Quo Vadis, Aida? – Aufsehenerregendes und intensives Zeitdokument

Szene aus Quo Vadis, Aida?
Szene aus Quo Vadis, Aida? © Farbfilm

Die Kritik:

Der Bosnienkrieg, der zwischen 1992 und 1995 in Bosnien und Herzegowina ausgetragen wurde, forderte über Hunderttausend Opfer und war der blutigste Konflikt auf europäischem Boden seit dem Zweiten Weltkrieg. Teil dieses Konflikts beinhaltete auch ethnische Säuberungen, die an muslimischen Bosniaken durch die paramilitärischen Streitkräfte der Republika Srpska durchgeführt wurden. So wurde nicht nur eine Bevölkerungsgruppe vertrieben oder deportiert, sondern auch in Massen ermordet. Höhepunkt dieses Verbrechens an der Menschheit war das Massaker von Srebrenica, das die Welt erschütterte und zu zahlreichen teilweise jahrzehntelangen Prozessen gegen die Täter und Befehlshaber führte.

Quo Vadis, Aida? - Blu-ray
Quo Vadis, Aida? – Blu-ray © Farbfilm

Dieser historische Moment wird in meisterhaft nüchtern-banalem und messerscharfem Blick von Regisseurin Jasmila Žbanić in ihrem Oscar-nominierten Preisträger des europäischen Filmpreises „Quo Vadis, Aida?“ festgehalten. Žbanić verliert nicht viel Zeit, um einen größeren historischen Kontext zu liefern und wirft den Zuschauer unvermittelt in das Chaos, das im Juli 1995 in der im Osten Bosnien und Herzegowinas gelegenen Stadt vorgeherrscht hat. Im Zentrum des Films steht die ortsansässige UN-Übersetzerin Aida (Jasna Đuričić), die zwischen den UN-Blauhelmsoldaten und der geflüchteten bosniakischen Bevölkerung in der UN-Schutzzone vermittelt.

Die Bedingungen vor Ort sind grauenhaft, tausende Menschen befinden sich in dem abgesicherten Komplex, während grenzenlose Menschenmassen sich ungeduldig vor den Toren des sogenannten Dutchbat anstauen. Lebensmittel und Wasser sind Mangelware, nicht mal Toiletten gibt es für die verängstigten Menschen. So versucht die ehemalige Lehrerin Aida hier irgendwie zu helfen, während sie zugleich ihren Einfluss als UN-Mitarbeiterin nutzen will, um ihren Ehemann und beiden Söhne in den überfüllten Komplex zu bekommen. Währenddessen rücken die Truppen unter Führung des serbischen Generals Ratko Mladic (Boris Isakovic) immer näher. Dass sich bei den größtenteils niederländischen UN-Soldaten unter der Führung von Befehlshaber Thom Karremans (Johan Heldenbergh) angesichts der ausweglos erscheinenden Lage Überforderung und Machtlosigkeit breit macht, entgeht Aida nicht…

Szene aus Quo Vadis, Aida?
Szene aus Quo Vadis, Aida? © Farbfilm

Schon direkt zu Beginn wird deutlich, wie greifbar Jasmila Žbanić die Banalität des Schreckens gestaltet. Fast schon beiläufig wirken da die Bilder einer erschossenen Frau, die ein serbischer Soldat in Srebrenica übersteigt, während im Ofen nebenan noch ein frisch gebackenes Brot vor sich hin dampft. In Gesprächen mit Bevölkerungsvertretern versichert Karremans zwar, dass es ein Ultimatum gibt und bei Nichtanhaltung dessen es zur großen Luftunterstützung kommt, jedoch wird immer deutlich, dass der UN-Offizier selbst wohl nicht an einen positiven Ausgang der Lage glaubt. Auch bei späteren scheinbar wohlgesonnenen Verhandlungen mit Mladic macht Karremans letzten Endes nur brav Männchen und glaubt den Versprechungen des skrupellosen, aber charismatischen Kriegstreibers.

So inszeniert Žbanić dieses Szenario mit dem treibenden Momentum und der Spannung eines Thrillers, während sie die Situation mit dokumentarischer und bestechender Klarheit schildert. Die Angst der drohenden Katastrophe liegt hier latent vor, während die Beklemmung dieses unwirtlichen Ortes gepaart mit der scheinbaren Inkompetenz der schutzbeauftragten UN-Truppen für eine unheilvolle Mischung sorgt. Dass all diese Dinge mit scheinbarer Gewöhnlichkeit ablaufen und ganz beiläufig ein hoffnungslos nutzloser bürokratischer Apparat beleuchtet wird, macht den Film ungemein effektiv und aussagestark. Trotz eines meisterhaft analytisch klaren Blicks gelingt Žbanić zugleich ein bemerkenswert menschlicher Film, der das vielfältige Spektrum menschlichen Verhaltens enorm pointiert in 101 Minuten einfängt. Der Film ist dann natürlich aber auch eine bittere Anklage an die Passivität der globalen Gemeinschaft, wobei insbesondere die UN-Führung, die sich, wie einem Telefonat zu entnehmen ist, zum Höhepunkt des Konflikts im Urlaub befand, im Mittelpunkt der Kritik steht. Auch wenn die ohnmächtigen niederländischen UN-Truppen ebenfalls nicht gut wegkommen, wurden sie trotz aller Fehler letzten Endes auch von höheren Mächten alleine gelassen.

Szene aus Quo Vadis, Aida?
Jasna Djuricic in Quo Vadis, Aida? © Farbfilm

Den klaren menschlichen Blick erhält Žbanić auch dank ihrer hervorragenden Hauptdarstellerin Jasna Đuričić, die dieser weitreichenden menschlichen Tragödie ein starkes Gesicht gibt und den Zuschauer wirkungsvoll und fokussiert durch dieses immer aussichtslosere Szenario führt. Ihre konsequente Beharrlichkeit und ihr allen Widrigkeiten trotzender Erfindungsreichtum ist der treibende Motor, der vom Anfang bis zu dem komplett ernüchternden Ende dieses wichtigen Films führt.

Bild:

„Quo Vadis, Aida?“ ist in dokumentarischen und natürlichen Bildern eingefangen, die adäquat auf Blu-ray umgesetzt wurden. Der digital auf Sony CineAlta aufgezeichnete Film präsentiert sich hier bildtechnisch ohne wesentliche Schwächen. Das Bild ist darüber hinaus klar, detailfreudig und scharf, zeigt einwandfreie Kontraste und gute Schwarzwerte.

Ton:

Akustisch geht es durchaus häufig räumlich zu. Insbesondere bei den Szenen, in denen man sich innerhalb von Menschenmassen befindet, überzeugen mit wirkungsvoll auf den Surroundsprechern platzierten Umgebungsgeräuschen. Dialoge und Stimmen sind in einwandfreier Klarheit und Verständlichkeit abgemischt.

Extras:

Der Film wird durch ein interessantes halbstündiges Filmgespräch mit Regisseurin Jasmila Žbanić vertieft.

Blu-ray Wertung
  • 8.8/10
    Film - 8.8/10
  • 8/10
    Bild - 8/10
  • 8/10
    Ton - 8/10
  • 4/10
    Extras - 4/10
7.5/10

Kurzfassung

Aufsehenerregendes und intensives Zeitdokument

Fazit:

Mit „Quo Vadis, Aida?“ gelingt Regisseurin Jasmila Žbanić ein aufsehenerregendes und intensives Zeitdokument, das sowohl die Banalität des Bösen als auch menschliche Inkompetenz mit bemerkenswerter Klarheit und Intelligenz einfängt. Zugleich funktioniert dieser hervorragende Film mit der fesselnden Spannung eines Thrillers, ohne jemals in Klischees oder falsche emotionale Manipulation abzudriften.


von Florian Hoffmann

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