Gloria – Das Leben wartet nicht – Blu-ray Kritik: Gelungenes Remake

Ein Straßenkünstler erregt Glorias (Julianne Moore) Aufmerksamkeit
Ein Straßenkünstler erregt Glorias (Julianne Moore) Aufmerksamkeit © SquareOne Entertainment / capelight pictures

Die Kritik:

Gloria - Das Leben wartet nicht - Blu-ray Cove
Gloria – Das Leben wartet nicht – Blu-ray Cover © SquareOne Entertainment / capelight pictures

Man mag von amerikanisierten Remakes, die vom gleichen Regisseur wie das Original umgesetzt wurden, halten was man will, Sebastián Lelio ist mit „Gloria“ jedoch ein Glücksgriff gelungen. Der Chilene, der vor zwei Jahren für „Eine fantastische Frau“ mit dem Oscar für den besten nicht-englischsprachigen Film ausgezeichnet wurde, adaptiert sein 2013 erschienenes Original zwar ohne große Änderungen neu, hat mit Julianne Moore aber ein fabelhaftes Ass im Ärmel. Die großartige Aktrice und Oscar-Gewinnerin glänzt hier in einer wunderbar facetten- und nuancenreichen Rolle einer alleinstehenden Frau in den mittleren Jahren, die sich durch alltägliche Herausforderungen ihres Lebens navigieren muss und nach der Liebe sucht. Moore fasziniert in dieser stillen und luftigen Charakterstudie, in der zwar nicht viel passiert, aber ganz fein und menschlich von Lelio beobachtet wird.

Gloria (Julianne Moore) ist seit 12 Jahren von ihrem Mann Dustin (Brad Garrett) geschieden. Sie hat zwei Kinder, die Yoga-Lehrerin Anne (Caren Pistorius) und Peter (Michael Cera), der gerade auf sein Baby aufpasst, da seine Frau beruflich unterwegs ist. Gloria steht zwar stabil in ihrem monotonen Bürojob, jedoch ist sie auf einer nicht endenden Suche nach Liebe. Dafür treibt sie sich in Nachtclubs herum, wo sie eines Tages schließlich auf den ebenfalls geschiedenen Arnold (John Turturro) trifft. Die gegenseitige Anziehungskraft ist groß und schnell beginnen die Beiden eine scheinbar harmonische und erfüllte Beziehung. Doch der schüchterne Ex-Marine Arnold ist erst seit einem Jahr von seiner Frau getrennt und erhält immer wieder Anrufe seiner beiden Töchter, die nicht so sicher im Leben stehen wie Glorias Kinder. Schien zunächst alles beinahe zu schön, um wahr zu sein, wird Gloria bewusst, dass sie nicht wirklich auf den rückgratlosen und unzuverlässigen Arnold bauen kann…

 Gloria (Julianne Moore)
Gloria (Julianne Moore) © SquareOne Entertainment / capelight pictures

Ganz klar: „Gloria“ ist vor allem dank Julianne Moores brillanter Performance sehenswert, die den Film trägt und mit einem Blick mehr als mit 1000 Worten sagt. Komplementiert wird sie von einem kaum minder beeindruckenden John Turturro, der erneut beweist, dass er zu den besten Charakterdarstellern Amerikas der letzten Jahrzehnte gehört. Lelio gibt seinen präzise und lebensnah gezeichneten Figuren jede Menge Zeit und Raum, um zu atmen und sich gebührend zu entfalten. Immer wieder folgt er seiner in jedem Bild präsenten Titelfigur in ihrem Alltag und erschafft mittels zahlreicher Vignetten eine klar nachvollziehbare Lebenswelt, ohne viele Worte zu benötigen. Wir sehen Gloria beim Yoga, bei einem Lachkurs oder immer wieder einfach beim Autofahren, wo sie zu kitschigen Popsongs von Air Supply, Olivia Newton-John oder Bonnie Tyler mitsingt. Natürlich beobachten wir sie auch mehrfach auf den bunt beleuchteten Tanzflächen von den Nachtclubs L.A.s, völlig befreit und auf der Suche nach dem passenden Mann. Ihre Einsamkeit kommt zum Vorschein, ohne aber zu traurig oder trist daherzukommen, vor allem wirkt „Gloria“ einfach echt, wunderbar natürlich und lebensnah.

Arnold (John Turturro) und Gloria (Julianne Moore) versuchen es mit einem romantischen Wochenende in Las Vegas
Arnold (John Turturro) und Gloria (Julianne Moore) versuchen es mit einem romantischen Wochenende in Las Vegas © SquareOne Entertainment / capelight pictures

Lelio hat ein hervorragendes Händchen für die präzise Beobachtung menschlicher Interaktion. So gut er ein starkes Lebensgefühl für seine Hauptfigur vermitteln kann, ebenso faszinierend ist auch sein Gespür für menschliche Anziehungskraft. Gerade das erste Aufeinandertreffen von Moore und Turturro im Club ist elektrisierend und magnetisch, man spürt förmlich die erotische Spannung zwischen den beiden Figuren, die sich dann auch in wunderbar natürlichen und freizügigen Liebesszenen entlädt. Ihr Zusammensein, ihre Verliebtheit und aufgeladenen Blicke kommen immer wieder stark zur Geltung. Dann ist aber auch eine Szene, bei der Gloria ihren neuen Freund Arnold der Familie – unter anderem auch ihrem Ex-Mann – vorstellt und dabei ein brillant beobachtetes unangenehmes Szenario, wie es im Buche steht, offenbart wird.

Es knistert zwischen Gloria (Julianne Moore) und Arnold (John Turturro)
Es knistert zwischen Gloria (Julianne Moore) und Arnold (John Turturro) © SquareOne Entertainment / capelight pictures

Lelio verzichtet auf dramaturgisches Feuerwerk und setzt auf Zurückhaltung. Er zelebriert seine Titelfigur und lässt sie nach mehreren Aufs und Abs schließlich auf zutiefst kathartische und überraschend komische Art triumphieren. So erweist sich „Gloria“ als erhebender Film, der nicht nur bei Frauen in ähnlicher Situation enorm großes Identifikationspotential bietet.

Bild:

Der von Natasha Braier („The Neon Demon“) digital auf Arri Alexa aufgezeichnete Film überzeugt auf visueller Ebene mit Natürlichkeit und einer ausgeprägten Farbpalette mit besonders ausgeprägtem Einsatz von Neon- und Pastelltönen. In Sachen Kontrast und Schwarzwerte präsentiert sich „Gloria“ eher weicher, aber dennoch sehr ansehnlich. Besonders überzeugend ist der nahezu durchweg hohe Schärfe- und Detailumfang. Wirkliche Schwächen leistet sich der Transfer dankbarerweise nicht.

Ton:

Durch häufigen Einsatz diverser Popsongs liefert die 5.1 DTS-HD Tonspur sowohl auf Deutsch als auch im Original zahlreiche Möglichkeiten, um räumlich zu glänzen. Gerade in diesem Bereich kommen die Surround-Sprecher regelmäßig und wirkungsvoll zum Einsatz, aber auch darüber hinaus wird dank subtiler Umgebungsgeräusche für Atmosphäre gesorgt. In den Clubszenen darf auch der Subwoofer immer mal wieder wuchtig ran. Stimmen und Dialoge sind klar priorisiert und bestens verständlich.

Extras:

Das Bonusmaterial fällt quantitativ mit lediglich einem Interview, eine Featurette und Trailern eher dürftig aus. Dennoch überzeugen die beiden etwa zehnminütigen Extras mit kurzweilig und informativ zusammengestelltem Inhalt über die Hintergründe der Produktion.
• Interview mit Sebastián Lelio und Julianne Moore (09:57 Min.)
• Featurette „Eine fantastische Frau“ (10:28 Min.)
• Kinotrailer (02:15 Min.)
• Filmtipps

Blu-ray Wertung
  • 7.5/10
    Film - 7.5/10
  • 8.5/10
    Bild - 8.5/10
  • 9/10
    Ton - 9/10
  • 4/10
    Extras - 4/10
7.3/10

Kurzfassung

Ein gelungenes und lohnendes Remake

Fazit:

Sebstián Lelio gelingt eine präzise beobachtete und bittersüße Charakterstudie einer Frau in den mittleren Jahren auf der Suche nach Liebe, die brillant von der fabelhaften Julianne Moore getragen wird. Ein gelungenes und lohnendes Remake!


von Florian Hoffmann

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