Edison – Ein Leben voller Licht: monumentale Geschichte um den Stromkrieg

Thomas Edison (Benedict Cumberbatch), einer der genialsten Erfinder aller Zeiten
Thomas Edison (Benedict Cumberbatch), einer der genialsten Erfinder aller Zeiten © Leonine

Die Kritik:

Edison - Ein Leben voller Licht - Blu-ray
Edison – Ein Leben voller Licht – Blu-ray © Concorde Home Entertainment

Nur wenige Filme hatten in den letzten Jahren wohl derartiges Pech wie „The Current War“, der nun nach zahlreichen Verspätungen in Deutschland unter dem arg plakativen Titel „Edison – Ein Leben voller Licht“ erschienen ist. Als jahrelang recherchiertes Projekt von Autor Michael Mitnick im Jahr 2008 vollendet, ging der Stoff durch mehrere Hände (u.a. Ben Stiller), bis er schließlich an Regisseur Alfonso Gomez-Rejon ging. Der ehemalige persönliche Assistent von Martin Scorsese, der später bei zahlreichen Filmen als Second Unit Regisseur fungierte und schließlich mit diversen Folgen von „American Horror Story“ und vor allem der Tragikomödie „Ich und Earl und das Mädchen“ positiv auffiel, erlebte nach Fertigstellung des Films einen kreativen und persönlichen Albtraum: Nachdem eine nach eigenen Aussagen noch nicht vollendete Version des Films 2017 bei den Festspielen von Toronto von der Kritik verrissen wurde, war „The Current War“ der unglückliche letzte Film, der von der Weinstein Company produziert wurde. So verhinderte der groß publizierte Skandal um den großen New Yorker Filmmogul eine Veröffentlichung des Prestigeprojekts im Herbst 2017, mit der man zuvor noch auf die Oscars im folgenden Jahr schielte.

War Weinstein nach dem Debakel von Toronto zuletzt selbst noch am Schnitt beschäftigt, erhielt Gomez-Rejon nach der Akquirierung des Films durch Lantern Entertainment die Chance für eine Million Dollar seine eigene Schnittfassung herzustellen. Dieser nun im Vergleich zum berüchtigten Toronto-Schnitt zehn Minuten kürzere Director’s Cut erschien bereits 2019 in den USA und zahlreichen anderen Ländern, aber erst dieses krisengeplagte Jahr in Deutschland.

Doch nun zum Film selbst: „Edison“ thematisiert den Stromkrieg Ende des 19. Jahrhunderts, bei dem sich der große amerikanische Erfinder Thomas Alva Edison (Benedict Cumberbatch) und der Erfinder und Großindustrielle George Westinghouse (Michael Shannon) gegenüberstehen. Hierbei geht es um nichts Geringeres als die Entscheidung, mit welcher Technik die Vereinigten Staaten großflächig elektronisch versorgt werden sollte. Stand Edison für den teureren und aufwändigeren Gleichstrom, favorisierte Westinghouse den reichweitengrößeren Wechselstrom. Wesentliches Element des Streits ist der Sicherheitsaspekt, den Edison mit großer Akribie mit seinem Gleichstromkonzept im Gegensatz zum Wechselstrom gewährleisten kann. Um mit aller Gewalt diesen Krieg zu gewinnen, schreckt der erfolgsbesessene Edison schließlich auch nicht vor einer Schmutzkampagne gegen seinen Konkurrenten zurück, dem es kaum gelingt die Machtposition von Edison zu schwächen. Alles läuft auf eine Entscheidung bei der Chicagoer Weltausstellung im Jahr 1893 hinaus…

Thomas Edison (Benedict Cumberbatch)
Thomas Edison (Benedict Cumberbatch) © LEONINE

Die Thematik von „Edison“ ist eigentlich derart monumental, dass ein einziger Film ihr kaum gerecht werden kann. Und in der Tat gelingt es Gomez-Rejon immer nur in Ansätzen, zum einen die Komplexität und Wichtigkeit des Stromkriegs, zum anderen auch die dahinterstehenden großen Persönlichkeiten mit aller Dreidimensionalität zu erfassen. In nahezu atemlosem und passend energiereichem Tempo hetzt der Film durch die Jahre, führt gerade zu Beginn im Minutentakt Figuren mit Texttafeln ein und deckt am Ende die Entwicklungen mehrerer Jahrzehnte ab. Dass Figuren bei einer doch überraschend kompakten Laufzeit von nur 102 Minuten zu kurz kommen, ist da eigentlich fast unvermeidlich. Insbesondere der immer wieder missverstandene und historisch ungerechtfertigterweise häufig klein gehaltene Nikola Tesla (Nicholas Hoult) erscheint hier als Randfigur, die zunächst als serbischer Immigrant bei Edison Arbeit findet und später zu Westinghouses Konkurrenz überwandert.

Im Fokus des Films stehen ganz klar die Persönlichkeiten Edison und Westinghouse sowie ihr jahrzehntelanger ideologischer Konflikt. Alles beginnt im Jahr 1880 mit der meilensteinartigen Erfindung der langlebigen Glühlampe durch Edison, was ihn schließlich in Kontakt mit dem mächtigen Bankier J. P. Morgan (Matthew Macfadyen) bringt, der mit der Elektrifizierung ein großes Geschäft wittert. In der Folge arbeitet der Film zwei starke und sehr unterschiedliche Persönlichkeiten heraus: Zum einen ist da der Erfinderstar Thomas Edison, der mit nahezu wahnhafter Besessenheit an seinen Projekten arbeitet und dabei seine Familie um seine Ehefrau Mary (Tuppence Middleton) zunehmend vernachlässigt. Zugleich ist er ein Mann, der klare Werte verfolgt, so verzichtet er auf lukrative Angebote der Regierung, um Waffen zu bauen, da er mit seinen Erfindungen Menschen kein Leid zuführen möchte. Entsprechend groß ist dann die Rolle des potentiell gefährlichen Wechselstroms, die hier immer wieder herausgearbeitet wird. Doch Edison wird wahrlich nicht als typischer Held charakterisiert, denn er scheint besessen von seinem eigenen Genie und der Idee, dass nur er alleine die Fähigkeiten besitzt, um die richtigen visionären Entscheidungen zu treffen.

Thomas Edison (Benedict Cumberbatch), einer der genialsten Erfinder aller Zeiten
Thomas Edison (Benedict Cumberbatch), einer der genialsten Erfinder aller Zeiten © Leonine

Im Gegensatz dazu steht der weit bodenständigere, vernünftigere und rationalere George Westinghouse. Nicht nur ist er der bessere, da besonnenere Geschäftsmann, der seine Angestellten besser behandelt und ein ausgewogenes Verhältnis mit seiner Frau Marguerite (Katherine Waterston) führt, er ist auch weniger an Berühmtheit interessiert als sein Konterpart. Westinghouse glaubt tatsächlich eher an eine früchtetragende Zusammenarbeit als an die von Edison propagierte egozentrische Herangehensweise. Dennoch muss man betonen, dass es Gomez-Rejon konstant gelingt, subtile Zwischentöne zu treffen, dass beide Figuren von simpler Schwarzweiß-Zeichnung weit entfernt sind. Schauspielerisch bewegt man sich hier auf erwartbar gutem Niveau, wobei vor allem der angenehm zurückhaltende und ungewöhnlich sympathische Michael Shannon für interessante Akzente sorgt. Die peripheren Figuren erhalten hier nur wenig Platz zur Entfaltung: Tuppence Middleton und Katherine Waterston überzeugen zwar mit ihrer gegebenen Präsenz, sind aber beide nicht viel mehr wie als die archetypischen unterstützenden Ehefrauen. Tom Holland, der Edisons Assistenten Sam Insull spielt, hat hier schon mehr zu tun, während Nicholas Hoult als Nikola Tesla eine gute Figur macht, von der man gerne noch viel mehr sehen würde.

Ist der Beginn des Films mit seiner Sprunghaftigkeit noch ein gutes Stück desorientierend (ein gewisses Vorwissen zum Stromkrieg ist auf jeden Fall empfehlenswert), findet der Film jedoch zudem zu sich und der klaren Destillation des Kernkonflikts. Über weite Strecken ist „Edison“ dann eben nicht das befürchtete Debakel, sondern ein hochkarätig produzierter, unterhaltsamer, weitestgehend informativer und sehr gut gespielter Film, der die anfängliche Schelte kaum verdient hat.

Marguerite Westinghouse (Katherine Waterston)
Edison: Marguerite Westinghouse (Katherine Waterston) © LEONINE

Gomez-Rejons Leidenschaft zum Thema und seine Liebe zum Detail sind zu jedem Moment spürbar, sodass sich der doch recht eigenwillige Film weit entfernt von einem anonymen Prestigefilm bewegt. Man kann Gomez-Rejon fast schon dafür rügen, dass er und sein talentierter Kameramann Chung-hoon Chung („Oldboy“, „Stoker“, „Es“) nahezu übermotiviert an die Sache herangehen, denn stilistisch fahren die beiden hier nahezu alle Tricks auf, die das Filmhandbuch hergeben. Das ist oft tatsächlich faszinierend anzusehen, einige Male jedoch aber auch seltsam deplatziert und irritierend. So sind es der Einsatz ungewöhnlich weitwinklinger Objektive, schräger oder versetzter Kameraperspektiven, entfesselter Kamerafahrten, teils dreifacher Splitscreens und sehr dynamischer Schnittübergänge, die aus „Edison“ mindestens einen erfindungsreich und mutig gestalteten Film machen. Diese expressive Herangehensweise mag zwar manchmal etwas bemüht und aufmerksamkeitshaschend wirken, oftmals ist sie aber auch hochgradig inspiriert und inhaltliche Aussagen und Bedeutungen filmisch eindrucksvoll betonend. Überhaupt ist der vom zweifachen Oscar-nominierten Jan Roelfs ausgestattete „Edison“ ein fabelhaft gestalteter Film in malerischem Licht, der dem Auge schmeichelt und seine Zeit detailfreudig und lebendig wiedergibt.

Was ist also von „Edison“ zu halten? Als größten Kritikpunkt könnte man festhalten, dass Gomez-Rejon zwar einfühlsam und intelligent, aber doch ein Stück oberflächlich an die Sache herangeht. Das ist dann oft erhellend, aber oft eben auch nicht tiefschürfend genug. Man hat also das frustrierende Gefühl, einen hochkarätigen Film zu sehen, der seine Möglichkeiten immer wieder nur andeutet und selten komplett ausreizt, um ein wirklich vollends erfüllendes Bild dieser faszinierenden Geschichte zu zeichnen. Dennoch: „Edison – Ein Leben voller Licht“ ist ein interessanter und sehenswerter Film, der deutlich besser ist als sein Ruf.

Edison: George und Marguerite Westinghouse (Michael Shannon und Katherine Waterston)
Edison: George und Marguerite Westinghouse (Michael Shannon und Katherine Waterston) © LEONINE

Bild:

Wie bereits erwähnt, ist „Edison“ ein wunderbar gestalteter Film, der auch entsprechend auf Blu-ray erstrahlen kann. Der auf Arri Alexa XT Plus aufgezeichnete Film strahlt eine große Wärme aus, was sich in der größtenteils erdigen Farbpalette wiederspiegelt. Kontraste und Schwarzwerte sind mit wenigen Ausnahmen auf sehr hohem Niveau. Besonders stechen die hervorragenden Schärfe- und Detailwerte hervor, die gerade in Großaufnahmen von Gesichtern und Texturen zu glänzen wissen. Digitales Rauschen kommt nur selten vor, weshalb hier kaum Anlass für Kritik geschaffen werden kann.

Ton:

Bestechende technische Werte liefert auch die akustische Umsetzung der Blu-ray. Die effektreiche DTS-HD MA Tonspur begeistert durch einen hohen Dynamikumfang mit zahlreichen Höhen und Tiefen. Ebenso überzeugend ist die sehr atmosphärische Surroundgestaltung, die auf den umliegenden Kanälen für viel Bewegung sorgt. Stimmen und Dialoge ertönen in bester Verständlichkeit und Klarheit.

Extras:

Als Bonusmaterial wird leider lediglich eine Trailershow geboten.

Blu-ray Wertung
  • 7/10
    Film - 7/10
  • 9/10
    Bild - 9/10
  • 9/10
    Ton - 9/10
  • 1/10
    Extras - 1/10
7/10

Kurzfassung

Interessanter und sehenswerter Film.

Fazit:

„Edison – Ein Leben voller Licht“ ist ein hochkarätig produzierter, visuell einfallsreicher und fabelhaft gestalteter, unterhaltsamer und energiereicher sowie sehr gut gespielter Film, der die monumentale Geschichte um den Stromkrieg Ende des 19. Jahrhunderts greifbar macht. Dennoch hat man oft das Gefühl, dass aus diesem Material noch mehr herauszuholen war, wodurch man teils beglückt und teils frustriert zurückbleibt.


von Florian Hoffmann

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