Jackie – Blu-ray Kritik: Biopic mit Natalie Portman

Natalie Portman als Jackie
Natalie Portman als Jackie © Tobis Film

Die Kritik:

Jackie Bluray Cover
Jackie Bluray Cover © Tobis Film

Es gibt wohl nur wenige historische Ereignisse, die die Welt im letzten Jahrhundert so erschüttert haben wie die Ermordung des damaligen US-Präsidenten und Hoffnungsträgers einer ganzen Nation John F. Kennedy. Viele Legenden und Verschwörungen ranken sich immer noch um das Attentat des 22. November 1963, zahlreiche Filme und Dokumentationen beschäftigten sich mit dem schicksalhaften Tag in Dallas, Texas. Doch auch wenn seine Frau Jacqueline Kennedy zu den ganz großen Stilikonen der Sechziger Jahre gehörte, haben sich bislang kaum Filme getraut unter ihre mysteriöse Oberfläche zu schauen. Mit „Jackie“ ändert sich das nun auf eindrucksvolle Weise: Der talentierte chilenische Filmemacher Pablo Larraín („No“, „El Club“, „Neruda“) und Drehbuchautor Noah Oppenheim nähern sich der First Lady auf aufregend unkonventionelle Weise und sind ganz offensichtlich nicht am typischen Biopic-Weg interessiert. Viel mehr ist ihr Film ein sperriger und betont unbequemer Versuch, eine Frau im Krisenzustand tiefer Trauer zu portraitieren. Getragen wird der Film von einer herausragenden Natalie Portman, die für ihre zwischen herzzerreißender Trauer und gefasster Außendarstellung wandelnde Performance für einen Oscar als beste Hauptdarstellerin nominiert wurde.

Wer bei „Jackie“ ein gewöhnliches Biopic nach Schema F erwartet, das einen ausführlichen Blick in die vollgepackte Lebensgeschichte von Jacqueline Lee Kennedy mit allen Höhen und Tiefen wirft, wird sicherlich enttäuscht werden. Oppenheim und Larraín setzen einen engen Fokus auf die Tage unmittelbar nach dem Attentat auf ihren Ehemann und zeigen eine Frau, die versucht ihre Trauer mit aller Macht und eiserner Kraft zu bewältigen. Als Rahmenhandlung setzen die Filmemacher ein einsichtsreiches Gespräch zwischen einem lose auf Life-Journalist Theodor White basierenden Reporter (Billy Crudup) und Jackie Kennedy, das einige Tage nach der Ermordung des Präsidenten geführt wird. Dieses Interview bietet die Basis für die nicht-chronologische Erzählung des Films, die sich primär auf den 22. November und die folgenden Tage beschränkt, aber auch nachgebildete Archivaufnahmen von Jackies damals live ausgestrahlter Führung durch das Weiße Haus für den CBS-Reporter Charles Collingwood zeigt.

Jackie im Weißen Haus
Jackie im Weißen Haus © Tobis Film

Der fast schon gespenstisch-elegische Ton des Films wird direkt in den ersten Sekunden etabliert, wenn Mica Levis düstere, dissonante und sphärische Streicher-Klänge ertönen und eine geistesabwesend wirkende Jackie Kennedy vor ihrem Haus in Hyannis Port zeigt. Mit dem ungewöhnlichen 1.33:1-Bildformat und den grobkörnigen, leicht verwaschenen 16mm-Bildern fühlt man sich direkt in die frühen Sechziger Jahre zurückversetzt, zugleich baut Larraín aber auch eine ungewöhnliche Nähe und Intimität zu seinem Subjekt auf. Er erzählt seinen Film in Handkamerabildern, die er streng und oft symmetrisch komponiert. Gepaart mit dem engeren Bildformat erzielt er schnell eine subtil beklemmende und klaustrophobische Wirkung auf den Zuschauer. Der schwermütige und höchst unkonventionelle Oscar-nominierte Soundtrack der Ausnahmekünstlerin Mica Levi („Under the Skin“) sorgt tatsächlich in Kombination mit der ungewöhnlichen Bildsprache dafür, dass man sich in den Verstand von Jackie Kennedy versetzt fühlt. Die Filmmusik, die am ehesten an Jonny Greenwoods außergewöhnliche Arbeit für Paul Thomas Anderson in „There Will Be Blood“ oder „The Master“ erinnert, erweist sich gewissermaßen als heimlicher Star des Films.

Dass Jackie Kennedy eine außergewöhnliche Frau war, hebt der Film in zahlreichen Facetten hervor. Nicht nur tat sie sich durch ihr Stilbewusstsein und ihre klassische Eleganz hervor, auch ihre aufwändige und teilweise stark in der Öffentlichkeit kritisierte Renovierung des Weißen Hauses machten sie zu einer strahlenden, aber auch immer etwas unahbaren Figur ihrer Zeit. So zeigt „Jackie“ die gefasste öffentliche Persönlichkeit der First Lady, die in interessantem Kontrast zu der in tiefer Trauer stehenden privaten Jackie funktioniert. Gerade bei dem Interview mit dem Journalisten kommen diese zwei Seiten eindrucksvoll zum Vorschein: Immer dann wenn Jackie intimere Einblicke in ihr Seelenleben gewährt, kommt sie wieder abrupt zu sich und weist ihr Gegenüber mit nachdrücklicher Autorität auf die Selbstverständlichkeit hin, diese Ausbrüche nicht publik zu machen.

Die Kennedys in Trauer
Die Kennedys in Trauer © Tobis Film

Portman, die nur sehr bedingt Ähnlichkeit mit ihrer realen Vorlage hat, verinnerlicht ihr Wesen auf oft schon unheimliche Weise. Kennedys sehr eigene, leicht flüsternde Sprechweise und bedachte Körperspräche bringt Portman präzise rüber – was für manche Zuschauer aufgesetzt oder übertrieben wirken könnte, entspricht tatsächlich der Realität, wie der Blick auf Originalaufnahmen der ehemaligen First Lady beweist. Doch es sind besonders die intimen Momente und seltenen Gefühlsausbrüche, die hier besonders nahe gehen und beeindrucken – etwa der in extremer Nahaufnahme gefilmte tränenreiche Zusammenbruch in der Air Force One, als die blutverschmierte Jackie ihren ersten ruhigen Augenblick für sich hat. Hier ist „Jackie“ wohl am besten und effektivsten, wenn er einen Blick auf die First Lady wirft, die kurz die Kontrolle verliert.

Ansonsten ist Larraíns Film eine eher zerebrale Angelegenheit, die sich mit Trauer und vor allem Vermächtnis befasst. Gerade zweiteres ist zentrales Thema für Jackie, die die Amtszeit ihres verstorbenen Mannes mit dem Mythos um König Artus und seine Tafelrunde vergleicht. Hier hallt das Zitat „Lass nie in Vergessenheit geraten, dass für einen kurzen, glanzvollen Moment Camelot existierte“ bedeutungsvoll nach. Fast schon obsessiv und um große innere und äußere Stärke ist Jackie bemüht, wenn sie eine Beerdigungszeremonie veranstalten will, die der Bedeutung und Legende JFKs gebührend Ausdruck geben soll.

Zu den besten und anregendsten Momenten von „Jackie“ gehört auch das intime Gespräch zwischen Jackie und einem von John Hurt gespielten Priester, dem sie sich mit all ihren ungefilterten Zweifeln anvertraut, um Antworten auf große Fragen zu erhalten. In kurzen Fragmenten zeigt der Film auch das Attentat selbst, wobei hier erstaunlich grafisch vorgegangen wird. Diese erschreckend realen Bilder verstören tatsächlich, gerade weil sie sehr überraschend und plötzlich kommen und man zumindest ansatzweise nachfühlen kann, welchen Schrecken Jackie in diesen Momenten durchmacht.

Jackie ist allein
Jackie ist allein © Tobis Film

„Jackie“ erweist sich vor allem wie schon angedeutet in formaler Hinsicht als sehr gelungen. Ohne viel Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen und jemals dekorativ zu wirken, ist der Film durchzogen von präzisen Details, die fast schon den Eindruck erwecken, dass man hier einen Film sieht, der tatsächlich vor Ort in den frühen Sechzigern gedreht wurde. Das wird zum einen durch Jean Rabasses Ausstattung und Madeleine Fontaines Oscar-nominierte Kostüme bewirkt, aber eben auch durch Stéphane Fontaines exzellente Kamera. So ist es schließlich die impressionistische Ästhetik, die diesen sperrigen Film zu einem eindringlichen Erinnerungsfluss und Seelenblick macht und damit über den Durchschnitt hebt – auch wenn es längst nicht jedem Zuschauer leicht fallen wird, hier Zugang zu gewinnen.

Bild:

Es wäre vermessen, die Bildqualität der Blu-ray von „Jackie“ nach herkömmlichen HD-Sehgewohnheiten der Gegenwart zu beurteilen. „Jackie“ wurde von Kameramann Stéphane Fontaine auf 16mm Film gedreht, wodurch der Film eine gewollt grobkörnigere und ungeschliffene Retro-Ästhetik erhält. Diese grundiert den Film optisch in der portraitierten Zeit, Schärfe- und Detaillevel eines auf digitalen Filmkameras aufgezeichneten Films kann man folglich nicht erwarten. Viel mehr erhält der Film einen außergewöhnlichen und unkonventionellen Look, der auf Blu-ray stark und fehlerfrei zur Geltung kommt. Die her weichen Kontraste erweisen sich als weitestgehend gelungen, Farben erscheinen in eher dezenten, manchmal leicht verwaschenen und wenig gesättigt wirkenden, aber dennoch feinen und nuancierten Tönen. Für Liebhaber dieses traditionellen texturierten Filmformats ist „Jackie“ sicher ein willkommenes Geschenk.

Ton:

Jackie trauert
Jackie trauert © Tobis Film

In akustischer Hinsicht erweist sich „Jackie“ als eher dezente Angelegenheit. Der Großteil der klanglichen Untermalung spielt sich hier auf den Frontkanälen ab, lediglich Mica Levis großartige Filmmusik verteilt sich gelegentlich auf den hinteren Lautsprechern. In Sachen Klarheit und akustischer Präzision präsentiert sich die Tonspur aber erstklassig.

Extras:

Beim Bonusmaterial offenbaren sich ein paar sehr kurze EPK-Featurettes, die eher gewohntes EPK-Material und nicht allzu viele Einsichten bieten. Spannender wird es dann allerdings bei den beiden zusammengeschnittenen, deutlich ausführlicheren Interviews mit Natalie Portman, die über den Durchschnitt hinausgehen. Abgerundet werden die Extras mit zwei sehr kurzen Interviews mit den Darstellern Billy Crudup und Peter Sarsgaard. Regisseur Pablo Larraín, Produzent Darren Aronofsky oder Drehbuchautor Noah Oppenheimer kommen leider nur kurz in den Featurettes zu Wort.
Mini Making-of (deutsch, 03:07 Min.)
Bildergalerie (01:37 Min.)
Kinotrailer (01:40 Min.)
Kinotrailer 2 (02:28 Min.)
B-Roll (07:46 Min.)
Featurette „Creating Camelot“ (02:30 Min.)
Featurette „White House Tour“ (02:51 Min.)
Interview mit Natalie Portman (23:17 Min.)
Interview mit Billy Crudup (02:08 Min.)
Interview mit Peter Sarsgaard (02:19 Min.)
Original Trailer (01:44 Min.)
Original Trailer 2 (02:31 Min.)
Trailershow (Zu guter Letzt, Der Stern von Indien, Den Sternen so nah, Hyde Park on Hudson, The Dinner)

Blu-ray Wertung
  • 7.5/10
    Film - 7.5/10
  • 8/10
    Bild - 8.0/10
  • 8/10
    Ton - 8.0/10
  • 5/10
    Extras - 5.0/10
7/10

Kurzfassung

„Jackie“ ist ein unkonventioneller und intimer Blick auf eine der ikonischsten Frauen der US-Geschichte, der sich als betont schwermütig erweist und von einer großartigen Natalie Portman getragen wird.

Fazit:

Nicht jeder Zuschauer wird unter die sperrige Oberfläche dieses außergewöhnlichen und künstlerisch ambitionierten Portraits durchdringen können. Viel mehr als konventionelles Biopic ist „Jackie“ eine stille und wehmütige Meditation über Trauerbewältigung und Vermächtnis, die lange nachhallt.


von Florian Hoffmann

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