Hinterland – Blu-ray Kritik

Hinterland: Theresa Körner (Liv Lisa Fries)
Hinterland: Theresa Körner (Liv Lisa Fries) © SquareOne Entertainment

Die Kritik:

Schief zulaufende Häuser, krumme Fensterbögen und schräge Kameraperspektiven – der österreichische Filmemacher und Oscar-Gewinner Stefan Ruzowitzky („Die Fälscher“, „Anatomie“, „Die Hölle – Inferno“) bleibt seiner unberechenbaren Linie treu und entwirft mit „Hinterland“ ein interessantes formales Experiment, das das Wien der späten 10er Jahre durch das Prisma des deutschen Expressionismus und moderner digitaler Effektkunst aufleben lässt. Er erzählt die klassische Geschichte des Kriegsheimkehrers Peter (Murathan Muslu), der nach russischer Kriegsgefangenschaft in seine Heimat zurückkehrt, die er nach Abdankung von Kaiser Karl in Österreichs neuer Republikform nicht wieder erkennt. Der ehemalige Kriminalbeamte wird ebenso wie andere Veteranen von der Bevölkerung missachtet, seine Frau ist verschwunden und zudem wird er dann noch in den Strudel eines Serienkillers gezogen, der mit bizarren Ritualmorden die Stadt in Angst und Schrecken versetzt. Gehört er selbst zunächst wegen eines bestimmten Hinweises zu den Verdächtigen, arbeitet er schließlich mit dem Kommissar Paul Severin (Max von der Groeben) und der Gerichtsmedizinerin Theresa (Liv Lisa Fries) zusammen, um den Killer ausfindig zu machen…

Hinterland - Blu-ray
Hinterland – Blu-ray © SquareOne Entertainment

Keine Frage, „Hinterland“ ist ein sehr gewöhnungsbedürftiger Film, in den man sich erst mal reinfinden muss. Das ist zu großen Teilen der originellen wie sonderbaren Ästhetik geschuldet, die das alte Wien nicht etwa mit aufwändigen Sets rekreiert, sondern mit digitalen Kulissen, die arg offensichtlich vom deutschen Stummfilm-Expressionismus der 10er und 20er Jahre inspiriert sind. So erscheinen die fotorealistischen Hintergründe betont abstrakt und in ihrer Formgebung künstlich und stilisiert, sodass der Film fast automatisch eine Distanz zum Zuschauer aufbaut. Dass „Hinterland“ sowohl innen wie draußen fast ausschließlich vor Bluescreen entstanden ist, ist nahezu jederzeit spürbar, wodurch der Film auch durch seine glatte digitale Ästhetik zwar interessant, aber auch irritierend artifiziell erscheint.

Hat man sich irgendwann an diese aufwändigen, aber auch leider recht luftleeren Bilder gewöhnt, gelingt es dem Film zumindest ansatzweise auch dramaturgisch zu packen: Doch auch die Erzählung vom Kriegsheimkehrer, der von der Gesellschaft nach der niederschmetternden Kriegsniederlage ausgeschlossen wird und von Albträumen und Dämonen geplagt wird, erscheint leider ein wenig abgedroschen. Sicher erhält der Film eine zusätzliche Dimension und Originalität, da er an einem selten filmisch gesehenen gesellschaftlichen Wendepunkt in der österreichischen Geschichte spielt, dadurch reißt der Film aber nicht automatisch emotional mit. Murathan Muslu gibt zugebenermaßen eine stattliche körperliche Präsenz, so richtig interessant erscheint er in seinem traurigen und belasteten Part aber auch nur in Ansätzen. Dennoch agieren Muslu wie auch seine Schauspielkollegen solide, man hat jedoch das Gefühl, dass ihre emotional aufgeladenen Rollen immer auch gegen die Künstlichkeit des Films anspielen müssen.

Hinterland: Kommissar Paul Severin (Max von der Groeben)
Hinterland: Kommissar Paul Severin (Max von der Groeben) © SquareOne Entertainment

Die düstere, pessimistische und Misstrauen erweckende Atmosphäre gibt sich sowohl in den perfekt manikürten Bildern wie auch in der trostlosen Darstellung einer verkommenen und abgestumpften Gesellschaft wieder. Dazu passen dann auch die beklemmenden digitalen Sets, die quasi repräsentativ für den Geisteszustand des Protagonisten wie auch der Menschen um ihn herum stehen. Genauso distanziert wie sich Peter im Angesicht seiner veränderten Heimat fühlen muss, soll es wohl auch dem Zuschauer ergehen. Zumindest dahingehend macht Ruzowitzkys Herangehensweise auch Sinn und verkommt nicht zum reinen Gimmick oder notwendigen Übel, da echte historische Sets zu teuer wären.

Am interessantesten ist der Film wohl noch dann, wenn er seine zunehmend bizarren Tatorte wilder Ritualmorde präsentiert, die Theresa passenderweise als „Tableaus des Todes“ bezeichnet. Fast schon erinnert „Hinterland“ mit seinen schmutzigen Straßen und den grausamen Morden an den unterschätzten Jack the Ripper-Film „From Hell“ mit Johnny Depp, der jedoch von bedeutend glaubhafteren Sets profitiert hat. Zeichnete sich besagter Film jedoch durch eine ungleich spannendere und morbidere Erzählung mit einer emotional wesentlich interessanter gezeichneten Hauptfigur aus, lässt „Hinterland“ einfach trotz immer wieder guter Ansätze – vor allem in der Darstellung der Nachkriegsmentalität – kalt. Hier lösen die eigentlich ekelerregenden Metzeleien zudem wenig beim Zuschauer aus, zu künstlich-steril und perfekt hergerichtet erscheinen sie. Erneut mag diese Distanz bewusst sein, der Zuschauer bleibt dennoch auf der Strecke.

Hinterland: Gerichtsmedizinerin Theresa Körner (Liv Lisa Fries)
Hinterland: Gerichtsmedizinerin Theresa Körner (Liv Lisa Fries) © SquareOne Entertainment

Ein bisschen will man hier dann aber schon miträtseln, wer der Killer ist und warum ihm die Zahl 19 scheinbar so wichtig ist. So wird eines der Opfer von 19 Pfählen durchbohrt, einem anderen werden sämtliche Finger und Zehen abgeschnitten, wobei nur ein Daumen demonstrativ übrig gelassen wird. Doch richtige Spannung oder Verbundenheit mit seinen Figuren, insbesondere dem desillusionierten Protagonisten will man einfach partout nicht aufbauen. So hilft es dann auch nicht, dass die Auflösung sogar eine sehr persönliche Verbindung zu Peter aufweist. Die Identität des Killers überrascht dann wenig und überhaupt sorgt die ganze Erklärung am Ende dann auch nicht unbedingt für große Zufriedenheit. Dennoch: die Ansätze für einen interessanten Film sind hier gegeben, auch wenn die formal spannenden Mittel letztlich gegen ihn arbeiten.

Bild:

Dass „Hinterland“ digital aufgezeichnet wurde, lässt sich unschwer erkennen. Das Bild ist glatt und frei von jeder Textur, hier dominiert kühle Glätte. Schärfe und Detailumfang überzeugen, während das fein nuancierte Color Grading hier hervorragend zur Geltung kommt. Kontraste und Schwarzwerte sind ebenfalls astrein. Bildfehler sind im Wesentlichen keine auszumachen.

Ton:

Auch akustisch überzeugt die Umsetzung der Blu-ray. Hier ist vor allem die sehr räumliche Umsetzung zu loben, die den Zuschauer ins Geschehen involviert. Der Dynamikumfang erweist sich als gut, jedoch geht es bei „Hinterland“ meistens doch eher ruhig zu. Stimmen und Dialoge sind bestens verständlich, zumindest sofern man des Wiener Schmäh auch mächtig ist.

Extras:

Mal wieder wird es versäumt, den Mehrwert von Blu-rays in gut produziertem Bonusmaterial darzustellen. Das sogenannte „Making of“ ist nur ein zweiminütiger Vorher-Nachher-Vergleich, der den Dreh vor Bluescreen dem finalen Ergebnis gegenüberstellt. Ansonsten gibt es Trailer zu sehen.

Blu-ray Wertung
  • 5.5/10
    Film - 5.5/10
  • 8.5/10
    Bild - 8.5/10
  • 8/10
    Ton - 8/10
  • 2/10
    Extras - 2/10
6/10

Kurzfassung

Der Film bietet eine originelle und eigenwillige Herangehensweise.

Fazit:

„Hinterland“ ist ein formal interessantes Experiment, das zwar in seiner originellen und eigenwilligen Herangehensweise Aufmerksamkeit erregt, aber letztlich als im Kern konventioneller Serienkiller-Thriller zu wenig Spannung erzeugt. Das liegt zum einen an der künstlichen Aufmachung, aber auch an einer Erzählung, die schlicht nicht interessant genug ist, um mitzureißen.


von Florian Hoffmann

Hinterlasse jetzt einen Kommentar

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht. (Kommentar wird erst geprüft)


*