Die perfekte Kandidatin – Blu-ray Kritik: authentischer gesellschaftskritischer Blick

Die junge Ärztin Maryam (Mila Al Zahrani) präsentiert sich als neue Kandidatin für den Gemeinderat.
Die junge Ärztin Maryam (Mila Al Zahrani) präsentiert sich als neue Kandidatin für den Gemeinderat. © Neue Visionen Filmverleih

Die Kritik:

Die perfekte Kandidatin - Blu-ray
Die perfekte Kandidatin – Blu-ray © Neue Visionen

Die Gesellschaft in Saudi Arabien befindet sich seit einigen Jahren in starkem Wandel. Zwar prägen außenpolitisch und medial gesehen, Vorfälle wie die Ermordung des Journalisten Khashoggi, Menschenrechtsverletzungen, Ölförderungen sowie Vorwürfe der Terrorismusfinanzierung das Bild des Landes. U.a. aufgrund der recht inaktiven Filmindustrie (lange Zeit waren Kinos verboten) erhält man beispielsweise äußerst selten Alltagsgeschichten der Bürger, sodass für Europäer das Land in seiner Außendarstellung äußerst isoliert da steht. Regisseurin Haifaa Al-Mansour gewährte mit ihrem Film „Die Perfekte Kandidatin“ einen solchen Blick in den Alltag der Menschen Saudi Arabiens. Hierbei erzählt sie die Geschichte der jungen Ärztin Maryam sowie ihren Herausforderungen und Hürden im Alltag in einem patriarchalischen und ultrakonservativen islamischen Land. Dabei behandelt der Film insbesondere ihre Kandidatur für den Gemeinderat zur Befestigung der Straße, die zu ihrer Klinik führt. Es ist eine simple Geschichte, die schnörkellos, mit Humor, Authentizität und dem Blick für das Wesentliche erzählt wird und eine wohl dosierte, aber effiziente Portion Gesellschaftskritik beinhaltet.

Der Film zeichnet sich durch eine gewisse Leichtigkeit aus. Es ist nicht das niederschmetternde Sozialdrama, dass den konservativen Islam und die miserable Situation der Frauenrechte in Saudi Arabien rigoros anprangert. Vielmehr zeigt Al-Mansour in diesem Streifen die Missstände auf eine leicht zu verdauende Art und Weise, streut immer wieder humorvolle Momente über den Film hinweg, die einen zum Schmunzeln bringen, sodass man die Kritik, die Probleme und insbesondere Maryams schwierige Situation sofort versteht und mitfühlen kann, ohne das es an die Nieren geht. Es wird jedoch verzichtet mit dem Vorschlaghammer eine gesamtgesellschaftliche Kritik der islamischen Gesellschaft Saudi Arabiens auszuüben, was zwar grundsätzlich möglich ist, jedoch keinen guten Film automatisch ausmacht. Es bedarf nun mal auch einer gewissen Sensibilität mit dem Thema umzugehen, um effektiv und respektvoll auch die Message des Films an die Betroffenen zu richten. Jenes Feingefühl oder besser gesagt Fingerspitzengefühl besitzt Haifaa Al-Mansour in vollem Maße und erschafft so einen Film, der ein wirklich spannendes und interessantes Bild der modernen Gesellschaft Saudi Arabiens zeichnet.

Maryam (Mila Al Zahrani) träumt mit ihrer Schwester Selma (Dae Al Hilali) von Veränderung.
Maryam (Mila Al Zahrani) träumt mit ihrer Schwester Selma (Dae Al Hilali) von Veränderung. © Neue Visionen Filmverleih

Dass solch ein Film eine bodenständige Inszenierung besitzt, ist selbstverständlich. Die deutsch-arabische Produktion, welche mit Fördergelder auch finanziert wurde, besticht durch ihre ausdrucksstarke Natürlichkeit und Authentizität. Gedreht wurde in Riad, die Kamera ist meist ruhig und die Schnittarbeit ist unauffällig. Alles in allem gibt es auf technischer Seite keine großen Anmerkungen oder Auffälligkeiten. Was das Schauspiel angeht, muss man hier Hauptdarstellerin Mila Al-Zahrani hervorheben. Für sie ist diese Rolle ihr Schauspieldebüt und sie macht dies, gerade vor dem Hintergrund, dass das ihr erster Spielfilm ist, wirklich ausgesprochen gut. Mit ihrer natürlichen Ausstrahlung wirkt sie sehr sympathisch, emphatisch und fungiert erfolgreich als Dreh – und Angelpunkt der Geschichte und als Fixpunkt für den Zuschauer in diesem für den westlichen Zuschauer befremdlichen Land. Der Film zeichnet sich durch eine besondere Tonalität aus, die fast schon aufheiternd wirkt, ohne aber die Probleme zu verharmlosen. Es ist eine Kunst für sich, wie der Film es schafft, spielerisch leicht, die Kultur, das System und das Leben in Saudi Arabien für den Zuschauer zugänglich zu machen. Zwar kann man durchaus kritisch anbringen, dass der Film kaum Höhen und Tiefen besitzt, keine dramatische Fallhöhe aufbaut und keinen klassischen Spannungsbogen vorweisen kann. Langweilig wird es jedoch zu keinem Zeitpunkt und insbesondere am Ende rührt er noch zu Tränen ohne kitschig zu werden, sodass Die Perfekte Kandidatin als Gesamtwerk einfach gelungen ist.

Maryam (Mila Al Zahrani) kann auf die Unterstützung ihrer kleinen Schwester Sara (Nora Al Awadh) zählen, auch wenn diese noch skeptisch ist und Angst vor dem Gerede der Leute hat.
Maryam (Mila Al Zahrani) kann auf die Unterstützung ihrer kleinen Schwester Sara (Nora Al Awadh) zählen, auch wenn diese noch skeptisch ist und Angst vor dem Gerede der Leute hat. © Neue Visionen Filmverleih

Bild:

Der Film bietet natürlich keine großen Schauwerte im Sinne von beeindruckenden Effekten, großartigen Bildern für die große Leinwand oder faszinierende Kamerafahrten. Dennoch kann man bei der Bildqualität keine großen Abstriche machen. Die Farben sind satt, der leichte arabische Wüsten-Look mit dessen Sepia-Farben wirken authentisch und nicht zu aufgesetzt und sowohl die Aufnahmen bei Tag als auch bei Nacht zeichnen sich durch fehlendes Filmkorn und einer guten Schärfe aus.

Ton:

Über die deutsche Synchronisation kann hierbei keine Bewertung erteilt werden. Es wird auch empfohlen, schlichtweg zur Erhöhung der Authentizität den Film in der Originalsprache zu schauen, da in einem Film über Saudi-Arabien, mit arabischen Darstellern, der in Saudi-Arabien spielt und auch tatsächlich dort gedreht wurde, schlichtweg die arabische Sprache ein Muss ist, damit der Film seine Authentizität vollends entfalten kann. Die Dialoge sind allesamt verständlich, die Musik ist toll und bietet einen schönen Klang. Grundsätzlich passt die Abmischung des Tons einfach, sodass es hier nichts zu meckern gibt.

Extras:

Bei den Extras gibt es neben einer Fassung für Sehbehinderte, einer Trailershow und dem Original-Trailer, ein Interview mit der Regisseurin (ca. 13 Minuten) und ein Making-of (ca. 18 Minuten). Das Making-of gewährt einen intimen Blick hinter den Kulissen, lässt die deutschen Produzenten, die Regisseurin sowie die Crew und den Cast zu Wort kommen. Der Culture Clash wird insbesondere thematisiert. Das Interview erstreckt sich über allgemeine Fragen über die Handlung oder die Hauptdarstellerin, aber auch speziellere Fragen bzgl. der Tonalität und der Feel-Good-Atmosphäre des Films. Themen über die Rolle der Frau im Allgemeinen und im Filmbusiness sind ebenfalls Gegenstand des Interviews. Es ist letztlich ein schönes, offenes Interview ohne Promo-Charakter.

Blu-ray Wertung
  • 7.5/10
    Film - 7.5/10
  • 8/10
    Bild - 8/10
  • 9/10
    Ton - 9/10
  • 7/10
    Extras - 7/10
7.5/10

Kurzfassung

Die Perfekte Kandidatin bietet einen authentischen gesellschaftskritischen Blick auf die patriarchalische Gesellschaft Saudi Arabiens mit einer tollen Hauptdarstellerin und einem amüsanten humoristischen Unterton.

Fazit:

Haifaa Al-Mansour erschafft mit „Die Perfekte Kandidatin“ einen wirklich feinen, humorvollen, ehrlichen und authentischen Blick auf die Lage der Frauenrechte in Saudi Arabien inmitten des großen dortigen gesellschaftlichen Wandels. Statt harter Tobak wird einem hier ein leicht zugänglicher und natürlicher Blick in den Alltag gewährt, sodass man unterhalten, aber zugleich sensibilisiert und informiert wird. Die Perfekte Kandidatin ist ein inspirierender sehenswerter Streifen mit Herz, der zwar die wenigsten vom Hocker reißen wird, doch über seine 104 Minuten zu keiner Sekunde langweilt.


von Morteza Wakilian

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