Gomorrha – Staffel 2 – Blu-ray Kritik: Im Herzen der Mafia

Gomorrha - Staffel 2 - Szenenbild
Gomorrha - Staffel 2 - Szenenbild- © polyband Medien GmbH

Die Kritik:

Nach dem überraschenden Erfolg der ersten Staffel von „Gomorrha“ war es nur eine Frage der Zeit, bis die Zweite folgt. Der Erwartungsdruck für die Macher war nach der herausragenden Qualität der ersten zwölf Episoden hoch. Können die Folgen 13-24 an das Niveau anknüpfen? Näheres dazu in unserer Kritik.

Gomorrha - Staffel 2 - Blu-ray Cover
Gomorrha – Staffel 2 – Blu-ray Cover – © polyband Medien GmbH

Das große Finale der ersten Staffel hatte es in sich. Die Welt der Savastanos hat sich entscheidend verändert. Don Pietro (Fortunato Cerlino) gelang mit der Hilfe seiner Gefolgsleute um Malammore (Fabio De Caro) die Flucht aus dem Gefängnis. Seinem Sohn Gennaro (Salvatore Esposito) erging es deutlich schlechter. Er kämpft mit mehreren Schusswunden im Krankenhaus um sein Leben. Ciro di Marzio (Marco D’Amore) ist nun in Secondigliano an der Macht und schließt ein Bündnis mit seinem Gangbruder Rosario (Lino Musella), Donna Annalisa „Scianel“ Magliocca (Cristina Donadio), Gabriele O´Principe (Antonio Folletto), O´Mulatto (Luca Gallone), Zingariello (Gianluca Di Gennaro), O´Track (Carmine Monaco), O´Cardillo (Christian Giroso), Capae Bomba (Giovanni Buselli) und Salvatore Conte (Marco Palvetti), um die Machtverhältnisse zu klären, den Gewinn gerecht aufzuteilen und einen weiteren Krieg zu verhindern. Doch der Frieden ist aufgrund der unterschiedlichen Interessen und Machtspiele der Paten brüchig. Kann er dennoch aufrechterhalten werden oder droht Neapel ein weiterer Mafia-Krieg?

Wer sich an die erste Staffel noch erinnert, wird schnell Zugang zu der zweiten Staffel finden. Die erste Episode „Das schöne Leben“ fühlt sich eher wie eine dreizehnte Folge der ersten Staffel an, was den Wiedereinstieg auch nach längerer Zeit erleichtert. Die Machart der Serie hat sich nicht verändert. Warum auch, ein Erfolg in diesen Dimensionen hatte dann doch keiner der Verantwortlichen erwartet. Erhofft, ja, aber mit einem weltweit lobenden Echo von Kritikern und Publikum war vor der Ausstrahlung nicht zu rechnen. Nun gilt „Gomorrha“ bereits als eine der besten Serien der vergangenen Jahre, was auch an der Literaturvorlage liegt. Das gleichnamige Bestseller-Buch von Roberto Saviano sorgte nach dem Erscheinen im Jahr 2006 für so großes Aufsehen, dass der Schriftsteller Morddrohungen der Camorra erhielt und sich seit dem Erscheinen des dokumentarischen Romans nur noch an immer wechselnden Orten unter Personenschutz aufhalten kann, weil die italienische Mafia noch immer seinen Tod fordert. Aufgrund Savianos hochwertiger Recherche ist der Realismusfaktor der Serie hoch und die schockierenden Praktiken der Camorra werden schonungslos offengelegt. Allerdings zeigt sich hier schon ein gewisser Abstumpfungseffekt. Ganz so viele eiskalte Schauer des Grauens laufen einem während der zweiten Staffel nicht mehr über den Rücken. Dafür wurden die Methoden bereits zu explizit in den ersten zwölf Episoden gezeigt. Dennoch gelingt es den Machern, auch in dieser Hinsicht neue Details zu zeigen, weshalb dieser Effekt nicht negativ zu bewerten ist, sondern einem die empathielosen Figuren sogar näherbringt, weil man ihr verrohen besser nachvollziehen kann. In einigen Sequenzen gefriert einem wegen der Kaltblütigkeit doch wieder das Blut in den Adern – speziell die letzte Folge sei hier erwähnt.

Gomorrha - Staffel 2 - Szenenbild 1
Gomorrha – Staffel 2 – Szenenbild 1 – © polyband Medien GmbH

Die Zuschauer tauchen vertiefend in die sich stetig wandelnde der italienischen Mafia ab. Die alten Figuren werden geschickt weiterentwickelt und neue Charaktere klug in die Geschichte eingebaut. Die Balance ist eine der größten Stärken der Serie. Beispiel Don Pietro: auf der einen Seite ist er an Skrupellosigkeit, Arroganz und Machtgier nicht zu überbieten. Auf der anderen Seite hat er die Ruhe, auf seinen Moment zu warten, ein Intrigennetz zu spinnen, in denen sich die anderen verfangen und zeigt im Umgang mit einer Figur auch eine gewisse Wärme. Diese Schizophrenie von völlig unterschiedlichen Seiten eines Charakters zeigt sich bei vielen Figuren, weshalb es für die Zuschauer immer neue Details zu entdecken- und überraschende Wendungen zu bestaunen gibt. Letztere allerdings etwas eingeschränkt. Denn es ist zwar schön, dass die zweite Staffel den Stil der Ersten beibehält. Das macht sie stellenweise aber auch vorhersehbar. Steht eine Nebenfigur in einer Episode besonders im Mittelpunkt, stirbt sie am Ende der Folge meistens. Hier wären ein paar Drehbuch- und Ablaufänderungen wünschenswert gewesen, um die Zuschauer auch mal auf die falsche Fährte zu locken – was von dieser einen, kleinen Detailschwäche abgesehen häufig gelingt, weshalb dies nur Meckern auf höchstem Niveau ist.

Die Atmosphäre ist weiterhin auf eine intensive Art und Weise bedrückend. Es wird erneut deutlich, wie normal Gewalt in diesem Umfeld ist. Jemanden zu verprügeln ist wie etwas zu essen. Es gehört zu diesem Leben schlichtweg dazu. In diesem Teufelskreis dreht sich für die meisten Charaktere alles um Macht, Geld, Ansehen, Respekt und das nackte Überleben. Wieder finden die Macher und die Schauspieler eine erstaunliche Ausgewogenheit. Obwohl die Figuren so viele schreckliche Dinge tun, sind sie keineswegs unsympathisch. Vor allem die Anführer sind charismatisch und haben ihre eigene, einnehmende Ausstrahlung. Dennoch wissen auch sie: ein Fehler kann sie das Leben kosten.

Gomorrha - Staffel 2 - Szenenbild 2
Gomorrha – Staffel 2 – Szenenbild 2 – © polyband Medien GmbH

Die Brutalität ist nur ein Stilmittel, das den Realismus der Serie verstärkt. Glorifiziert wird sie nicht. Im Gegenteil. Einige Figuren plagen sich mit psychologischen Problemen herum, weil sie die Toten bzw. ihre Opfer nicht vergessen können. Diese glaubwürdige Herangehensweise passt zur Tonalität der Serie, die wohl am besten als amerikanisch angehauchte Inszenierung mit italienischem Touch zu beschreiben ist. Zur äußerst dichten Atmosphäre tragen auch die Originalschauplätze bei. Wieder haben die Macher in Neapel vor der Kulisse der Vele di Scampia (zu Deutsch: „die Segel von Scampia“), der berühmt-berüchtigten Sozialbausiedlungen gedreht. Diese völlig heruntergekommenen Locations passen grandios zum Feeling der Serie. Noch beeindruckender und elender wirken sie durch die fantastische Kameraführung. Sie ist perfekt, weil sie reihenweise hochwertige cineastische Bilder erzeugt, die nachhaltig im Gedächtnis haften bleiben. Den hohen Aufwand, mit dem alles produziert wurde, erkennt man in jeder Szene.
Dazu kommen die exzellenten Kostüme, durch die jede Figur einen unverwechselbaren Stil bekommt, was die jeweilige Persönlichkeit in den Vordergrund rückt und sie somit verstärkt. Auch das aufwendige Make-up – besonders nach gewalttätigen Zwischenfällen – die hervorragende, prunkvolle Ausstattung und die dynamischen Kämpfe machen die Serie zu einem rundum gelungenen Erlebnis.
Der Score der italienischen Gruppe Mokadelic ist erneut überragend. Sowohl das Theme „Doomed to Live“ als auch der Hip-Hop-Abspannsong „Nuje Vulimme ’na Speranza“ von NTO‘ & Lucariello sind wie in der ersten Staffel die tragenden musikalischen Säulen der Serie, welche die gesamte Stimmung verstärken und punktgenau widerspiegeln.
Die kernige deutsche Synchronisation ist insgesamt gelungen, auch wenn man anhand einiger hastiger Dialoge erkennt, dass das deutsche Sprachtempo etwas geringer ausfällt, als das der Italiener.

Gomorrha - Staffel 2 - Szenenbild 3
Gomorrha – Staffel 2 – Szenenbild 3 – © polyband Medien GmbH

Anzumerken ist bei diesem Punkt noch, dass die die extra antrainierten Dialekte aus der italienischen Originalfassung verständlicherweise nicht transportiert werden konnten.
Der Schnitt hat kleinere Schwächen, weshalb man der zweiten Staffel attestieren muss, dass sie vom Erzählniveau und der Stringenz her minimal hinter die erste Staffel zurückfällt. Das liegt an kleineren Durchhängern in den mittleren Episoden und daran, dass einige Nebencharaktere noch immer wenig Substanz, Hintergrund eine auch nur bedingt eine Weiterentwicklung spendiert bekommen haben, obwohl sie wichtig sind.

Die Schauspieler machen ihre Sache stark. Marco D´Amore findet erneut die perfekte Mischung aus harter Schale und weichem Kern, kann wie Fortunato Cerlino mit einem Gesichtsausdruck viel aussagen. Beide, aber auch Salvatore Esposito zeigen vielschichtige, erstklassige Performances. In den Nebenrollen begeistert Cristiana Dell’Anna mit einer beeindruckenden Leistung als Patrizia, die die Mafia-Welt erstmals betritt und sich gegen die vielen Männer behaupten muss. Auch Cristina Donadio als Patriarchin Scianel zeigt hohe schauspielerische Kunst. Die anderen Darsteller fügen sich nahtlos in die Serie und ihre Rollen ein.

Bild:

Die Blu-ray Umsetzung ist gut. Das Bild hat immer wieder schwache Momente, in denen es kriselt, flackert und grobkörnig daherkommt, ist dafür aber in nahezu allen Szenen gestochen scharf.

Ton:

Für den Ton gilt dies in besonderem Maße. Er ist laut und deutlich im DTS-HD-Master-5.1-Format abgemischt und bietet einen exzellenten Klang voller Details.

Extras:

Die Extras sind im Gegensatz zur ersten Staffel eine herbe Enttäuschung. Mit 45 Minuten ist die Laufzeit zwar angemessen. Die Qualität allerdings nicht. Ein knapp siebenundzwanzig Minuten lange „Behind the Scenes“ erweist sich als Mogelpackung. Es ist lediglich ein einfaches B-Roll. Die Interviews, Trailer und Ansagesprüche für Sky Atlantic HD liefern ebenfalls nur sehr wenige Informationen. So fällt das Bonusmaterial sowohl qualitativ, als auch quantitativ weit hinter das der ersten Staffel zurück.

 

Blu-ray Wertung
  • 9/10
    Serie - 9/10
  • 7/10
    Bild - 7/10
  • 8/10
    Ton - 8/10
  • 3/10
    Extras - 3/10
8.1/10

Kurzfassung

Auch die zweite Staffel der komplexen Mafiaserie überzeugt mit großartigen cineastischen Aufnahmen der tristen Originalschauplätze Neapels.

Fazit:

Herausragende zweite Staffel der Ausnahmeserie mit großartigen cineastischen Aufnahmen der tristen Originalschauplätze Neapels, atmosphärisch dichter Musikuntermalung, einem exzellent spielenden Cast und einer interessant weitergesponnenen Geschichte. Sehenswert!


von Stefan Bröhl

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