355 – Die deutsche Agentin Marie Schmidt (Diane Kruger) auf der Flucht vor CIA-Agentin Mason Brown. © LEONINE

Schauen wir uns den Punkt an, um den es bei The 355 eigentlich geht, die Action. Hier kann man mit völliger Gewissheit sagen: Man bekommt was man erwartet! Ob das unbedingt gut ist, ist jedem selbst überlassen denn was wirklich neues, hat die Action sicher nicht. Die Action-Szenen sind zwar genau das, was man schon zuvor in etlichen Filmen gesehen hat, wer sich aber einfach nur auf die Couch legen und unterhalten werden will, für den ist das genau das richtige. Die Action ist meist handgemacht und verzichtet auf CGI. Auch davon abgesehen merkt man den Szenen an, dass den Akteuren viel Improvisations-Spielraum gelassen wurde und es einige Stellen gibt, die dadurch tatsächlich realistisch daherkommen. Sie ist außerdem nicht so zerschnitten wie man es von anderen Filmen kennt und auch die Physis der Schauspielerinnen stimmt. So ist die Action insgesamt also solide und kann auch durchaus Spaß machen, wenig überraschend wäre aber, wenn dem ein oder anderem ein wenig langweilig wird, man hat das alles ja dann doch irgendwie schonmal gesehen.

Nyong’o) und Marie Schmidt (Diane Kruger) ermitteln undercover auf einer Auktion.
The 355 – Die vier Agentinnen Graciela Rivera (Penélope Cruz), Mason Brown (Jessica Chastain), Khadijah Adiyeme (Lupita Nyong’o) und Marie Schmidt (Diane Kruger) ermitteln undercover auf einer Auktion. © LEONINE

Bild:

Das Bild ist insgesamt solide, hat an manchen Stellen aber ein paar Einstellungen, die auf der Blu-Ray nicht richtig erkennen lassen, was gerade passiert. Im Gegenzug gibt es aber auch ein paar richtig schöne Aufnahmen, nicht zuletzt der Tatsache geschuldet, dass man hier wirklich einige Schauplätze abklappert.

Ton:

Der Ton macht ebenfalls nichts verkehrt. Die Musik fällt weder positiv noch negativ ins Gewicht, Action-Sounds wie Schüsse, Crashes oder Explosionen haben meist einen wuchtigen Bass und funktionieren auch im Heimkino sehr gut.

Extras:

Die Extras machen wirklich was her. Zwischen Featurettes, gelöschten Szenen, Interviews oder gar Videos, in denen die Produktion der Effekte erklärt werden, ist für jeden etwas dabei. Sehr interessant und unabhängig davon, wie einem der Film gefallen hat ein Blick wert!

Blu-ray Wertung
  • 4/10
    Film - 4/10
  • 7/10
    Bild - 7/10
  • 7/10
    Ton - 7/10
  • 9/10
    Extras - 9/10
5/10

Kurzfassung

Keine Film-Revolution, das ist einfach jeder andere Action-Film, nur mit Frauen.

Fazit:

Ich glaube The 355 hat mich insgesamt ein Stück mehr enttäuscht, als es bei der breiten Masse der Fall war. Klar, an den Kinokassen war der Streifen weit weg von erfolgreich, jedoch kam der Film für meinen Geschmack dann vor allem bei den Kritikern doch ein kleines wenig zu gut weg. Diese Perspektive liegt wahrscheinlich nicht zuletzt daran, dass ich ein großer Feind davon bin, krampfhaft Diversität in Filme einzupressen, denn das schadet meiner Meinung nach der eigentlichen Bewegung enorm. Auch finde ich es mehr als enttäuschend, wie allen voran Jessica Chastain mit großen Aussagen um sich warf, dass Frauen jetzt das Ruder übernehmen würden und The 355 ein Zeichen setzen wird was das Action-Kino betrifft. Der generischste Bösewicht, den man sich vorstellen kann, jagt einer Festplatte hinterher, mit der er die ganze Welt zerstören kann und es gilt ihn dann mit ganz viel Waffengewalt aufzuhalten – das ist keine Film-Revolution, das ist einfach jeder andere Action-Film, nur mit Frauen. Man hätte sich im Nachgang die großen Reden besser sparen sollen und die passable Action für sich sprechen lassen sollen, schlecht ist der Film im Endeffekt dann auch nicht. Wirklich gut ist aber leider auch was anderes.


von Esteban Belon

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