Imperium – Blu-ray Kritik: Daniel Radcliffe gegen Neo-Nazis

Imperium - Daniel Radcliffe und Toni Collette
Imperium - Daniel Radcliffe und Toni Collette © Ascot Elite Entertainment Group

Die Kritik:

Imperium - Blu-ray Cover
Imperium – Blu-ray Cover © Ascot Elite Entertainment Group

Nach der überraschenden Wahl des Rechtspopulisten Donald Trump zum US-Präsidenten ist der auf wahren Begebenheiten beruhende Drama-Thriller „Imperium“ noch aktueller und brisanter als zuvor. Daniel Radcliffe spielt den jungen FBI-Agenten Nate Foster, der eine schwere, unglückliche Kindheit mit vielen Umzügen hinter sich hat. Doch Nate ist hochintelligent und weist eine hohe Sozialkompetenz auf, weshalb ihn die ranghöhere Agentin Angela Zamparo (Toni Collette) anspricht und für einen Undercover-Einsatz gewinnt. Er soll sich mit der Hilfe ihres Spitzels Frank Hedges (Adam Meier) in die Neo-Nazi-Gang „Panzer Strikeforce“ einschleusen und das Vertrauen von deren Anführer Vincent Sargent (Pawel Szajda) gewinnen, um über diesen an den „großen Fisch“ Dallas Wolf (Tracy Letts) heranzukommen. Nate muss an seine Grenzen und darüber hinausgehen, um seine Geheimidentität zu bewahren.

Diese packende Ausgangslage reichte den Marketingexperten offenbar nicht aus, um den Film im großen Stil zu bewerben und landesweit in die Kinos zu bringen. Auch in Deutschland erscheint dieser wichtige Ausnahmefilm nur für das Heimkino und droht in der Masse der vorweihnachtlichen Veröffentlichungen unterzugehen. Das wäre fatal. Denn wer sich auch nur ansatzweise für Thriller, Drama, eine ausgezeichnete Charakterzeichnung und die schwellende Neo-Nazi-Thematik interessiert, wird von „Imperium“ begeistert sein. Die Ausgangslage, mit der Radcliffes Filmfigur Foster umgehen muss, ist komplex. Nach einer kurzen Einführung taucht Nate tief in die rechtsradikalen Abgründe der US-Gesellschaft ab. Die von rassistischen Ansichten durchtränkten Ideologien sind dabei zwar dank Filmen wie „American History X“, „Romper Stomper“ oder dem deutschen Pendent „Kriegerin“ bekannt, verlieren dadurch jedoch nicht an Wirkung.

Imperium - Daniel Radcliffe
Imperium – Daniel Radcliffe © Ascot Elite Entertainment Group

Im Gegenteil. Durch eine eigene Art der Darstellung, den exzellenten Schnitt und das kluge Vorantreiben der Storyline mit Foster als Identifikationsfigur lernt man nach und nach das gesamte Ausmaß der Bilder, Audios, Videos und Bücher kennen, die der zutiefst menschlich und nachvollziehbar dargestellte Nate zwecks Recherche anschauen und lesen muss. Als er dann in die Gang eingeschleust wird und immer wichtigere Leute kennenlernt, Bekannte aus seinem früheren Leben vor den Kopf stoßen muss, um seine Tarnung aufrechtzuerhalten und an in Gewalt ausartenden Demonstrationen teilnimmt, folgt man dem Verlauf gebannt. Kann der Undercover-Neuling seinen Auftrag ausführen oder fliegt er auf? Bei vielen Filmen beantwortet sich diese Frage schon nach wenigen Minuten. Hier hingegen sind die „Bad Boys“ gebildet, führen nach außen hin ein typisches US-Vorstadtleben, haben Geld, Kontakte, Einfluss, sind dadurch keinesfalls zu unterschätzen und wirken bedrohlich. Dieser smarte Kniff hebt den Film endgültig auf eine beklemmende und zugleich großartige Ebene. Weitere Gründe dafür sind die wuchtige, kraftvolle Geschichte und erstklassige Inszenierung von Daniel Ragussis (Kurzfilm „Haber“ mit Christian Berkel und Julianne Köhler), dem man nicht anmerkt, dass er mit diesem Film sein Debüt als Langfilmregisseur gibt. Er fungiert darüber hinaus als Produzent und Drehbuchautor. Das Skript hat neben den bereits erwähnten Stärken noch eine weitere: die geschliffenen, klugen und pointierten Dialoge, durch die es Ragussis gelingt, die verschiedenen, populistisch-abstrusen Weltbilder von Rechtsradikalen und deren Missgunst, Neid und Streitereien untereinander zur Geltung kommen zu lassen und daraus eine ausbalancierte, subtil erzählte Geschichte zu formen. Die Neo-Nazis werden dabei nicht als Monster, sondern als gewöhnliche menschliche, teilweise gescheiterte Individuen mit merkwürdigen Ansichten dargestellt. Trotzdem ist klar ersichtlich, dass sich der Film gegen Rechtsradikale postiert.

Imperium - Toni Collette
Imperium – Toni Collette © Ascot Elite Entertainment Group

Dank dieses vielschichtigen Gebildes ist der Film von Beginn an spannend und fesselnd. Das wird von der dynamischen Kameraführung, den passend ausgesuchten Locations (gedreht wurde ab Ende September 2015 an mehreren Orten im US-Bundesstaat Virginia) und der klassischen, stimmigen Musikuntermalung unterstützt. Zur dichten Atmosphäre tragen auch die einschüchternden Kostüme, die exzellente Ausstattung und die überzeugenden Skinhead-Frisuren bei. Zudem ist die deutsche Synchronisation klasse. Radcliffe wird von seiner Stammstimme Nico Sablik (auch von Chris Pine und Michael B. Jordan) vertont, auch Collette hat mit Christin Marquitan (Salma Hayek, Famke Janssen) ihre gewohnte Stimme. Darüber hinaus hat der Rest des Casts professionelle Sprecher erhalten, weshalb die Synchronisation – gerade bei einem Independent-Film wie diesem – lobend erwähnt werden muss. All das wäre jedoch nur wenig ohne die passende Besetzung wert. Und diese ist hervorragend. Radcliffe (Harry Potter, Swiss Army Man, The F-Word) spielt seine schwierige Rolle mit beeindruckender Intensität und Klasse. Der 27-jährige Multimillionär weist seine erkennbar weiterentwickelten Fähigkeiten ein weiteres Mal in einer abgedrehten Rolle nach. An seiner Seite überzeugt mal wieder die ausgezeichnet spielende Toni Collette (Glassland, Little Miss Sunshine, Ganz weit hinten) als Fosters wichtiger Bezugspunkt zur Welt außerhalb des Undercover-Einsatzes. Auch Sam Trammell (Das Schicksal ist ein mieser Verräter, True Blood, Aliens vs. Predator 2), Tracy Letts (The Big Short, Elvis & Nixon, Wiener Dog), Nestor Carbonell (The Dark Knight, Lost, Bates Motel) und Pawel Szajda (Verräter wie wir) können ihren Nebenrollen viel Substanz verleihen.

Imperium - Gruppe Neo-Nazis
Imperium – Gruppe Neo-Nazis © Ascot Elite Entertainment Group

Wegen dieser Vielzahl an Argumenten für die hohe Qualität des Filmes ist es nicht zu verstehen, dass sein Potenzial so verschenkt wird. Hat man dann noch im Hinterkopf, dass er in den USA von Kritikern positiv aufgenommen wurde, kann man nur mit dem Kopf schütteln. „Imperium“ hätte ein breiteres Publikum verdient gehabt. Aber auch so wird er hoffentlich Diskussionen auslösen und Denkanstöße liefern.
Der einzige kleine Schwachpunkt ist die hin und wieder fehlende Charaktertiefe, was allerdings nur minimal ins Gewicht fällt.

Bild:

Die Qualität in dieser Kategorie kann mit der des Filmes leider nicht mithalten. Es gibt einige unscharfe, verwaschene und grobkörnige Sequenzen, was Freunden des HD-Genusses an mehreren Stellen negativ auffallen dürfte. Dem gegenüber steht einige gestochen scharfen Szenen.

Ton:

Imperium - Das sieht nach Ärger aus
Imperium – Das sieht nach Ärger aus © Ascot Elite Entertainment Group

Der Detailreichtum und der detailreiche Klang des DTS-HD-Master-5.1-Sounds sind exzellent, weil ausbalanciert, durchgehend klar und deutlich abgemischt.

Extras:

Als Bonusmaterial gibt es eine dreiteilige Trailershow und ein exklusives Interview mit Daniel Radcliffe beim 12. Züricher Filmfestival, bei dem erstaunlich gute und auch kritische Fragen gestellt werden, weshalb die Extras trotz der Kürze von gut 20 Minuten einen hohen Mehrwert bieten. Auch die Impressionen vom Grünen Teppich sind annehmbar. Allerdings hätte man sich ein längeres Interview mit Ragussis zur Entstehung und Realisierung des Filmes gewünscht. Insgesamt sind die Extras aber solide.

Blu-ray Wertung
  • 9/10
    Film - 9/10
  • 6/10
    Bild - 6/10
  • 9/10
    Ton - 9/10
  • 5/10
    Extras - 5/10
8.5/10

Kurzfassung

„Imperium“ ist nicht zuletzt wegen Donald Trumps Wahl zum US-Präsidenten ein unbedingt sehenswerter, hochaktueller Film.

Fazit:

Wichtiger, hochwertiger Film, der das Ausmaß des Neo-Nazi-Problems in den USA auf eindrucksvolle Art und Weise verdeutlicht. Dank Daniel Radcliffes großartigem Spiel und Ragussis´ starker Inszenierung ist „Imperium“ ein beklemmender, aktueller Must-See-Film, dem man seine wenigen Schwächen gerne verzeiht. Überragend!


von Stefan Bröhl

Hinterlasse jetzt einen Kommentar

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht. (Kommentar wird erst geprüft)


*