Der Nussknacker und die vier Reiche – Blu-ray Kritik

Keira Knightley und Mackenzie Foy
Keira Knightley und Mackenzie Foy © Walt Disney Studios Home Entertainment

Die Kritik:

Eigentlich hatte „Der Nussknacker und die vier Reiche“ alles, was einen Weihnachtshit ausmacht: Eine klassisch-zeitlose, weihnachtlich angehauchte Geschichte, eine Riege namhafter Top-Darsteller, zwei Prestigefilm-erprobte Regisseure, ein mächtiges Budget, das für reichlich sichtbare Opulenz sorgt und natürlich den vertrauenserweckenden Disney-Banner über allem. Doch trotz all dieser gewinnbringenden Zutaten blieb das Publikum größtenteils fern von dieser freien Adaption von E.T.A. Hoffmanns Märchen „Nussknacker und Mausekönig“ und Tschaikowskys ikonischem Ballett. Regisseur Lasse Hallström (und dem schließlich für ausgiebige Nachdrehs engagierten Effektfilm-Veteran Joe Johnston) gelang hier jedoch ein visuell berauschender Film, der eine klassische und einfache Geschichte harmlos und weitestgehend ohne Überraschungen erzählt.

Der Nussknacker und die vier Reiche - Blu-ray Cover
Der Nussknacker und die vier Reiche – Blu-ray Cover © Walt Disney Studios Home Entertainment

Das viktorianische London zur Weihnachtszeit: Die Familie Stahlbaum befindet sich noch in der Trauerphase, nachdem Marie (Anna Madeley) verstorben ist und damit ihren Mann Benjamin (Matthew Macfadyen) und ihre Kinder Clara (Mackenzie Foy), Louise (Ellie Bamber) und Fritz (Tom Sweet) alleine zurückgelassen hat. Jedoch hat sie für ihre Kinder noch Weihnachtsgeschenke hinterlassen, darunter ein verschlossenes Fabergé-Ei für Clara, das mit einer geheimnisvollen Notiz versehen ist. In dem Ei solle sich etwas verbergen, das alles ist, was Clara jemals in ihrem Leben benötigen wird. Auf der Weihnachtsfeier ihres Patenonkels Drosselmeyer (Morgan Freeman) versucht Clara herauszufinden, wie sie das Ei öffnen kann. Dabei gerät sie unverhofft in eine magische Parallelwelt, in der sie eine Prinzessin und Thronfolgerin ihrer Mutter ist. Gemeinsam mit dem Nussknacker Philip (Jayden Fowora-Knight) trifft sie auf die Herrscher der vier Reiche, darunter die Zuckerfee (Keira Knightley). Sie erfährt, dass die Reiche von Mutter Ingwer (Helen Mirren) bedroht werden, die einst das Land mit ihrer Armee übernommen hat. So macht sich Clara mit all ihrem Mut und innerer Stärke auf, ihrer Pflicht als tatsächlicher Königin der vier Reiche nachzukommen.

„Der Nussknacker und die vier Reiche“ beginnt mit einem atemberaubenden Flug über das weihnachtliche London, das mittels grandioser Sets und nahtlos integrierter CGI-Elemente auf berauschende Weise erzeugt wurde. Der Film könnte visuell nicht opulenter gestaltet sein, was jedoch angesichts der Besetzung von Szenenbild-Genie Guy Hendrix Dias („Elizabeth – Das goldene Königreich“, „Inception“, „Passengers“) kaum überraschend ist. Hier offenbart sich eine enorm reichhaltige und farbenfrohe Welt, die sich als wahre Augenweide entpuppt. Dias Team gelang hier ein Look, der eher elegant und raffiniert als grell-kitschig ist. Dafür sorgen auch die prachtvollen Kostüme von Oscar-Preisträgerin Jenny Beavan („Mad Max – Fury Road“, „The King’s Speech“, „Sinn und Sinnlichkeit“), aber auch die texturreiche Kameraarbeit vom ebenfalls Oscar-prämierten Linus Sandgren („La La Land“, „Aufbruch zum Mond“). Hier kommt gerade zu Beginn schon ein vielversprechendes Gefühl altmodischer und nostalgischer Magie auf, wofür sicher auch die Klänge von Maestro James Newton Howard sorgen.

Auch wenn der zunächst etwas trauervolle Grundton des Films gepaart mit seiner audiovisuellen Kraft vielversprechend erscheint, wird doch schon nach nicht allzu langer Zeit deutlich, dass „Der Nussknacker“ nicht viel Neues oder Aufregendes zu erzählen hat. Von jungen Mädchen, die in Parallelwelten Abenteuer erleben und sich charakterformenden und tragischen Schicksalen überkommenden Herausforderungen stellen müssen, gab es bekanntlich schon zahlreiche prominente Beispiele. So seien nur „Der Zauberer von Oz“, „Alice im Wunderland“, „Die Chroniken von Narnia“ oder auch „Pans Labyrinth“ genannt, die jedoch alle beweisen, dass man bekannte Erzählmuster mit der nötigen Inspiration immer wieder aufs Neue frisch umsetzen kann. Das gelingt „Der Nussknacker und die vier Reiche“ nur in Ansätzen. Man spürt dem Film gewissermaßen an, dass viele Köche am Werk waren und eine kohärente und eigenständige Vision glattgebügelt wurde. Obwohl auch die magische Parallelwelt visuell beeindruckt und an kreativen Einfällen nicht geizt, erscheint der Film letztlich zu vorhersehbar und spannungsarm.

Keira Knightley und Mackenzie Foy
Keira Knightley und Mackenzie Foy © Walt Disney Studios Home Entertainment

Das rührt auch daher, dass die Figuren trotz ihrer exzentrischen Erscheinung weitestgehend blass bleiben: Keira Knightley bemüht sich spürbar ihrer Rolle mit dick aufgetragenem Spiel und Piepsstimme Leben einzuhauchen, jedoch macht gerade ihre Zuckerfee eine recht holprige Charakterentwicklung durch, die durchaus Produkt der 32-tägigen Nachdrehs sein könnte. Helen Mirren kommt in ihrer Rolle als Bösewichtin leider etwas kurz, während Philip, der Anführer der Königswache und Sidekick von Clara, kaum verständlich macht, warum man ihn schließlich Nussknacker nennt. Dass der zuletzt für „Can You Ever Forgive Me?“ Oscar-nominierte Charaktermime Richard E. Grant derart in der Rolle als Shiver, Herrscher des Landes der Schneeflocken, in einer nahezu stummen und unter Maske und Kostüm versteckten Aufmachung verschwendet wird, ist allerdings sträflich. Von Morgan Freeman als väterlich-weiser Freund Drosselmeyer im Steampunk-Look hätte man auch gerne mehr gesehen.

Insgesamt wirkt der 99-minütige Film zudem ein wenig gehetzt. Man hat den Eindruck, dass größere Teile, die dem Film mehr Tiefe gegeben hätten, dem Schnitt zum Opfer fielen. Von der Geschichte der vier Reiche erfährt man in einer etwas willkürlich wirkenden, aber berauschend umgesetzten Ballett-Darbietung, die von Carla und der Zuckerfee beobachtet wird. Ein wirkliches Gespür für die unterentwickelten Figuren erhält man aber nicht. Das wird den Großteil der jungen Zielgruppe jedoch kaum stören, die sich mit Sicherheit an den visuellen Einfällen erfreuen werden. Der herausragend animierte Mäuserinks, der den Schlüssel zu Carlas Fabergé-Ei entführt, ist eine wirklich putzige Figur, die Freunde macht, während Mutter Ingwers Matrojschka-artige Armee starke visuelle Akzente setzt. Ebenso wirkungsvoll ist eine Zinnsoldaten-Armee, die durch den Großteil des dritten Akts marschiert.

Morgan Freeman in Der Nussknacker und die vier Reiche
Morgan Freeman in Der Nussknacker und die vier Reiche © Walt Disney Studios Home Entertainment

Mackenzie Foy, die zuvor bereits in „Conjuring“ und „Interstellar“ in Nebenrollen aufgefallen ist, darf hier ihre erste Hauptrolle spielen. Sie trägt den Film durchaus überzeugend und gibt ihr Bestes, aus ihrem Part mehr herauszuholen, als möglicherweise auf dem Papier steht. Ihre etwas schwierige Beziehung zum trauernden und scheinbar überforderten Vater wird in wenigen Momenten glaubwürdig transportiert. Dessen Obsession, seine eher introvertierte und wissenschaftsbegeisterte Tochter dazu zu überreden, mit ihm zu tanzen, erscheint zunächst leicht befremdlich, am Ende jedoch auch durchaus leicht berührend. Carlas Geschwister werden eigentlich nur kurz oberflächlich zu Beginn angespielt.

Es bleibt also ein wenig origineller Fantasyfilm für die ganze Familie, der aus zahlreichen Versatzstücken weitestgehend uninspiriert, aber nicht ohne Gespür für Magie solide inszeniert ist. Im Kern steckt in diesem zugegebenermaßen visuell atemberaubend schönen Film jedoch eine nicht uninteressante Geschichte über ein Mädchen, das ihre Trauer über der verstorbenen Mutter überwinden muss. Das ist zwar vorhersehbar erzählt, gibt dem Film aber zumindest in Ansätzen persönlichen Tiefgang und Symbolismus in Form des Fantasy-Settings. Dass Clara eine selbstbestimmte und intelligente junge Frau mit wissenschaftlichem Knowhow ist, der dankbarerweise eine überflüssige Liebesgeschichte erspart wird, darf dann aber auch schon wieder als subtil-progressiver Schachzug gelten.

Bild:

Über jeden Zweifel erhaben ist die technische Umsetzung der Blu-ray. Hier gibt es ein atemberaubendes, kristallklares, auf Analogfilm gedrehtes Bild zu bewundern, das über enorm reichhaltige und intensive Farben verfügt. Diese Welt ist wirklich eine Augenweide, was auch durch den fantastischen Kontraste und tiefen Schwarzwerte verstärkt wird. Hauttöne kommen überaus realistisch daher, überhaupt wird eine sehr feine Balance zwischen Natürlichkeit und Stilisierung gehalten. Hinzu kommen exzellente, sehr filigrane Schärfe- und Detailwerte, die die Bilderwelt von „Der Nussknacker und die vier Reiche“ sehr plastisch greifbar und regelrecht dreidimensional gestalten. Referenzwürdig!

Ton:

Die DTS-HD Master 7.1-Tonspuren sorgen für ein reichhaltiges und immersives Filmerlebnis. Die Klangvielfalt von „Der Nussknacker und die vier Reiche“ ist hoch und rangiert von fein abgemischter Musik zu vielfältigen, präzise verteilten Surround-Effekten. Hier wird ein stets aktives und feines Klangbild erzeugt, das auch gelegentlich über gelungene dynamische und wuchtig vom Subwoofer akzentuierte Momente verfügt. In Sachen Verständlichkeit und Klarheit präsentiert sich die Abmischung auf sehr hohem Niveau.

Extras:

Mackenzie Foy und Jayden Fowora-Knight
Mackenzie Foy und Jayden Fowora-Knight © Walt Disney Studios Home Entertainment

Das Bonusmaterial der Blu-ray fällt überschaubar aus. Neben einem Gespräch mit Ballett-Star Misty Copeland ragt hier lediglich ein sehr kurzes Making of heraus, das sich vor allem mit dem Szenenbild beschäftigt. Hinzu kommen noch zwei Musikvideos und zusätzliche Szenen.
• Ein Gespräch mit Misty Copeland (04:36 Min.)
• Hinter den Kulissen von Der Nussknacker und die vier Reiche (07:08 Min.)
• Zusätzliche Szenen (04:05 Min.)
• „Fall One Me“ gesungen von Andrea Bocelli und Matteo Bocelli
• „Die Nussknacker-Suite“ gespielt von Lang Lang

Blu-ray Wertung
  • 6.5/10
    Film - 6.5/10
  • 10/10
    Bild - 10/10
  • 9.5/10
    Ton - 9.5/10
  • 5/10
    Extras - 5/10
7.5/10

Kurzfassung

Altmodische Fantasy-Unterhaltung mit progressiven Untertönen.

Fazit:

„Der Nussknacker und die vier Reiche“ bietet altmodische Fantasy-Unterhaltung mit progressiven Untertönen, die mehr durch ihre herausragende visuelle Umsetzung als durch eine originelle Erzählung besticht.


von Florian Hoffmann

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