Pelikanblut – Blu-ray Kritik: Mischung aus „Hereditary“ und „Systemsprenger“

Wiebke (Nina Hoss) und Raya (Katerina Lipovska)
Pelikanblut: Wiebke (Nina Hoss) und Raya (Katerina Lipovska) © DCM

Die Kritik:

Pelikanblut - Blu-ray
Pelikanblut – Blu-ray © DCM

Immer wieder hört man, dass das deutsche Genrekino tot wäre. Dennoch schaffen es einige kleinere deutsche Produktionen, eine Masse an Filmliebhabern anzusprechen. Ein Beispiel dafür wäre die Indie-Perle „Der Nachtmahr“, welcher im deutschen Arthouse schnell einen hohen Status erlangen konnte. Mit „Pelikanblut“ erscheint nun eine deutsch-bulgarische Koproduktion auf Blu-ray, die Horror- und Drama-Elemente miteinander verbinden möchte und in ihrer Machart an eine Mischung aus „Hereditary“ und „Systemsprenger“ erinnert. Das Endergebnis kommt zwar nicht an beide Filme heran, ist aber nichtsdestotrotz wirklich sehenswert.

Die Handlung folgt der Protagonistin Wiebke (Nina Hoss). Diese betreibt einen Pferdehof, wo sie Pferde für die Polizei ausbildet. Einen Mann konnte sie noch nicht finden, dafür hat sie ein kleines Mädchen adoptiert – Nicolina (Adelia-Constance Giovanni Ocleppo). Eines Tages beschließt sie jedoch ein weiteres Kind zu adoptieren, ihre Wahl fällt dabei auf die 5-jährige Raya (Katerina Lipovska). Wiebke bemerkt aber schnell, mit Raya kann irgendetwas nicht stimmen. Dem will sie auf die Schliche kommen.

Der zweite Spielfilm von Regisseurin Katrin Gebbe („Tore tanzt“) hat zu Beginn eine sehr ruhige Atmosphäre. Es gibt wenige Schnitte und der Drama-Aspekt steht im Vordergrund. Dabei wird das Thema Adoption von Kindern mit Traumata wirklich authentisch in die Geschichte eingearbeitet, wodurch „Pelikanblut“ extrem realistisch wirkt. Der Film zeigt, wie sich Kinder in ihrer neuen Familie einleben und wo dies auf Probleme beziehungsweise Grenzen stoßen kann. Der Horror tritt in diesen Momenten kaum bis gar nicht auf. Erst im letzten Drittel findet man diesen in leichten Ansätzen, ein richtiges Horror-Gefühl kommt dennoch nicht auf. Wer also wirklich einen gruseligen Film sehen möchte, der könnte von „Pelikanblut“ enttäuscht werden. Es sind tatsächlich diese realen Drama-Aspekte, die das Werk Gebbes so intensiv gestalten.

Raya (Katerina Lipovska) rebeliert gegen Wiebke (Nina Hoss)
Pelikanblut: Raya (Katerina Lipovska) rebeliert gegen Wiebke (Nina Hoss) © DCM

Dazu gehört ebenfalls das Schauspiel. Nina Hoss („Phoenix“) als Mutter spielt sich wahrlich die Seele aus dem Leib, sodass man ihr das Leiden im Laufe des Filmes richtig ansieht. Das ältere Adoptivkind, gespielt von Adelia-Constance Giovanni Ocleppo, baut viel Mitleid auf, da sie durch die Belastung ihrer neuen Schwester immer weniger Aufmerksamkeit bekommt. Apropos neue Schwester, die Darstellung von Raya durch Katerina Lipovska ist diabolisch, erschreckend und vor allem beeindruckend, insbesondere für das zarte Alter der Schauspielerin. Im Endeffekt ist der Horror-Aspekt, Kind terrorisiert eine Familie, ein bekanntes Motiv, dieses ist aber phantastisch in „Pelikanblut“ hineingearbeitet, wodurch dieses Klischee gar nicht sonderlich stört. Viel schlimmer ist das letzte Drittel des Filmes.

In den vorherigen 90 Minuten gibt es nicht viel zu beanstanden, hin und wieder ist die Geschichte zu Ausufernd und langatmig erzählt, doch größtenteils sind die ersten beiden Drittel ein spannendes und tief emotionales Drama. Was daraufhin in den letzten 30 Minuten aber passiert, dekonstruiert nahezu den gesamten Film. Nicht nur wird eine fragwürdige Aussage verbreitet, der vorherige, genial ausgearbeitete psychologische Aspekt von „Pelikanblut“ wird komplett ausgelassen und stattdessen findet Übermenschliches im Film Platz, was vorher nie richtig erwähnt wird. Während bei „Hereditary“ in praktisch jeder Szene auf dieses übernatürliche Ende hingearbeitet wird, meint „Pelikanblut“, dass es in Ordnung wäre, ein bisschen Symbolik und Schattenspiele an den Wänden zu zeigen. Es ist wirklich schade, wie inkonsequent das Ende ist, denn ansonsten hätten wir vielleicht den besten deutschen Film seit Jahren gesehen. So müssen wir uns mit 90 spannenden Minuten zufrieden geben, die leider mit dem letzten Drittel an Ausdruckskraft verlieren, da das Drehbuch nicht genau weiß, was es letztendlich erzählen möchte.

Wiebke (Nina Hoss) mit Adoptievtoechter Nikolina (Adelia Ocleppo)
Pelikanblut: Wiebke (Nina Hoss) mit Adoptievtoechter Nikolina (Adelia Ocleppo) © DCM

Bild:

Das Bild der Blu-ray ist ziemlich gut. Gerade die Shots bei Sonnenuntergang sind wunderschön, das Schnee-Ambiente in der zweiten Hälfte hat ebenfalls etwas Hypnotisches an sich. Insgesamt ist der gesamte Reiterhof richtig ausführlich und schön gefilmt, wodurch der Zuschauer den Ort kennenlernt. Der Filmkorn ist nur leicht zu entdecken und wirkt ziemlich ästhetisch.

Ton:

Auch tontechnisch treten keine Beschwerden auf. Der Soundtrack ist sehr minimalistisch und schleicht im Hintergrund.

Extras:

Es ist sehr schade, dass das einzige Extra der deutsche Trailer ist.

Blu-ray Wertung
  • 7/10
    Film - 7/10
  • 8.5/10
    Bild - 8.5/10
  • 8.5/10
    Ton - 8.5/10
  • 1/10
    Extras - 1/10
7/10

Kurzfassung

Eine hochinteressante Mischung aus „Hereditary“ und „Systemsprenger“.

Fazit:

„Pelikanblut“ hätte der beste deutsche Genrefilm seit langem sein können, jedoch verbaut er sich dies mit seinem grausamen Ende. Insgesamt fehlt ein bisschen der Fokus und die letztendliche Entscheidung, ob die Horror-Elemente mystisch oder realistisch gehalten werden sollen, fehlt auch. Trotzdem ist „Pelikanblut“ willkommene Abwechslung und überzeugt gerade in seinen ersten 90 Minuten.


von Lukas Weinandy

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