Captive State – anspruchsvolles und ambitioniertes SciFi-Kino

Captive State - Ashton Sanders
Captive State - Ashton Sanders © Entertainment One Films Germany

Die Kritik:

Captive State - Blu-ray
Captive State – Blu-ray © Entertainment One Films Germany

Sehr lange hat es gedauert, nun erscheint der unkonventionelle Science-Fiction-Thriller „Captive State“ auch in Deutschland. Anfang 2019 zu enttäuschendem Kino-Einspiel in den Vereinigten Staaten gestartet, ist Deutschland tatsächlich nun das letzte Land weltweit, das „Captive State“ veröffentlicht – wenn auch nur im Heimkino. Rupert Wyatt, der zuvor mit „Planet der Affen: Prevolution“ eine alte Franchise gekonnt entstaubte und ein Händchen für intelligentes Sci-Fi-Kino offenbart hat, beweist auch mit „Captive State“ ähnliches Gespür. Anders als bei besagtem Affen-Prequel ist der neue Film des Briten trotz seiner zugrunde liegenden Alien-Invasions-Dystopie beileibe kein typisch bekömmliches Mainstream-Kino, sondern eher anspruchsvolle Science-Fiction mit sozialkritischem Unterbau. Trotz äußerst vielversprechender Ansätze und sehr interessanter Einzelteile bleibt „Captive State“ dennoch hinter den Erwartungen zurück.

Und doch beginnt der Film fulminant und äußerst wirkungsvoll: Die Erde ist angesichts einer gerade geschehenden außerirdischen Invasion im kollektiven Ausnahmezustand: In Chicago folgen wir einem Ehepaar, das mit dem Auto aus der hermetisch abgeriegelten Stadt zu fliehen versucht und schließlich (Spoiler!) Auge in Auge mit den Igel-artigen außerirdischen Bestien den Kürzeren zieht. Diese Begegnung in einem Tunnel ist – so viel sei verraten – außergewöhnlich schockierend und überraschend gelöst, insbesondere wenn erst dort offenbart wird, dass ihre beiden jungen Söhne sich die ganze Zeit auf der Rückbank befanden und sich schließlich selbst den fremden Wesen entgegenstellen (Spoiler Ende).

Nach dieser äußerst gelungenen Eröffnung und einem herausragend stimmungsvollen Vorspann, der ähnlich wie in Zack Snyders „Dawn of the Dead“-Remake zeigt, wie sich die Erde nach Tag X stückweise wandelt, schaltet „Captive State“ nun im Jahr 2027 angekommen einen deutlichen Gang runter. Die Mächtigen der Erde haben akzeptiert, dass sie der Invasoren-Macht unterlegen sind, weshalb man sich beugt und tut, was befohlen wird. So haben jetzt die als „Legislatoren“ benannten und sehr selten gesehenen Aliens den Erdbewohnern aufgetragen, unterirdische Habitats zu bauen, während die großen Städte der Welt zu geschlossenen Zonen ernannt werden. Natürlich werden auch erdliche Ressourcen geplündert, während die US-Regierung das Kriegsgesetz ausgerufen hat, seine Bürger rigoros überwacht und Grundrechte massiv eingeschränkt hat.

Captive State - Vera Farmiga und John Goodman
Captive State – Vera Farmiga und John Goodman © Entertainment One Films Germany

Die Erde ist so ein grauer und trister Ort geworden, bei dem die Schere zwischen Arm und Reich noch weiter auseinanderklafft als zuvor, auch wenn Verbrechen und Arbeitslosigkeit im Grunde ausgemerzt wurden. Im Untergrund Chicagos agiert jedoch eine Widerstandsgruppe namens Phoenix, die genug von der Unterdrückung hat und gegen Staat wie außerirdische Macht mit Gewalt gegen die Polizeistaat-Obrigkeit vorgeht. Mittendrin steht der junge Gabriel Drummond (Ashton Sanders, „Moonlight“), einer der Jungs, die im Prolog des Films ihre Eltern verloren haben. Sein totgeglaubter Bruder Rafe (Jonathan Majors, „Da 5 Bloods“) ist der Anführer der Resistance und plant einen Anschlag auf die Legislatoren, der zum Krieg gegen das totalitäre System aufrütten soll. Ständig beobachtend agiert der Chicagoer Polizist William Mulligan (John Goodman), der unerbittlich Jagd auf die Widerständler macht…

Das alles klingt zugegebenermaßen nach einem packenden und aufregenden Film, jedoch ist „Captive State“ trotz einer konsequent umgesetzten Vision und einer smarten wie hintergründigen Erzählung leider meist das Gegenteil. Ganz wesentlich liegt das leider an der sehr schwachen Charakterisierung seiner vielen Figuren, von denen am ehesten Gabriel als Protagonist bezeichnet werden kann. Die talentierten wie routinierten Akteure wirken hier oft etwas verloren und unterfordert in ihren zurückhaltenden und eher monotonen Parts, wobei am ehesten noch John Goodman für interessante Akzente in einer geheimnisvollen Rolle sorgen kann. Andere Darsteller, insbesondere Vera Farmiga als mysteriöse Prostituierte, werden völlig verschwendet, während der in „Moonlight“ so wirkungsvolle Ashton Sanders hier leider sehr blass bleibt. Die sehr schwermütige Tonalität und langsame Erzählweise des Films tut dann ihr übriges, dass man hier einfach nicht so involviert ist. Die Figuren sind einem gelinde gesagt reichlich egal.

Captive State - Außerirdischer
Captive State – Außerirdischer © Entertainment One Films Germany

Die Taktik, die durchaus interessant gestalteten Außerirdischen kaum, sowie ihren unterirdischen Lebensraum gar nicht zu zeigen, ist interessant und erzeugt zumindest subtile Spannung. Wyatts Fokus liegt hier letztlich aber gar nicht auf den Konventionen des Genres und damit eben nicht auf den Außerirdischen selbst. Diese fungieren als symbolgeladener Platzhalter für ein soziopolitisch universelles Szenario, das unerwarteterweise insbesondere im Jahr 2020, aber auch ansonsten Gültigkeit besitzt. Gepaart mit einer überzeugend und spürbar durchdachten, zurückhaltend und trist gestalteten Welt, die von Kameramann Alex Disenhof („Watchmen“) in an „Schlacht um Algier“ angelehnt in dokumentarischer Direktheit eingefangen wird, ist „Captive State“ zumindest gestalterisch wie auch in seiner Idee ein durchaus interessanter Film.

Wyatts Ansatz, auf konventionelles Spektakel zu verzichten und sich auf die Überwachungstaktiken des Staates sowie die Planungen der Rebellen im Untergrund zu fokussieren, ist löblich. Dennoch hätte der Mangel an interessanten Figuren zumindest mit dem ein oder anderen Höhepunkt ausgeglichen werden können. Sicher, da ist der reißerische und mitreißende Beginn und die ein oder andere in Ansätzen gelungene Action- bzw. Suspensemoment, das reicht jedoch nicht, um hier einen – gerade wegen des offensichtlich vorhandenen Potentials – zufriedenstellenden Film abzuliefern.

Bild:

„Captive State“ wurde digital auf Arri Alexa Mini aufgezeichnet und verfügt über einen betont kühlen und entsättigten Look. Braun-, Grau- und Grüntöne dominieren hier die Farbpalette, die auf Blu-ray authentisch schmutzig und bedrückend erscheint. Details- und Schärfewerte sind konstant auf hohem Niveau, gelegentlich drohen manche Feinheiten in sehr dunklen Szenen aber unterzugehen. Kontraste sind sehr gut, Schwarzwerte könnten hier und da intensiver ausfallen. Alles in allem präsentiert sich hier ein fast durchweg überzeugendes Bild, das den Film adäquat darstellt.

Ton:

Besonders auffällig bei den hier vorliegenden Tonspuren ist eine besonders druckvolle und dynamische Umsetzung, die den Zuschauer voll ins Geschehen wirft. Es wummert immer wieder gewaltig, ebenso geschäftig ist auch die lebendige Surroundumsetzung. Dialoge und Stimmen ertönen jederzeit bestens verständlich.

Extras:

Leider ist keinerlei Bonusmaterial auf der Blu-ray enthalten.

Blu-ray Wertung
  • 5.5/10
    Film - 5.5/10
  • 9/10
    Bild - 9/10
  • 9/10
    Ton - 9/10
6/10

Kurzfassung

Schöpft sein Potential leider nicht aus.

Fazit:

„Captive State“ ist anspruchsvolles und ambitioniertes Science-Fiction-Kino, das vollgepackt mit interessanten Ideen ist, aber in Sachen Figurenarbeit zu unfokussiert und blass daherkommt, um mitzureißen. Das ist schade, denn diese unkonventionell sowie schlüssig inszenierte Dystopie und Analogie auf totalitäre Überwachungsstaaten hat viele vielversprechende Ideen, die jedoch nicht in einem dramaturgisch kohärenten Film zur Entfaltung kommen.


von Florian Hoffmann

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