Dinner in America – Indie-Kino vom Feinsten

Dinner in America - Emily Skeggs und Kyle Gallner
Dinner in America - Emily Skeggs und Kyle Gallner © Koch Films

Die Kritik:

Häufig hinterlassen gerade jene Filme den größten Eindruck, die, rein monetär betrachtet, unter den schwierigsten Voraussetzungen verwirklicht wurden. Man denke an Filme wie „After Midnight“ von Jeremy Gardner oder auch Junta Yamaguchis „Beyond the Infinite Two Minutes“. Wie letzterer debütierte auch Adam Rehmeiers „Dinner in America“ in Deutschland auf dem Fantasy Filmfest – wenn auch ein Jahr früher. Dass Filme wie diese in Deutschland auch zunehmend außerhalb von Festivals ihren Platz finden, ist sowohl lobenswert als auch schlicht und ergreifend folgerichtig, schließlich haben wir es bei den oben genannten Filmen mit drei der wohl besten Filmen der vergangenen fünf Jahre zu tun.

Dinner in America - Blu-ray
Dinner in America – Blu-ray © Koch Films

Aufgrund weniger zur Verfügung stehender Mittel sind Filmschaffende wie Gardner, Yamaguchi oder Rehmeier nicht immer in der Lage, einfache Lösungen für komplizierte Probleme anwenden zu können. Dafür haben sie aber die Gewissheit, ihre Vision umsetzen zu können, ohne dass ihnen von den Produzent*innen zu groß ins Wort gefallen wird. Im Falle von „Dinner in America“ hat es trotz eines fertigen Drehbuchs, vorrangig aufgrund einer langen Produzent*innen-Suche, mehrere Jahre gedauert, bis der Film endlich verwirklicht werden konnte. Doch was dabei herauskam, war die Wartezeit allemal wert.

Knapp bei Kasse und auf der Flucht vor der Polizei begegnet der Punk-Rocker Simon (Kyle Gallner), bekannt unter seinem Skimaske tragenden Alter Ego ‚John Q‘, der sehr unbeholfenen Patty (Emily Skeggs) und kommt kurzerhand bei ihrer Familie unter. Dass seine unbeholfene Gastgeberin riesiger Verehrer von ihm und seiner Band ‚Psyops‘ ist, stellt die Situation auf den Kopf. Unwissend, um wen es sich bei Simon wirklich handelt, beginnt sich Patty langsam in den rebellischen jungen Mann zu verlieben…

Mit einem durch viele Szenenwechsel sehr rasanten Tempo und trotzdem nötigem Feingefühl erzählt Rehmeier von zwei Personen ohne festen Platz in der Welt, die voneinander zu lernen beginnen und sich gegenseitig annähern. So beginnt Patty sich durch die Hilfe von Simon erstmals denjenigen zu stellen, die sie jahrelang auf übelste Art und Weise gehänselt haben, während er zum ersten Mal eine gewisse Familienzugehörigkeit verspürt.

Dinner in America - Hannah Marks
Dinner in America – Emily Skeggs © Koch Films

Das alles ist ebenso unterhaltsam wie bewegend, was insbesondere an der großartigen Dynamik zwischen Simon und Patty liegt. Besonders Kyle Gallner („American Sniper“) kann schauspielerisch in den Momenten glänzen, in denen Simon sich öffnet, er Patty verteidigt und ihr gegenüber Gefühle zeigt – selbst wenn das mal nur heißt, dass man zwei Jungs ihrer Kleidung entledigt und nackt zurücklässt. Durch die Anziehung beider Einzelgänger geht einem unweigerlich das Herz auf. Patty wünscht man von Anfang an nur das Beste, von Simon hätte man gar nicht zwingend erwartet, dass er auch eine so gefühlvolle Art Mensch sein kann.

Rehmeier spielt zudem stets mit Klischees, der Erwartungshaltung und den Vorurteilen seiner Zuschauer*innen, besonders wenn es um den Ursprung seiner Figuren geht. Er ist sich auch nicht zu fein, unter anderem Rassismus in privilegierten Haushalten zu zeigen, klarzumachen, dass falsches Verhalten auch da stattfindet, wo man es aufgrund des äußeren Erscheinungsbildes nicht direkt vermuten würde. Immer wieder drängt sich diese Art Sozialkritik in den Vordergrund, dem Publikum einen Spiegel vorhaltend und für ein gesunderes Miteinander plädierend.

Dinner in America - Konzert
Dinner in America – Konzert © Koch Films

So ist „Dinner in America“ im Endeffekt ein wirklich schöner, wenn auch die Gesellschaft kritisch beäugender Film, bei dem der Spagat zwischen Liebesgeschichte und unterhaltsamen Rebellen-Dasein jederzeit gelingt. Durch einen körnigen Look und stimmigen Soundtrack hat es Rehmeier geschafft, seine Punk-Ästhetik auch audiovisuell voll auszuschöpfen, ist aber zeitgleich wach genug, um das rebellische Verhalten von insbesondere Simon am Ende nicht glorifizieren oder rechtfertigen zu wollen.

Bild:

Das Bild weist keine Mängel auf, ist allerdings gewollt sehr grobkörnig und könnte dadurch der ein oder anderen Person durchaus eher weniger zusagen. Die Kameraarbeit ist leicht überdurchschnittlich und weiß besonders bei Totalen zu überzeugen.

Ton:

Der Ton ist jederzeit klar und weist keinerlei Mängel auf. Der Soundtrack ist stimmig und hat Ohrwurm-Potenzial.

Extras:

Mit zwei ausführlichen und aufschlussreichen Q&As sowie einem Audiokommentar mit unter anderem dem Regisseur Adam Rehmeier selbst, ist die Blu-ray von „Dinner in America“ im Hinblick auf das Bonusmaterial sehr gut bestückt.

Blu-ray Wertung
  • 10/10
    Film - 10/10
  • 8/10
    Bild - 8/10
  • 8.5/10
    Ton - 8.5/10
  • 8/10
    Extras - 8/10
9.5/10

Kurzfassung

Ein Meisterwerk des modernen Indie-Kinos.

Fazit:

Uns den Spiegel vorhaltend, liefert Adam Rehmeier hier mehr als nur ein Meisterwerk des modernen Indie-Kinos ab. Die von ihm geschaffenen Figuren bleiben, nicht zuletzt dank der hervorragenden Darbietungen des Casts, im Kopf und leben dort weiter, sorgen dafür, dass man den Film am liebsten gleich ein zweites, drittes und viertes Mal gucken möchte, um bloß nicht dieses wohlige Gefühl loszuwerden, dass man spätestens dann verspürt, wenn Patty in ihrer unschuldigen und doch leicht frechen Stimme die Worte „F*ck the rest of them; F*ck ´em all; F*ck ´em all, but us“ singt. Für einen Moment bleibt während der Performance des grandiosen „Watermelon Song“ für sie und Simon die Zeit stehen – und so auch für uns.


von Tim Gertz

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