I, Tonya – Blu-ray Kritik: Witzig, emotional, bitterböse

Tonya (Margot Robbie)
Tonya (Margot Robbie) © DCM

Die Kritik:

I, Tonya - Blu-ray Cover
I, Tonya – Blu-ray Cover © DCM

I, Tonya war zu Beginn des Jahres für 3 Oscars nominiert (beste Nebendarstellerin Allison Janney, beste Hauptdarstellerin Margot Robbie und bester Schnitt). Den Goldjungen für die beste weibliche Nebenrolle erhielt in diesem Jahr letztlich Allison Janney und dies auch völlig zurecht. Janney räumte in der letzten Awards-Season alles ab, was es so zu gewinnen gab. Oscar, Golden Globe, BAFTA, SAG, Critics Choice Award – sie holte bei jeder Verleihung den Preis für die beste Nebendarstellerin. Doch auch Margot Robbie, die aufgrund der großen Konkurrenz zwar stets leer ausging, spielt hier famos auf und zeigt ihre beste Karriereleistung. Dass die australische Schönheit nicht nur mit ihrem Aussehen einen umhaut, sondern auch mit ihren schauspielerischen Fähigkeiten, stellte sie schon in dem einen oder anderen Film bereits unter Beweis. Doch hier brilliert sie von der ersten Sekunde. Darüber hinaus gibt es noch Sebastian Stan, der ebenfalls glänzt und eine starke Leistung zeigt. Es ist ebenfalls erfrischend ihn in einer Rolle zu sehen, in der er nicht den Winter Soldier aus den MCU-Filmen spielt. Insgesamt ist der Cast grandios, auf den später nochmal etwas näher eingegangen wird. I, Tonya ist ein stark gespielter, toll geschnittener und extrem witziger, aber vor allem schwarzhumoriger Film, der sehr clever geschrieben ist und einem einen spaßigen und sehr zynischen Blick auf die Hintergründe einer verrückten wahren Geschichte, die zugleich im Verlauf des Films bittere Züge annimmt, gewährt. I, Tonya ist der beste Film von Regisseur Craig Gillespie nach seiner großartigen Tragikomödie „Lars und die Frauen“ und er beweist auch hier wieder sein Fingerspitzengefühl für die Inszenierung eines Films, der vielschichtig ist, indem er witzig, traurig, spannend und bitter-böse zugleich ist.

Tonyas Mutter LaVona Golden (Alisson Janney)
Tonyas Mutter LaVona Golden (Alisson Janney) © DCM

Zwar hat Margot Robbie sehr intensiv trainiert und einige Szenen auf dem Eis selbst choreografiert. Natürlich gibt es aber hier einige Szenen, in der ein Double die Rolle der Tonya Harding auf dem Eis übernimmt. Wie aber mit visuellen Effekten geschafft wurde, dass man glaubt Margot Robbie ist auf dem Eis, ist technisch perfekt gelungen. Mit „unsichtbaren“ Schnitten, einer sehr gelungenen Gesichtsmontage und tollen Kamerafahrten hat man hier ein dynamisches Filmerlebnis kreiert, das selbst die Leute faszinieren wird, welche überhaupt kein Interesse an dem Eiskunstlaufsport haben. Ohnehin ist der Film toll geschnitten und super gefilmt mit einem klasse Sounddesign, worauf später nochmals kurz eingegangen wird. Der Film zieht sich jedoch in manchen Momenten und braucht etwas zu lange, um zum eigentlichen Vorfall zu kommen, weswegen er knapp an der 9p-Marke scheitert. Außerdem ist das Set Design sehr authentisch und bringt ein gutes 90er-Feeling rüber. Der Film bringt einen oft zum lachen mit seiner zynischen und schwarzhumorigen Art. Dabei ist er teilweise sehr bitter und unangenehm. Sebastian Stans Figur Jeff wird oftmals handgreiflich und gewalttätig gegenüber seiner Freundin Tonya. Auch Tonyas Mutter LaVona geht mit ihrer Tochter schon seit dessen Kindheit extrem streng um. Sie wird beleidigt, vom Stuhl gestoßen, geschubst, angeschnauzt und letzten Endes auch sehr stark gefördert und gefordert, damit sie eine erfolgreiche Eiskunstläuferin wird.

Tonya (Margot Robbie) jubelt über ihre Punktzahl, nachdem sie den Dreifach-Axel gesprungen ist
Tonya (Margot Robbie) jubelt über ihre Punktzahl, nachdem sie den Dreifach-Axel gesprungen ist © DCM

Die Figuren spiegeln die Unterschicht Amerikas wieder. Die Hauptfiguren in diesem Film sind durch eine sehr derbe Wortwahl und geringe Bildung charakterisiert. Mit einem sehr guten Timing für Humor streut Gillespie hier in eine eigentlich ernste und bittere Situation humorvolle Szenen und Dialoge rein, die sich jedes Mal optimal in die Szenerie einfügen und überhaupt nicht unpassend wirken. Der Film behält auch stets eine besondere Glaubwürdigkeit. Diese wird durch einen pseudo-dokumentarischen Stil verstärkt, bei dem die Protagonisten mehrere Jahre nach dem Hauptereignis (auf das nicht näher eingegangen wird, auch wenn viele es womöglich schon wissen) interviewed werden und ihre Sicht der Dinge schildern. Hierbei ist es ebenfalls sehr witzig zu sehen, wie teilweise die Wahrnehmung der Geschichte bei den unterschiedlichen Protagonisten auseinander gehen kann.

Jeff (Sebastian Stan) und Tonya (Margot Robbie) erhalten die Nachricht von der Morddrohung
Jeff (Sebastian Stan) und Tonya (Margot Robbie) erhalten die Nachricht von der Morddrohung © DCM

Margot Robbie spielt, wie eingangs erwähnt, Tonya Harding überzeugend. Ob auf dem Eis, in der Interaktion mit Jeff oder mit ihrer Mutter oder auch alleine bei dem Interview, in der sie ihre Sicht der Dinge schildert. Sie zeigt in jeder Szene ihr ganzes Können. Es empfiehlt sich hier den Film im O-Ton anzuschauen. Wie Margot Robbie hier praktisch ohne ihren australischen Akzent spricht, leidet, flucht, schreit, weint, lacht, ist einfach nur Weltklasse. Es gibt eine Szene, bei der die Kamera lange frontal auf ihr Gesicht hält und sie binnen weniger Sekunden mit einer grandiosen Mimik versucht ihre Emotionen in den Griff zu bekommen. Dies ist schlichtweg großes Schauspiel, welches nur von Alisson Janney getoppt wird. Sie spielt die gemeingefährliche Mutter von Tonya, die ihre Tochter fordert und fördert und hier deutlich Grenzen einer gesunden Erziehung überschreitet. Es ist Alisson Janneys mehr oder minder „böseste Figur“ ihrer Schauspielkarriere und auch ihre stärkste Performance. Sie hat im Laufe des Films zwar immer weniger Screentime, aber vor allem im ersten Drittel stiehlt sie in jeder Szene allen die Show. Paul Walter Hauser, Sebastian Stan und Bobby Cannavale ergänzen den Cast stark und liefern ebenfalls ab.

Bild:

Das Bild wirkt etwas körnig. Doch dies ist gewollt und verstärkt den 90er Jahre Look des Films. Vor allem die Interviewaufnahmen sind keineswegs besonders scharf, doch auch dies ist beabsichtigt, genauso wie das besondere Bildformat in diesen Szenen. Dennoch ist der Film darüber hinaus was die Farben sowie die Kontraste und Schärfe angeht optisch eine Augenweide.

Ton:

Tonya (Margot Robbie)
Tonya (Margot Robbie) © DCM

In den Szenen auf dem Eis kommt der Ton besonders stark zur Geltung. Ob es der Sound der Schlittschuhe auf dem Eis ist oder die Begeisterung des Publikums im Hintergrund. Hier macht der Ton alles richtig und erzeugt ein tolles Feeling. Der Soundtrack und die Dialoge werden ebenfalls in der richtigen Lautstärke und verständlich wiedergegeben.

Extras:

Hier gibt es lediglich ein Making-of, welches mehrere Featurettes zum Film allgemein, zur Regie, zu den Hauptdarstellern oder auch zu den visuellen Effekten beinhaltet. Letzteres war der sicherlich interessanteste Teil bei dem ansonsten sehr repetitiven Making-of. Zudem gibt es lediglich noch den Trailer und eine Trailershow.

Blu-ray Wertung
  • 8/10
    Film - 8.0/10
  • 8/10
    Bild - 8.0/10
  • 9/10
    Ton - 9.0/10
  • 3/10
    Extras - 3.0/10
7.5/10

Kurzfassung

Ein tolles Drehbuch, starke Darsteller und eine äußerst gelungene technische Inszenierung machen I, Tonya zu einem mehr als sehenswerten Film.

Fazit:

I, Tonya ist ein sehr witziger, emotionaler, bitterböser und insgesamt schlichtweg unterhaltsamer Film. Der Streifen ist toll gespielt, stark inszeniert und ist sehr vielschichtig und mehrdimensional. Eine schwarze Komödie über eine wahre Geschichte, die es wert war, verfilmt zu werden.


von Morteza Wakilian

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