Der Eid – Blu-ray Kritik: Skandinavien-Thriller mit interessanten Ansätzen

Der Eid - Finnur (Baltasar Kormákur)
Der Eid - Finnur (Baltasar Kormákur) ©Alamode Film

Die Kritik:

Der Eid - Blu-ray Cover
Der Eid – Blu-ray Cover ©Alamode Film

Der bereits zwischen 460 bis 370 vor Christus formulierte Eid des Hippokrates gilt auch heute noch zumindest in Bestandteilen als medizinethische Richtlinie für Ärzte. Auf diesen Eid bezieht sich der neue Film des Isländers Baltasar Kormákur, der hier nicht nur Regie führte, sondern gleich auch noch die Hauptrolle eines kontrollbesessenen Herzchirurgen im Ausnahmezustand übernimmt. Kormákur, der sich in den letzten Jahren mit einigen Hollywood-Streifen wie „Contraband“, „2 Guns“ oder „Everest“ auch international einen Namen gemacht hat, kehrt nun zum ersten Mal seit seinem Seefahrer Survival-Drama „The Deep“ in seine Heimat zurück.

Mit „Der Eid“ präsentiert Kormákur ein weitestgehend konventionell inszeniertes Drama mit deutlichen Thriller-Elementen, das bedächtig erzählt ist, aber nach und nach einen Sog aufbaut. Im Mittelpunkt steht der renommierte Herzchirurg Finnur, der in der Universitätsklinik von Reykjavik praktiziert und mit seiner Frau Solveig (Margrét Bjarnadóttir) und seiner kleinen Tochter ein solides, aber unaufgeregtes Leben im Wohlstand führt. Seine ältere Tochter Anna (Hera Hilmar) aus früherer Ehe ist schon erwachsen, hat aber noch keinen Job und ist immer noch auf ihren Vater angewiesen. Diese feiert gerne etwas zu ausgiebig und hat mittlerweile auch ein Drogenproblem entwickelt, was ihr zwielichtiger Freund und Dealer Óttar (Gísli Örn Garðarsson) nur weiter anheizt. Das erkennt auch Finnur und bittet Anna nach einem Zwischenfall, der sie ins Krankenhaus gebracht hat, auf Entzug zu gehen. Óttar ist in Finnurs Augen ein schlechter Einfluss, weshalb er auch diesem nahe legt, die Finger von seiner Tochter zu lassen. Hieraus entbrennt schließlich ein nicht enden wollender Konflikt, der Finnur schließlich zu härteren und fragwürdigeren Maßnahmen treibt…

Der Eid - Herzchirurg Finnur (Baltasar Kormákur)
Der Eid – Herzchirurg Finnur (Baltasar Kormákur) ©Alamode Film

Im Grunde baut sich „Der Eid“ auf wie eine Art isländischer „Ein Mann sieht rot“, oder „Taken“, jedoch zeigt sich schon recht früh, dass Kormákur sichtlich nicht an billigen Thrills interessiert ist. Viel mehr ist sein Film ein geduldig, ernsthaft und naturalistisch inszeniertes Moralstück, das Schwarz-Weiß-Zeichnung unterlässt und seine Hauptfigur nicht blind zum Helden verklären will. Finnurs Grundmotivation ist völlig nachvollziehbar erzählt, er ist ein besorgter Vater, der nur das Beste für seine Tochter will. Dafür überspannt er jedoch zunehmend den Bogen und begibt sich in einen Teufelskreis, der ihn immer weiter aufsaugt und bald keine einfachen Auswege mehr zulässt. Es ist Kormákurs Feingefühl und ruhiger Hand hinter der Kamera zu verdanken, dass dieser Film so realistisch und bodenständig bleibt und nie Entwicklungen zulässt, die überzogen, konstruiert oder gar effekthaschend wirken.

Auch lobenswert ist die Tatsache, dass der Film im Detail unvorhersehbar bleibt. Grobe erzählerische Richtungen entsprechen durchaus gängigen Konventionen, dennoch entwickelt der Film vor allem zum dritten Akt hin interessante Wendungen, bei denen man sich auch als Zuschauer fragt, wie man sich an Stelle des Protagonisten verhalten würde. Viel spannender ist dann aber auch die Frage, ob Finnurs Maßnahmen übertrieben sind – eine leichte Antwort bietet der Film dankbarerweise nicht und überlässt dem Zuschauer das Urteil. Man hat hier jedenfalls das Gefühl eine reale Figur zu sehen, die sich in eine unmögliche Lage manövriert.

Der Eid - Die Familie
Der Eid – Die Familie ©Alamode Film

Kormákurs ruhiges und kühles Spiel überzeugt mit Glaubwürdigkeit, welche Gedanken sich hinter seiner schwer lesbaren und unerschütterlichen Fassade verbergen, deuten sich immer nur ansatzweise an. Kormákur legt seine kontrollbesessene Rolle wohl bewusst betont unemotional an, was sicher seiner chirurgischen Profession geschuldet sein könnte. Ein leichter Zugang zu seiner Figur erfolgt so nur bedingt, was den Film aber auch interessanter macht – ein Sympathieträger im herkömmlichen Sinne ist Finnur aber nicht. Wirklich packend ist der Film aber vielleicht gerade dadurch nie so richtig, denn auch die anderen Figuren sind nicht interessant genug, um völlig mitzureißen. Sträflich vernachlässigt wird leider die Rolle von Finnurs Frau, die oberflächlicher nicht gestaltet sein könnte – zwischenzeitlich könnte man meinen, Solveig sei tatsächlich stumm. Bei genauerer Betrachtung könnte ihre schweigende Darstellung aber auch nur Finnurs kontrollierende Dominanz unterstreichen.

Einen Vorteil gegenüber gängigen Hollywood-Thrillern bietet „Der Eid“ natürlich auch bezüglich seines außergewöhnlichen Settings, das entscheidend für die kühle und gelungene Atmosphäre ist. Dennoch erinnert der Film auch stilistisch an die zahlreichen Skandinavien-Thriller, die in den letzten Jahren so beliebt in Kino und vor allem TV geworden sind. So bleibt hier am Ende ein völlig solider Film mit interessanten Ansätzen und spannenden moralischen Fragestellungen, der so zumindest leicht aus dem Durchschnitt herausragen kann.

Bild:

Das digital auf Arri Alexa aufgezeichnete Bild präsentiert sich von überzeugender Seite auf Blu-ray. Hier offenbart sich eine sehr natürliche Farbpalette mit erwartungsgemäß eher kühlen Tönen, stilisiert wirkt hier jedoch nichts. In Sachen Schärfe- und Detailumfang zeigt das Bild starke Werte, ebenso was Kontraste und Schwarzwerte betrifft. In manchen dunklen Szenen zeigt sich der Kontrast auch mal etwas softer, was den sehr guten Bildeindruck aber keineswegs trübt. Nur ganz minimales digitales Rauschen lässt sich in wenigen dunklen Bereichen ausmachen, ansonsten ist dieser Transfer tadellos gelungen.

Ton:

Anna (Hera Hilmar)
Der Eid – Anna (Hera Hilmar) ©Alamode Film

Akustisch präsentiert sich die Blu-ray eher dezent. Stimmen und Dialoge in der deutschen wie auch isländischen Sprachfassung sind klar und deutlich verständlich, Surroundeffekte sind insgesamt eher Mangelware. Gelegentlich hallt es auf den hinteren Lautsprechern realistisch nach oder es werden subtile atmosphärische Surround-Soundeffekte eingebaut. Auch die Filmmusik findet sich hier und da auf den umliegenden Boxen wieder. Einen großen Dynamikumfang sucht man hier leider vergebens, insgesamt dennoch eine völlig solide Umsetzung.

Extras:

Das Bonusmaterial der Blu-ray beschränkt sich neben den obligatorischen Trailern auf ein solides Making of, das die Produktion adäquat beleuchtet.
Making of (20:08 Min.)
Trailer (02:34 Min.)
Trailershow (Virgin Mountain, Die dunkle Seite des Mondes, Escobar – Paradise Lost, A United Kingdom, The Survivalist, Victoria – Männer & andere Missgeschicke, Born to be Blue)

Blu-ray Wertung
  • 6.5/10
    Film - 6.5/10
  • 8.5/10
    Bild - 8.5/10
  • 7/10
    Ton - 7.0/10
  • 4/10
    Extras - 4.0/10
6.5/10

Kurzfassung

„Der Eid“ ist ein solider Skandinavien-Thriller mit interessanten Ansätzen, der mit seiner ambivalenten Figurenzeichnung moralische Fragen aufwirft, die nicht einfach zu beantworten sind.

Fazit:

Regisseur Baltasar Kormákur gelingt mit „Der Eid“ ein handwerklich tadelloser Film, der im Großen und Ganzen konventionell, aber präzise und intelligent inszeniert ist. Die kühle Island-Atmosphäre, moralische Ambivalenz und eine angenehm komplex gezeichnete Hauptfigur heben den Film leicht über gängigen Genre-Durchschnitt.


von Florian Hoffmann

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