David Copperfield – Einmal Reichtum und zurück: Blu-ray Kritik

David Copperfield – Einmal Reichtum und zurück: Aneurin Barnard und Dev Patel
David Copperfield – Einmal Reichtum und zurück: Aneurin Barnard und Dev Patel © eOne Germany

Die Kritik:

David Copperfield – Einmal Reichtum und zurück: Blu-ray
David Copperfield –
Einmal Reichtum und zurück: Blu-ray © eOne Germany

Charles Dickens gehört sicherlich nicht nur zu den bedeutendsten Literaturgrößen der Geschichte, seine Werke gehören auch zu den meistverfilmten. Ist es gerade seine „Weihnachtsgeschichte“, die regelmäßig neu aufgelegt wird, führt sein Bildungsroman „David Copperfield“ zumindest ein filmisches Schattendasein. So ist es nun ausgerechnet Armando Iannucci, der mit seinen beißend scharfen Politsatiren „The Thick of It“, „Kabinett außer Kontrolle“ und „The Death of Stalin“ Film und Fernsehen in den letzten 20 Jahren geprägt hat, der sich diesem alten Stoff zum ersten Mal seit den 30er Jahren im Kino annimmt. Das ist überraschend, denn „David Copperfield“ ist nicht nur enorm renommiert und stark autobiografisch geprägt, es handelt sich hierbei auch um Dickens eigenen Lieblingsroman. Dass die Coming-of-Age-Geschichte um den jungen Waisen David Copperfield (Dev Patel) immer noch universell und keineswegs angestaubt ist, beweist Iannucci mit seiner unkonventionellen, lebendigen und modernen Adaption, die sich fern von trockenen Kostümfilmkonventionen bewegt.

„David Copperfield“ fungiert als eigener Erzähler seiner ereignisreichen Geschichte, die er hier anekdotenartig zum Besten gibt und gelegentlich dafür meta-artig durch seine eigene Vergangenheit spaziert. So erzählt der Film zunächst wie der kleine David (Jairaj Varsani) nach dem Tod seines Vaters wohlbehütet bei seiner liebevollen Mutter Clara (Morfydd Clark) und ihrer Haushälterin Peggotty (Daisy May Cooper) aufwächst. Diese Idylle in der britischen Küstenstadt Yarmouth wird jäh beendet, als Clara den tyrannischen Edward Murdstone (Darren Boyd) ehelicht, der fortan mit seiner herrischen Schwester Jane (Gwendoline Christie) einen verschärften Ton im Hause Copperfield aufzieht. David leidet sehr unter der Härte seines herzlosen Stiefvaters, der ihn streng autoritär erzieht und nach seinem Aufbegehren sogar ins Internat schickt. Doch die Leidenszeit von David ist hier noch nicht beendet, denn schließlich wird er als Jugendlicher in die Weinhandlung seines Vaters in London verbannt, wo er als Flaschenreiniger arbeitet…

David Copperfield – Einmal Reichtum und zurück: Tilda Swinton
David Copperfield –
Einmal Reichtum und zurück: Tilda Swinton © eOne Germany

Nicht umsonst wurden Kinoverfilmungen von Dickens klassischem Stoff jahrzehntelang nicht unternommen, denn es ist nur schwer möglich einem über 1.000 Seiten dicken Türstopper in zwei Stunden gerecht zu werden. Iannucci nimmt diese Herausforderung jedoch mutig an und zieht die erzählrhythmischen Zügel mächtig an, wodurch ein sehr rasanter, ja fast schon hektischer Film entsteht. Iannuccis „Copperfield“ erweist sich als erstaunlich werkgetreu und destilliert trotz vieler Auslassungen und Zack-Zack-Rhythmus das Wesentliche seiner klassischen Vorlage geistreich und gekonnt heraus. Das Anekdotenartige der Vorlage wird hier zur Tugend gemacht, wodurch der Film oftmals fast schon wie eine Aneinanderreihung von Clips erscheint, jedoch geht der große erzählerische Überbau und rote Faden dabei nie wirklich verloren. Der Film ist durchaus ein klein wenig anstrengend, aber dank seiner Frische auch immer mindestens interessant.

Iannucci, der mit seinen anfangs erwähnten Politsatiren als sehr inspirierte Wahl für diesen Stoff erscheint, macht sich die Vorlage zu eigen, respektiert sie aber auch, wodurch sich ein interessanter Mix aus seinen Sensibilitäten und denen von Dickens entsteht. Iannuccis Handschrift ist hier in der stets beweglichen Kamera und dem Hang zur Exzentrik, farceartigem Humor und gewisser Verschrobenheit immer spürbar. Konterkariert wird dieser kreative und freche Ansatz durch die präzise, eloquent und authentisch eingefangene Sprachebene, die dem 1850 erschienenen Stoff absolut gerecht wird. Darüber hinaus setzt Iannucci auf die wundervolle klassische Filmmusik von Christopher Willis, die dem Film jede Menge Anmut verleiht. „David Copperfield“ sieht zudem dank des farbenfrohen, authentischen wie auch gelegentlich verspielten Setdesigns von Cristina Casali und den ebenso kreativen Kostümen von Suzie Harman und Robert Worley fantastisch aus: Der Film erfreut mit seinem hellen, strahlenden und einladenden Look, bringt aber auch die dunklen Momente der Geschichte immer konsequent und nicht verharmlosend zum Ausdruck. Die eigentlich düstere Vorlage blickt hier zwischen den Zeilen stets durch, jedoch überwiegt ein versöhnlicher, eher humorvoller und leicht bekömmlicher Grundton.

David Copperfield – Einmal Reichtum und zurück: Hugh Laurie
David Copperfield –
Einmal Reichtum und zurück: Hugh Laurie © eOne Germany

Der Film sorgt jedenfalls dank seiner sympathischen Ausstrahlung für jede Menge gute Stimmung. Iannucci hat sichtlich große Freude an den zahlreichen exzentrischen Nebenfiguren, wobei vor allem die gewohnt schrullige Tilda Swinton als Davids Tante Betsey sowie deren skurriler, aber liebenswerter Hausfreund Mr. Dick (Hugh Laurie) und der finanziell stets klamme, aber hoffnungslos optimistische Mr. Micawber (Peter Capaldi) die prägendsten Eindrücke liefern.

Iannucci gönnt dem Zuschauer in Sachen Ereignisreichtum und einem förmlichen Bombardement an Figuren kaum eine Atempause. Das gibt dem Film nicht nur dank seiner löblichen Farbenblindheit in der Besetzung einen frischen und modernen Anstrich, jedoch hat man als Zuschauer auch das Gefühl hier nie ganz anzukommen. Der Golden Globe-nominierte Dev Patel ist als angenehm gutmeinender und sympathischer David Copperfield ein gelungener und charismatischer Gegenentwurf zu all dem Chaos und den aufgedrehten wie oft auch missgünstigen Persönlichkeiten (besonders der genüsslich hinterhältig von Ben Whishaw verkörperte Uriah Heep) um ihn herum, jedoch geht er angesichts des Erzähltempos fast schon etwas in seiner eigenen Geschichte unter.

Mit viel Humor und anschaulich erzählt David Copperfield (Dev Patel) seine Geschichte
Mit viel Humor und anschaulich erzählt David Copperfield (Dev Patel) seine Geschichte © 2020 eOne Germany

„David Copperfield“ bietet unterm Strich eine gelungene und vor allem angenehm originelle Literaturverfilmung, der man für ihre Makel angesichts seiner unbestreitbaren Tugenden kaum böse sein kann. Ob der Vorlage die verknappte Filmform und auch der leichtfüßige Grundton wirklich gut tun, sei letztlich dahingestellt. Auch ist Iannucci spürbar weniger an dem Narrativ als an den kuriosen Momenten der Geschichte interessiert, wodurch man immer ein wenig auf Distanz bleibt. Dennoch geht man hier mit dem Gefühl heraus, dass Iannucci Dickens im Kern gerecht wird, auch wenn etwas mehr Tiefgang dem Ganzen sicher nicht geschadet hätte.

Bild:

Als sehr überzeugend erweist sich die technische Umsetzung des Films: Das digital auf Arri Alexa XT aufgezeichnete Bild begeistert mit einem großen farblichen Facettenreichtum, Strahlkraft und exzellenter Klarheit. Bildfehler bleiben hier aus, Kontraste und Schwarzwerte sind spitzenmäßig.

Ton:

Akustisch geht es bei „David Copperfield“ im Großen und Ganzen dezenter bzw. frontlastig zu. Besonders in den Vordergrund drängt sich die Filmmusik, die den durchaus vorhandenen Dynamikumfang der Tonspur zum Vorschein bringt. Auch werden hierfür die umliegenden Lautsprecher subtil beansprucht. Ansonsten finden sich eher subtile Umgebungseffekte wider, während es erst gegen Ende bei er Sturmsequenz auf dem Meer deutlich räumlicher und auch druckvoller wird. Stimmen und Dialoge ertönen in bester Verständlichkeit.

Extras:

Ins Bonusmaterial hat sich leider lediglich eine Featurette zur sehr gelungenen Filmmusik von Christopher Willis verirrt, die mit einer Laufzeit von 03:57 Min. zu Buche schlägt.

Blu-ray Wertung
  • 7/10
    Film - 7/10
  • 9/10
    Bild - 9/10
  • 8/10
    Ton - 8/10
  • 2/10
    Extras - 2/10
7/10

Kurzfassung

Originell, sympathisch und frisch.

Fazit:

Armando Iannucci gelingt mit seiner „David Copperfield“-Adaption eine der originellsten, sympathischsten und frischesten klassischen Literaturverfilmungen der letzten Jahre. Das sehr rasante Erzähltempo sorgt dafür, dass der Film anekdotenartig und dadurch ein Stück weit oberflächlich daherkommt, dennoch fängt Iannucci im Großen und Ganzen Charles Dickens Kern ein. Ein besonderes Plus gibt es für die tolle Ausstattung, die fabelhaften Kostüme, die feine Filmmusik und die sehr gute Besetzung.


von Florian Hoffmann

Hinterlasse jetzt einen Kommentar

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht. (Kommentar wird erst geprüft)


*