Die üblichen Verdächtigen: Blu-ray Kritik zum Kult-Thriller

Die üblichen Verdächtigen - Teaser
Die üblichen Verdächtigen - Teaser © Paramount Pictures

Die Kritik:

Die üblichen Verdächtigen - Blu-ray
Die üblichen Verdächtigen – Blu-ray © Paramount Pictures

„Die üblichen Verdächtigen“ ist ein absoluter Klassiker! Und als ein solcher wurde im Laufe der Zeit in der Filmkritik schon so ziemlich alles über ihn ausgiebig gesagt. Die unvergleichliche Neo-Noir-Atmosphäre, das brillante Ende, die ikonischen Bilder, das nuancierte Schauspiel, das geniale Drehbuch … Diese Liste kann man noch so lange fortführen. Doch zu welchem Zweck? All das gibt es bereits in zeitgenössischen Kritiken ausgiebig zu lesen. In der Moderne jedoch werden solche Meisterwerke einer Meinung nach oftmals zu oberflächlich abgehandelt. Zu schnell verfällt man in ein Stadium des undifferenzierten Dauerlobs. Wirklich neue Aspekte werden den Filmen kaum noch abgewonnen. Sicherlich liegt das zumindest in Teilen daran, dass eben die meisten dieser Filme zur Genüge besprochen wurden. Deswegen will ich mich hier mehr auf einen einzigen Aspekt fokussieren, der mir in diesem Fall oftmals etwas zu sehr unter den Tisch fällt und zwar wie „Die üblichen Verdächtigen“ sein Publikum manipuliert. Im Übrigen empfehle ich vor dem Lesen dieser Kritik den Film bereits gesehen zu haben, auch wenn ich hier im Grunde genommen keine Spoiler erwähne. Die bestmögliche Erfahrung liefert der Film jedoch ab, wenn man so wenig wie möglich über ihn weiß.

Also wie werden gelingt dem Film dies? Natürlich ergibt sich diese Manipulation auf mehreren Ebenen, angefangen bei den Einführungen der Charaktere. Hier wird bereits die Rollenverteilung zumindest unterbewusst klargestellt, was den Rest des Films dominieren wird. Die Antwort auf die großen Fragen des Films hätte ohne diese nicht die gleiche Wirkung. Doch beginnt das eigentliche Spiel bereits mit der ersten Szene, die im Grunde genommen bereits die wichtigsten dieser Fragen aufwirft. Dabei weiß das Drehbuch von Chris McQuarrie, der später mit Mission Impossible 5 und 6 auch als Regisseur großen Erfolg feiern sollte, ein tolles Tempo auf, in welches wir mit zusätzlichen Informationen versorgt werden. Mit jeder neuen stellen wir eine weitere Verbindung her, weshalb man uns selbst einlädt, mit zu rätseln. Doch verrät man uns eben nie zu viel. Die endgültige Antwort wirkt zum Greifen nah und doch so unerreichbar für lange Zeit. Genauso reißt man uns mit und wir sind zu jeder Sekunde voll dabei, werden aber auch anfällig für Manipulation. Die gesamte Seherfahrung fällt so zugleich aber ungemein befriedigend aus. Die Enthüllung wird dabei genau so platziert, dass sich die volle Wucht des gerade Erlebten sowohl für uns als auch die Figuren voll entfalten kann. Auf inszenatorischer Ebene ist diese Szene ein Geniestreich. Die gesamte Kraft der Situation entlädt sich hier in einem langsamen Spannungsaufbau bis zur endgültigen Gewissheit.

Gabriel Byrne in Die üblichen Verdächtigen
Gabriel Byrne in Die üblichen Verdächtigen © Paramount Pictures

Dabei ist es unentbehrlich, dass man uns an die Figuren bindet. Diese werden hier zu jeder Sekunde herausgefordert und noch wichtiger, sie werden genauso an der Nase herumgeführt wie wir. Sie sind in diesem Spiel genauso gefangen. So erzählt man bis zu einem gewissen Grad aus ihrer Perspektive und doch auch wieder nicht zu sehr. Er verschweigt uns gewisses und macht sie dabei macht gerade menschlich genug, um mit ihnen zu fiebern. Doch können wir uns um versteckte Motive nie ganz sicher sein. Wir können nie wissen, wer etwas verschweigt, wer uns belügt. Dass wir ihre Perspektive einnehmen bindet uns an die Charaktere, dass wir diese dennoch nie so ganz ihre einnehmen macht uns für weitere Manipulation angreifbar.

Die Kamera bleibt dabei meist nah an den Akteuren. Ein Gefühl der Vertrautheit, der Intimität kommt so auf. Es sind Gefühle, die der Film erneut weiß, für sich auszunutzen. So führt man uns ständig an der Nase herum. Wir zweifeln an unserer eigenen Wahrnehmung. Wir zweifeln an der hier erschaffenen Realität. Selbst im Finale verunsichert man uns erneut bis die eigentliche Antwort uns wie ein Schlag in den Magen trifft. Denn die eigentliche Antwort war die ganze Zeit vor unserer Nase, wir wurden nur manipuliert, um diese nicht zu erkennen.

Benicio Del Toro in Die üblichen Verdächtigen
Benicio Del Toro in Die üblichen Verdächtigen © Paramount Pictures

(Im Übrigen wäre es in meinen Augen falsch trotz der Kontroverse, die Kevin Spacey und Bryan Singer im Kontext von sexuellem Missbrauch umgibt, diesen Film und auch andere von und mit ihnen nicht mehr zu schauen. Ein Film ist ein riesiges Projekt mit unzähligen Beteiligten, die es nicht verdient haben, dass ihre Kunst wegen zwei Individuen nicht mehr genossen wird. Zudem steht das Werk selbst auch immer unabhängig von seinen Schöpfern auf eigenen Beinen. Aber das ist nur meine kurze Meinung als Mann.)

Bild:

Bei Klassikern kommt ja immer noch einmal die Überlegung auf, ob es sich lohnt diese noch einmal auf Blu-ray zu kaufen, gerade wenn man vielleicht schon die DVD erworben hat, gerade weil einige Klassiker auf Blu-ray schon eher befremdlich wirken. Dennoch ist die Restauration auch auf visueller Ebene äußerst gelungen. Die stimmungsvollen Bilder wurden aufwändig restauriert. Insgesamt also eine eindeutige Empfehlung, letztlich muss aber natürlich jeder für sich selbst entscheiden.

Ton:

Für die Blu-ray gewohnt befindet man sich hier wie üblich auf hohem Niveau. Der stimmungsvolle Soundtrack wurde mit den großartigen Dialogen wieder einmal passend abgemischt, weshalb auf akustischer Ebene einem einwandfreien Erlebnis nichts im Wege steht.

Extras:

Es ist keinerlei Zusatzmaterial vorhanden.

Blu-ray Wertung
  • 10/10
    Film - 10/10
  • 8/10
    Bild - 8/10
  • 8/10
    Ton - 8/10
8.5/10

Kurzfassung

Man wird meisterhaft an der Nase herumgeführt.

Fazit:

„Die üblichen Verdächtigen“ ist eine Demonstration für die Macht des Kinos. Alle Möglichkeiten des Mediums arbeiten hier nahtlos miteinander zusammen, um uns alle an der Nase herumzuführen. Genau wie die Figuren hält man uns in diesem so brillant orchestrierten Spiel gefangen, während wir die hier aufgebaute Welt mit zunehmender Laufzeit hinterfragen. Mit einer solchen Wirkung arbeitet nur das Kino. Einer meiner absoluten Lieblingsfilme!


von Sebastian Stegbauer

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