Kritik zu Im Westen nichts Neues (2022) – im UHD Mediabook

Im Westen nichts Neues - Angst im Schützengraben
Im Westen nichts Neues - Angst im Schützengraben © Capelight

Die Kritik:

Im Westen nichts Neues Mediabook
Im Westen nichts Neues Mediabook © Capelight

Es passiert nicht häufig, dass Filme von Streaming-Plattformen auch eine physische Veröffentlichung erhalten. Der große Erfolg von „Im Westen nichts Neues“ inkl. Oscar-Nominierungen hat da sicherlich den Ausschlag gegeben. Capelight hat sich dem Netflix-Streifen angenommen und u.a. in einem limitierten 4K-Mediabook rausgebracht, das am 30.03.2023 im Handel erhältlich ist. Wir möchten eben diese Edition im Folgenden besprechen.

„Im Westen nichts Neues“ anno 2022 dürfte das höchste Budget eines deutschen Films innehaben. Netflix hat‘s möglich gemacht, um die Vision des Regisseurs Edward Berger zu realisieren. Für die Oscarverleihung 2023 wurde das Kriegsdrama in starken neun Kategorien nominiert. Es gewann dabei als bester internationaler Film, die beste Kamera, beste Filmmusik und das beste Szenenbild. Das ist deutscher Rekord.

Im Westen nichts Neues
Im Westen nichts Neues : Felix Kammerer, Albrecht Schuch, Edin Hasanovic als Soldaten © Capelight

Erich Maria Remarques Roman ist von eigenen Erlebnissen beeinflusst, zumindest aber die Figuren sind erfunden. Nun wurde im 50-Jahre-Rhythmus bereits das dritte Mal das Buch verfilmt. Im hiesigen Film wurden dafür ein paar reale Personen hinzugefügt.

Vier Teenager um Paul Bäumer (Schauspieldebütant Felix Kammerer) freuen sich riesig auf den Einsatz im ersten Weltkrieg. Allein daheim bleiben will keiner der Jungs. Es dauert nur wenige Zeit an der Front, bis sie von der Realität eingeholt werden, auf die sie keineswegs vorbereitet wurden. Die Sinnlosigkeit des hin und her im Stellungskrieg ist allgegenwärtig, jedoch nicht bei den Generälen wie z.B. Friedrichs (Devid Striesow), der stets an den Sieg glaubt – bis zuletzt und auf Kosten der Männer, die den Krieg austragen.

Im Westen nichts Neues - General Friedrichs (Devid Striesow)
Im Westen nichts Neues – General Friedrichs (Devid Striesow) © Capelight

Die Gegensätze des edel speisenden Generals in glänzender Uniform zu den zutiefst schmutzigen Schützengräben und Klamotten der einfachen Soldaten könnten nicht größer sein. Apropos Uniformen: Zu Beginn wird bereits deren „Kreislauf“ gezeigt. Das ist wahrlich gruselig, zynisch und hervorragend gefilmt. Das gilt für den ganzen Film (also dem Kriegsalltag, der teils etwas redundant ausfällt), aber wird dort früh am stärksten bebildert. Ein anderes Highlight ist der Angriff der französischen Panzer. Wie Monster verharren sie erst im Rauch, um dann loszuschießen und unaufhaltsam weiter heranzurollen bis über den deutschen Schützengraben hinweg. Das sind unglaublich intensive und realistische Szenen, die im Gedächtnis bleiben.

Edward Berger wollte audrücklich keinen sentimentalen Film drehen und das ist ihm gelungen. Da er stets nah am Protagonisten dran ist und wir seine Qualen mit durchleben, gerät das Drama dennoch emotional ergreifend. Allerspätestens bei Pauls Auge in Auge Begegnung samt körperlicher Auseinandersetzung mit einem französischen Soldaten und anschließender Reue.

Bild:

Nicht umsonst gewann „Im Westen nichts Neues“ den Oscar für die beste Kamera (James Friend). Die oben erwähnten Highlights fühlen sich dank dieser Arbeit unglaublich echt an. Verschiedene Einstellungen vermitteln den Eindruck, das ganze Geschehen mit zu erleben. Ein Traum in 4K und HDR10. Im angenehmen Umfang wurde zudem mit Handkameras gefilmt, z.B. wenn wir Paul bei den actionreichen bzw. körperbetonten Szenen buchstäblich zur Seite zu stehen scheinen. Das Bild ist die meiste Zeit dunkel und schmutzig gehalten. Sonnenlicht war tabu, gedreht wurde extra noch im Februar. Wenn die Witterungsverhältnisse trotzdem nicht passten, wurde etwa künstlicher Regen erzeugt. Die ebenso hochgelobte Maske unterstützt den dreckigen Kampf, ein- bis zweimal ist sie evtl. jedoch etwas zu dick aufgetragen.

Ton:

Der Ton trumpft mit Dolby Atmos auf. Auch die Filmmusik (Volker Bertelmann alias Hauschka) verdiente sich einen Oscar. Von quietschend (bei nahendem Unheil) bis krachend (in den Gefechten) geht jene Hand in Hand mit dem Inhalt. Ziel war es außerdem mit der Musik die Bilder zu „zerstören“, was durch die dissonanten Einsprenkler großartig gelingt. Manch andere Szenerie kommt derweil ohne Musikuntermalung aus, damit der Horror durch die Kugeleinschläge und Schreie der Soldaten dominiert. Die Dialoge sind teils schwer zu verstehen. Gar nicht mal während den Schlachten, sondern in den ruhigen Momenten, wenn die Soldaten beisammensitzen. Ob gewollt oder nicht, beim Nuscheln muss man schon sehr genau hinhören.

Extras:

Das limitierte, qualitativ gewohnt sehr hochwertige Mediabook von Capelight besitzt ein 24-seitigen Booklet. Relativ kleine Schrift und eher wenige Bilder lassen einem sehr ausführlichem Interview Platz. Interessante Q+A mit Bezug auf die Entstehung oder auch ganz  konkrete Szenen geben sehr spannende Infos zum deutschen Oscargewinner. Wer diese lieber auf der Tonspur konsumieren will, hört sich den Audiokommentar von Regisseur Edward Berger an, der alternativ über den gesamten Film gelegt werden kann. Kleiner Kritikpunkt für eine deutsche Produktion ist da allerdings die englische Sprache mit deutschen Untertiteln. Darüber hinaus gibt es noch Making-ofs, sowie natürlich Kinotrailer und Teaser.

4K Mediabook Bewertung
  • 8/10
    Film - 8/10
  • 9/10
    Bild - 9/10
  • 8/10
    Ton - 8/10
  • 8/10
    Extras - 8/10
8/10

Zusammenfassung

Realistisch anmutender, schmutziger und grandios gefilmter Oscarfilm made in Germany.

Fazit:

Die dritte Buchverfilmung wurde maximal deprimierend ausgelegt, selbst die etwas fröhlicheren Momente fühlen sich morbide an, wenn die Soldaten fast schon hysterisch rumgackern. Auch wenn sich der Film teils etwas lange anfühlt, gibt es immer wieder sehr gute Highlights im insgesamt äußerst stark bebilderten Kriegsdrama zu entdecken.


von Nicolas Wenger

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