Mein Leben als Zucchini – Blu-ray Kritik

Mein Leben als Zucchini - Zucchini
Mein Leben als Zucchini - Zucchini © polyband Medien GmbH

Die Kritik:

Mein Leben als Zucchini - Blu-ray Cover
Mein Leben als Zucchini – Blu-ray Cover © polyband Medien GmbH

Schon in den ersten Momenten von Mein Leben als Zucchini wird deutlich, dass hier nicht der typisch harmlose Kinderfilm zu sehen ist, den der süß-verschrobene Titel und die Covergestaltung vermuten lässt: Ein kleiner Junge sammelt in seiner Wohnung Bierdosen, während seine tyrannische Mutter ein Stockwerk tiefer apathisch fernsieht und unverständlich vor sich hin murmelt. Spätestens bei dem ersten Wutanfall der alleinerziehenden Mutter wird hier unmissverständlich klar, dass dieser neunjährige Junge, der Zucchini genannt wird, ein einsames und trauriges Leben führt. Kurze Zeit später findet sich Zucchini in einem Waisenhaus wieder, zu dem ihn der fürsorgliche Polizist Raymond bringt. Doch auch dort wird Zucchinis (der eigentlich Icare heißt) Leben nicht leichter, denn hier wird der introvertierte Junge erst mal von den anderen Kindern standesgemäß gemobbt.

Schnell stellt sich heraus, dass es sich hierbei auch nur um einen Schutzmechanismus seitens der Kinder handelt, denn auch ihr Hintergrund ist leider von Traumata gesäumt: Die einen Eltern leiden an Drogensucht, die anderen haben ihre Tochter scheinbar missbraucht oder sie wurden als Flüchtlinge zurück in ihr Heimatland abgeschoben. Keine Frage, diese Beschreibungen lassen ein deprimierendes und knüppelhartes Sozialdrama vermuten und ohne den Filter eines liebevoll produzierten süßen Animationsfilms würde man wohl auch genau diese Art Film vorfinden. Doch dankbarerweise gelingt diesem bezaubernden Stop Motion-Animationsfilm das Kunststück trotz des allgegenwärtigen Horrors im Leben dieser scheinbar hoffnungslosen, als Außenseiter gebrandmarkten Kinder Leichtigkeit und Unbeschwertheit zu finden.

Mein Leben als Zucchini - Zucchini schaut aus dem Fenster
Mein Leben als Zucchini – Zucchini schaut aus dem Fenster © polyband Medien GmbH

Denn das Mobbing seitens Zucchinis Heim-Kameraden währt nur kurz und schnell wird der anfangs verschlossene Junge integriert, wodurch er sich auch zunehmend öffnet. Als dann Camille, ein weiteres Mädchen mit schwierigem familiärem Hintergrund, im Waisenhaus eintrifft, kommt auch etwas erste Verliebtheit bei Zucchini auf. Es entwickelt sich eine süße Freundschaft zwischen den beiden Kindern, doch Camilles heimtückische Tante stört diese neu gewonnene Harmonie durch ihren unbedingten und einseitigen Willen, das Sorgerecht für ihre Nichte zu erhalten.

„Mein Leben als Zucchini“ wurde dieses Jahr für den Oscar als bester Animationsfilm nominiert, womit er mit dem außergewöhnlichen Zeichentrickfilm „Die rotes Schildkröte“ zu den reiferen Genrevertretern gehörte, die man nicht zu den üblichen Verdächtigen der großen Studios zählen würde. Dem französisch-schweizerische Film von Regisseur Claude Barras gelingt hier der bemerkenswerte Balanceakt zwischen kindgerechter Unterhaltung und tiefgründiger emotionaler Thematik – ohne jedoch je prätentiös zu wirken. Nie wirkt der Film zu schwerfällig oder gar deprimierend, tatsächlich schafft es Barras diese schwierige und überaus wahrhaftige und düstere Thematik mit Leichtigkeit und Unbeschwertheit zu verpacken. Verharmlost wird hier also nichts, im Gegenteil, man spürt die Ernsthaftigkeit der Situation jederzeit, erkennt aber auch, dass Hoffnung und Humor und nicht Stagnation der beste Weg ist, um gegen die Widerstände anzukommen. Hier beweist der Film ein scheinbar spielerisches Gespür für elegante Inszenierung, was erst bei genauerer Betrachtung dieses mit gerade mal knapp über einstündiger Laufzeit sehr ökonomisch erzählten Films klar wird.

Mein Leben als Zucchini rasante Schlittenfahrt
Mein Leben als Zucchini rasante Schlittenfahrt © polyband Medien GmbH

Die auch für Stop Motion-Verhältnisse eher krude Gestaltung der Figuren und ihrer Umgebung hat ihren ganz eigenen, ganz besonderen Charme, der sicher nicht unerwähnt bleiben sollte. Als ausgleichende Kraft gegen die düstere Thematik dominieren hier bunte Farben und ein helles, strahlendes Bild, das das Auge mit spürbarer Liebe zum Detail erfreut. Das Design des Films erweist sich als sehr originell und unkonventionell, was vor allem in der zunächst etwas irritierenden Figurengestaltung zeigt, die einem aber mehr und mehr ans Herz wächst. Genauso verhält es sich auch mit dem Film selbst, dem es gelingt mit ganz viel Persönlichkeit in ungewöhnlich kurzer Zeit ganz viel auf wahrhaftige Art und Weise zu transportieren, was manche Serie nicht mal über mehrere Staffeln schafft.

Bild:

Wie auch bei vielen anderen Animationsfilm-Vertretern präsentiert sich die Bildqualität bei der Blu-ray von „Mein Leben als Zucchini“ in hervorragendem Zustand. Hier fallen schon in den ersten Sekunden die enorm hohen Schärfewerte und der überdurchschnittlich große Detailumfang auf, die für ein überaus knackiges und kristallklares Bild sorgen. So fällt es nicht schwer, sich in den zahlreichen Details dieser liebevoll gestalteten Stop Motion-Welt zu verlieren, wenn Texturen der Figuren, Gegenstände oder Requisiten so lupenrein dargestellt werden. Auch überaus reichhaltig zeigt sich die intensive Farbplatte des Films, die für ein sehr angenehmes und strahlendes Seherlebnis sorgt. Kontraste und Schwarzwerte sind ebenfalls auf sehr hohem Niveau. Nur minimale, kaum spürbare Kompressionsprobleme an wenigen Stellen verhindern hier die Höchstwertung.

Ton:

Mein Leben als Zucchini - Zucchini und seine Freunde
Mein Leben als Zucchini –
Zucchini und seine Freunde © polyband Medien GmbH

Auch in akustischer Hinsicht präsentiert sich die Blu-ray auf hohem Niveau. Hier wird ein passenderweise dezentes Klangbild erzeugt, das seinen Fokus auf Klarheit und Verständlichkeit der mittig priorisierten Dialoge legt. Dennoch finden sich über die gesamte Laufzeit subtile Umgebungsgeräusche auf den Surround-Lautsprechern. Dynamik kommt nur selten auf, wenn das geschieht, zeigt sich hier aber auch ein durchaus lebhafter Sound, bei dem gegen Ende auch mal der Subwoofer dezent zum Einsatz kommt.

Extras:

So liebevoll wie der Film gemacht ist, zeigt sich auch die Zusammenstellung und Produktion der Sonderausstattung der Blu-ray. Hier zählt das Motto „Klasse statt Masse“: In diversen hübsch gemachten Mini-Featurettes wird ein facettentreicher und kurzweiliger Blick hinter die Kulissen geworfen, dem es nur ein bisschen an Tiefe fehlt. Ein Audiokommentar von Regisseur Claude Barras wäre hier noch wünschenswert gewesen, aber auch so befriedigt das Bonusmaterial die Neugier.

Kinotrailer Deutschland (01:19 Min.)
Kinotrailer Frankreich (01:50 Min.)
Kinospot (00:23 Min.)
Zucchini beim Casting (01:30 Min.)
Making-Of (10:09 Min.)
Entstehung einer Szene (02:28 Min.)
Animation (02:32 Min.)
Entstehung der Figuren (02:37 Min.)
Die Sprachaufnahmen (02:20 Min.)
Interview mit Peter Lord (03:02 Min.)
Weitere Highlights (Zeo, Doozers, Ein Hund rettet den Sommer, Käpt’n Säbelzahn)

Blu-ray Wertung
  • 8/10
    Film - 8.0/10
  • 9.5/10
    Bild - 9.5/10
  • 8.5/10
    Ton - 8.5/10
  • 6/10
    Extras - 6.0/10
8/10

Kurzfassung

„Mein Leben als Zucchini“ ist ein kleines Animationsfilmjuwel, das große, komplexe Themen kindgerecht in einem wunderbar originellen und wahrhaftigen Film verpackt.

Fazit:

Der dieses Jahr für einen Animationsfilm-Oscar nominierte Stop Motion-Film begeistert mit seiner erzählerischen und inszenatorischen Eleganz. Es gelingt den Machern nicht nur ein sehr originell gestalteter, sondern auch emotional tiefgründiger Film, der seine Augen nicht vor düsteren Themen verschließt, aber zugleich immer Hoffnung im Blick hat. Ein schöner und sehr empfehlenswerter Film.


von Florian Hoffmann

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