Die dunkelste Stunde – Blu-ray Kritik: Eine Geschichtsstunde als Kinofilm

Churchill - Die dunkelste Stunde: Alle Hoffnungen liegen auf ihn (Gary Oldman)
Churchill - Die dunkelste Stunde: Alle Hoffnungen liegen auf ihn (Gary Oldman) © 2017 Universal Pictures International Germany GmbH

Die Kritik:

Die dunkelste Stunde - Winston Churchill (Gary Oldman)
Die dunkelste Stunde – Winston Churchill (Gary Oldman) © 2018 Universal Pictures Germany

Im letzten Jahr kam mit Christopher Nolans Dunkirk ein Film über die Evakuierung der mehr als 300.000 britischen und französischen Soldaten im Rahmen der Operation Dynamo im 2. Weltkrieg. Der Film erzählt die Geschichte überwiegend aus der Perspektive der Soldaten, die eingekesselt waren und auf Hilfe am Strand warteten. Joe Wrights Historiendrama Die dunkelste Stunde, welches Anfang des Jahres in die deutschen Kinos kam und im März zwei Oscars erhielt (Bester Hauptdarsteller und Bestes Make-up) spielt zeitlich zur selben Zeit und behandelt die gleiche Geschichte nur diesmal aus der Sicht britischer Politiker und Strategen, welche wichtige Entscheidungen in dieser brenzligen Situation für das Vereinigte Königreich treffen mussten. Im Mittelpunkt der Geschichte und des Films steht Winston Churchill. Herausgekommen ist ein sehr authentisches, grandios gefilmtes und überragend gespieltes Biopic und Historiendrama über die ersten fünf Wochen von Winston Churchill als Premierminister Englands und seine Rolle in der Operation Dynamo.

Die dunkelste Stunde - Winston Churchill (Gary Oldman) debattiert
Die dunkelste Stunde – Winston Churchill (Gary Oldman) debattiert © 2018 Universal Pictures Germany

Der Film wurde für 6 Oscars nominiert, darunter auch für den besten Film und dies ist letztlich doch leider etwas überzogen, da er bei weitem nicht zu den besten Filmen des Jahres gehört hat. Vorab sei gesagt, dass die dunkelste Stunde alles in allem ein sehr sehenswerter und unter dem Strich guter Film ist, jedoch wird zunächst darauf eingegangen, was dem Film fehlt um mehr zu sein und um die Oscarnominierung auch zu rechtfertigen. Mit seinen 125 Minuten ist der Film prinzipiell für solch ein historisches Drama, das auf wahre Begebenheiten basiert, gar nicht besonders lang und in der Tat auch nicht zu lang geraten. Dennoch braucht der Film sehr viel Zeit, um stellenweise an Spannung und Intensität zu gewinnen. So richtig in Fahrt kommt er zu keinem Zeitpunkt. Das bedeutet zwar nicht, dass man als Zuschauer nicht interessiert an der Handlung und an den Charakteren ist, doch man ist nicht gefesselt oder fasziniert. Zudem weiß man, wie die Sache enden wird und gerade deswegen, hätte man in der Dramaturgie des Drehbuchs mehr Spannung und Fallhöhen einbauen können. Somit ist man als Zuschauer zwar stets unterhalten, doch nicht mal ansatzweise vom Hocker gerissen worden, was das Drehbuch, insbesondere den Handlungsverlauf angeht.

Churchill - Die dunkelste Stunde: Alle Hoffnungen liegen auf ihn (Gary Oldman)
Churchill – Die dunkelste Stunde: Alle Hoffnungen liegen auf ihn (Gary Oldman) © 2017 Universal Pictures International Germany GmbH

Vom Hocker gerissen hat aber die Performance von Gary Oldman, die einen wirklich umhaut und begeistert zurücklässt. Er ist das Prunkstück des Films und dominiert jede Szene mit seiner Präsenz und seiner Ausstrahlung als Churchill. Er ist kaum wiederzuerkennen und man glaubt, man sieht zwei Stunden lang Winston Churchill in seinem Fernsehen. Oldman hat sich nicht nur optisch für die Rolle komplett verändert. Hier fand eine komplette Transformation statt, sowohl was die Sprechweise, die Körperhaltung beim Stehen und Gehen und auch die Gestik und Mimik angeht. Gary Oldman ist vollständig mit dieser Figur verschmolzen und liefert eine wirkliche Glanzleistung ab, die zurecht mit dem Oscar gewürdigt wurde. Aber auch der restliche Cast liefert ab. Lily James als seine Sekretärin, Kristin Scott Thomas als seine Ehefrau, Ben Mendelsohn als King George VI und vor allem Stephen Dillane als eine Art politischer Kontrahent liefern tadellose Performances ab. Letzteres spielt hier wirklich großartig auf und besticht vor allem im Zusammenspiel mit Oldman mit einer sehr nuancierten und anspruchsvollen Darbietung. Bekannt ist er dem breiten Publikum als Stannis Baratheon in der Serie Game of Thrones. Neben den Schauspielern ist der Film vor allem auf der technischen Seite ganz großes Kino. Die Köstume und das Szenenbild sind an Authentizität kaum zu überbieten. Es wirkt alles sehr detailgetreu und ist der Hauptgrund warum der Film so realistisch und glaubwürdig daher kommt. Man fühlt sich wirklich in die damalige Zeit zurück versetzt. Zum anderen ist die Kameraarbeit sehr gelungen und ebenfalls zurecht für einen Oscar nominiert gewesen. Hier gibt es wirklich schöne Aufnahmen und Bilder, interessante Kamerafahrten und die eine oder andere sehenswerte Plansequenz. Trotz der fehlenden Spannung und Dramatik, welche im vorherigen Abschnitt angeprangert wurde, ist es durch die Kamera gelungen,  dass hier neben großem Schauspielkino auch ein visuell beeindruckendes Filmerlebnis geschaffen wurde.

Bild:

Die Bildqualität ist herausragend. Man bekommt grandiose Bilder dank der tollen Kameraarbeit in gestochen scharfer Qualität ohne Filmkorn. Ob es die Aufnahmen in den Sälen, in den Büros oder die Außenaufnahmen sind. Das Bild beeindruckt mit seiner Klarheit den Zuschauer von Beginn an.

Ton:

Das Dolby-Atmos sorgt für ein intensives und authentisches Filmerlebnis mit klaren Klängen und sauberem Sound, welche die Dialoge, die in diesem Film dominierend sind, ohne nennenswerte Schwächen wiedergeben. Sowohl die deutsche Tonspur, insbesondere die Synchronisation, als auch die Originalversion ist auf hohem Niveau.

Extras:

Bei den Extras muss man deutliche Abstriche machen. Den Film kann mit einem Audiokommentar von Regisseur Joe Wright sehen. Dazu gibt es ein kleines Featurette zur Wandlung von Gary Oldman in Winston Churchill. Doch leider bekommt man hier beispielsweise keine Aufnahmen hinter den Kulissen, um die Arbeit jener Person zu sehen, die für das Make-Up verantwortlich war. Stattdessen bekommt der Zuschauer in den vier Minuten überwiegend zu hören, wie toll Gary Oldman gespielt hat. Diese Lobhudelei geht in einem kleinen Making-of, welches auch kurze Einblicke hinter den Kameras gewährt. Aber auch hier besitzen die Interviews einen recht starken Werbecharakter.

Blu-ray Wertung
  • 7/10
    Film - 7.0/10
  • 9.5/10
    Bild - 9.5/10
  • 9/10
    Ton - 9.0/10
  • 4.5/10
    Extras - 4.5/10
7/10

Kurzfassung

Die dunkelste Stunde bietet im Kern zwei Dinge: Eine unterhaltsame Geschichtsstunde und überragendes Schauspielkino.

Fazit:

Trotz erzählerischer Schwächen und einer etwas flachen Dramaturgie, welche insbesondere in der ersten Hälfte des Films stark auffallen, bleibt Die dunkelste Stunde letztlich ein sehr sehenswertes und informatives Werk, das visuell und vor allem schauspielerisch auf ganzer Linie überzeugt.


von Morteza Wakilian

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