Border – Kritik zum schönen Mediabook

Fasziniert: Tina (Eva Melander) spürt Vores (Eero Milonoff) Anziehungskraft
Fasziniert: Tina (Eva Melander) spürt Vores (Eero Milonoff) Anziehungskraft © Meta Spark & Kärnfilm AB

Die Kritik:

Mit einem andersartigen und speziellen Sinn für abstrakte Konstellationen und mainstreamfremde Konzeptionen sind Filme skandinavischer Filmmacher immer einen Blick wert. Neben Größen aus den Ländern des „Fika“ und der „Hygge“ wie DÄNISCHE DELIKATESSEN (2003), ADAMS ÄPFEL (2005) und IN CHINA ESSEN SIE HUNDE (1999) finden sich aber auch viele ernste und nicht-komödiantische Filme, die mehr als einen Blick würdig sind. Zu ihnen möchte sich künftig auch BORDER zählen.
BORDER feiert am 16.08.2019 als DVD, Blu-ray und Mediabook seinen Start im deutschen Heimkino-Markt. Der Film ist ab 16 Jahren freigegeben und geht 101 Minuten. Was das Mediabook bereithält und welche Qualität filmisch zu erwarten ist, erfahrt Ihr in unserer Kritik.

Border Mediabook
Border Mediabook © capelight pictures

BORDER startet wenig überraschend umgehend mit seiner allgegenwärtigen Hauptfigur – der Grenzbeamtin Tina (Eva Melander; FLOCKEN), die in Ihrer ersten Szene ausgiebig ein Insekt inspiziert, bevor sie es wieder vorsichtig zurück auf den Boden legt. Diese Szene ist bereits essentiell für die Entwicklung sowohl der Handlung als auch Ihrer Person. Zu diesem Prozess tragen der Ihr sehr ähnliche Vore (Eero Milonoff; DER GLÜCKLICHSTE TAG IM LEBEN DES OLLI MÄKI) und Ihr Partner und Mitbewohner Roland (Jörgen Thorsson; “Die Brücke – Transit in den Tod“) maßgeblich bei. Es ist schnell ersichtlich, dass Tina eine besondere Begabung hat: Sie riecht Menschen. Doch das geht weit über Parfum, After-Shave und Deodorant hinaus, denn sie besitzt eine beispiellose soziale Intelligenz, die Ihr ständig dabei hilft, Personen aufzuspüren, die den Zoll illegal überwinden möchten. Scham, Schuld und Wut spürt sie sofort, statt sie nur zu sehen.

Ihre Arbeit ist zu Beginn nur Mittel zum Zweck, um auf Vore zu stoßen. Die Beziehung der beiden zueinander wird, nachdem sie mehr Zeit miteinander verbringen, sehr aufwendig und fein gezeichnet. Zunächst wirkt Vore geheimnisvoll auf Tina – auch weil er nicht nur optisch ein perfektes Ebenbild Tinas zu sein scheint. Tina ist verwirrt, weil Ihre gewohnten Fähigkeiten bei ihm aussetzen, was sie allerdings auch zunehmend reizt. Diese abstrakte und für viele Zuschauer wohl ungreifbare Beziehung, auf die der Film viel eher setzt als auf klare, fortschreitende Handlungspunkte, wirkt im Zusammenspiel mit einem nicht sehr raschen Storytelling und der Abwesenheit des Scores an einigen Stellen magisch, weil sie neuartig und nicht schnell einzuordnen ist. Man wählt für die beiden Charaktere keine endlosen Dialoge, ständige Liebesbekundungen oder klischeehafte, gemeinsame Aktivitäten, sondern fügt oft Momente des Schauens, der Stille und des Verarbeitens ein, was die Beziehung nicht entmystifiziert, aber diegetisch wie nicht-diegetisch katalysiert. Der Film drückt dahingehend jedoch an einigen Stellen sehr und schafft es nicht stetig, diese erste Dramaturgie zu halten, sodass immer wieder Länge das Resultat sind.
„Tina und Vore“ ist auf keinen Fall nur das Streben nach seinesgleichen in einer Welt, in der Andersartigkeit nur oberflächlich toleriert wird und Sehnsüchte umso mehr vertieft werden. Es ist vielmehr die Schönheit der Menschlichkeit in Ihrem Kern und die Unfassbarkeit von Gefühlen und Emotion, deren egoistische wie unmündige Brüche nur eine weitere skurrile Erscheinung sind.

Miteinander: Tina (Eva Melander) fühlt sich von Vore (Eero Milonoff) verstanden.
Miteinander: Tina (Eva Melander) fühlt sich von Vore (Eero Milonoff) verstanden. © Meta Spark & Kärnfilm AB

Einzeln werden die beiden Protagonisten nicht immer mit feinem Händchen gezeichnet. Es wird zu plakativ und hart, wenn vorwiegend Tina durch Ihre Mimik und Gestik wie auch das Riechen mit weit hochgezogener Nase und offenem Mund aggressiv dargestellt wird und vor dem Metaaspekt des Films zu sehr an Höhlenmenschen erinnert. Doch die Personen werden einzeln für sich gesehen mit Fortschreiten der Handlung immer irrelevanter.

Doch die dritte Person der Handlung ist keinesfalls überflüssig, sondern essentiell, um die Geschichte so voranschreiten zu lassen wie es Ali Abbasi (SHELLEY) beabsichtigt. Roland dient neben kurzen und sehr schüchternen, sozialen Szenen der Passivität seitens Tina, die Ihre eigene Wirkung erzwingen, primär als funktionales Objekt. Er arbeitet als kontinuierlicher Kontrastpunkt für Tina, über den sie wohl unterbewusst zwischen den beiden Welten, in denen sie leben muss, Vergleiche vornimmt und Schlüsse zieht, von denen sie jeder einzelne in Ihrem Denken und Ihrer Art leise bestätigt.

BORDER ist kein Film für die breite Masse, obgleich er durchaus linear und unmissverständlich konzipiert ist. Explizite Szenen und grenzwertige Themen in Paarung mit einer grandiosen Maskenbildner-Arbeit, die die beiden Schauspieler aussehen lassen, als wären Ihre Chromosomenfehler echt, sorgen nicht bei jedem Zuschauer für puren Genuss. Allerdings ist der Streifen bei näherer Betrachtung keineswegs übermäßig speziell oder abwegig, sobald man es schafft, optische, manipulative Mittel auszublenden. Tauscht man die beiden Hauptpersonen mit visuell „Hollywood-affinen“ Pendants, so würden aller Wahrscheinlichkeit nach auch jene Zuschauer eine größere Identifikation verspüren – auch wenn das Endprodukt ein Film wäre, der – bis auf wenige Details – keine großen Unterschiede zum Urprodukt zeigte: Ein hysterisch-freudiges gemeinsames Hüpfen im See wirke ganz anders, wären dem heutigen Idealbild nach gutaussehende und kommunikativ standardisierte Personen involviert: Und genau hier liegt die Farce.

Die Grenzbeamtin Tina (Eva Melander) hat ein herausragendes Talent: Sie kann Gefühle riechen.
Die Grenzbeamtin Tina (Eva Melander) hat ein herausragendes Talent: Sie kann Gefühle riechen. © Meta Spark & Kärnfilm AB

Die schauspielerischen Leistungen sind durchweg sehr positiv zu werten und scheinen den Schauspielern auf den Leib geschneidert.
Mit der deutschen Synchronisation, die technisch wertig ist, macht man sich bei der Besetzung keinen Gefallen. Die Stimmen gehen phonetisch konträr mit dem, was die Figuren tun oder wie sie sich verhalten. In der Synchronisation liegt zu viel Tiefe und Dynamik, die die eher wenigen Szenen, in denen Tina und Vore miteinander reden, ein Stück weit zerstören.
Gegen Ende findet der Streifen schließlich innerhalb seiner Handlung einen gut integrierten Twist und damit seinen Schluss.

Bild:

Das Bild weist über die gesamte Lauflänge eine adäquate Farbgebung auf und liefert gute Schärfewerte. Besonders Szenen, die sich in Wäldern oder draußen abspielen, zeigen eine schöne Dynamik und haben nur selten zu unrunde Details. In dunkleren Einstellungen finden sich vereinzelt Probleme in der Farbdifferenzierung.

Ton:

Die deutsche, wie auch die schwedische, Tonspur liegt in einem Dolby Digital 5.1 vor. Der deutsche Ton zeigt dabei eine angenehme Balance, die allerdings durch einen nicht immer satten räumlichen Klang Abstriche einbüßt. Generell ist der Ton hauptsächlich damit beschäftigt, Sprache zu transportieren, was ihm technisch völlig akzeptabel gelingt.

Extras:

Aus den Extras sticht das Mediabook deutlich hervor. Hier schafft es „Capelight Pictures“ erneut, Sammlerherzen höher schlagen zu lassen. Auf dem auch in diesem Fall qualitativ hochwertigen Papier bringt man eine Vielzahl an Texten und Bildern unter, die interessante Hintergrundinfos bieten, Gedankenstöße geben und dafür sorgen, dass man das Mediabook nicht nur einmal mit Freude durchblättert.

Blu-ray Wertung
  • 6.5/10
    Film - 6.5/10
  • 7/10
    Bild - 7/10
  • 8.5/10
    Ton - 8.5/10
  • 8/10
    Extras - 8/10
7.5/10

Kurzfassung

BORDER fühlt sich neuartig an, kann diesen Effekt aber nicht langfristig erzielen.

Fazit:

BORDER fühlt sich neuartig an, kann diesen Effekt aber nicht langfristig erzielen und büßt trotz seiner Darsteller und inneren Aspekte durch eine zu dünne Tiefe ein.

Border gehört zu den besten schwedischen Filmen ever! Hier findet ihr weitere Top-Filme aus Schweden.


von Denis L. Klemm

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