Bernadette – Blu-ray Kritik: warmherziges Portrait einer Frau

Bernadette (Cate Blanchett), ihr Mann Elgie (Billy Crudup) und ihre Tochter Bee (Emma Nelson).
Bernadette (Cate Blanchett), ihr Mann Elgie (Billy Crudup) und ihre Tochter Bee (Emma Nelson). © LEONINE

Die Kritik:

Bernadette - Blu-ray Cover
Bernadette – Blu-ray Cover © LEONINE

Was es für kreative Menschen bedeutet, ihrer Leidenschaft nicht freien Lauf zu lassen, erkennt man an Bernadette Fox (Cate Blanchett): Die ehemalige Architektin hat sich nahezu völlig von der Außenwelt isoliert und lebt in einem heruntergekommenen Anwesen, dessen Wiederaufbau ihr einziger künstlerischer Antrieb geblieben ist. Die neurotische Misanthropin galt einst als aufstrebender Star am Architektenhimmel, doch nachdem sie ihrem Ehemann und Technik-Genie Elgin (Billy Crudup) sowie ihrer Tochter Bee (Emma Nelson) zuliebe von Los Angeles nach Seattle gezogen ist, kam ihr Job zum Erliegen. Bernadette verabscheut den Kontakt zu anderen Menschen, die Beziehung zu Elgin hat sich fast bis zum Gefrierpunkt abgekühlt und nur ihre Tochter scheint ihr noch Antrieb zu geben. Als jedoch ein Versprechen eingelöst werden muss, mit Bee gemeinsam in die Antarktis zu reisen, macht sich zunehmend Panik bei Bernadette breit, wodurch die Lage nach und nach zu eskalieren droht…

„Bernadette“ basiert auf dem Bestseller von Maria Semple und wurde nun von Richard Linklater fürs Kino adaptiert. Auch wenn der teils etwas holprig erzählte Film nicht frei von gewissen tonalen Schwächen ist und so nicht zu den besten Linklater-Filmen gezählt werden kann, zeigt der Texaner auch hier wieder sein Händchen für fein ausbalancierte menschliche Beobachtungsgabe. Besonders gefällt hier sein komplexes Portrait einer Frau, die auf den ersten Blick alles andere als eine typisch zugängliche Identifikationsfigur funktioniert. Doch hier ist längst nicht alles so, wie es auf den ersten Blick scheint: Linklater hält dem Zuschauer förmlich den Spiegel vors Gesicht, denn man macht sich vermutlich einem direkten oberflächlichen Verurteilen dieser so unangenehmen Person ebenso schuldig wie Nachbarin Audrey (Kristen Wiig): Nach außen hin erscheint diese sozial engagierte und betont freundliche Figur wie ein Musterbürger, die ihrer Nachbarin freundlich ins Gesicht lächelt, sie aber eigentlich verabscheut und hinter ihrem Rücken schlecht über sie redet.

Cate Blanchett als warmherzige und sensible Mutter Bernadette Fox.
Cate Blanchett als warmherzige und sensible Mutter Bernadette Fox. © LEONINE

Doch mit sensibler und gewohnt leichtfüßiger Figurenzeichnung entlarvt Linklater sowohl die bornierte wie heuchlerische und selbstgerechte Audrey als auch das Publikum: Stück für Stück legt Linklater Bernadettes Hintergründe frei und zeichnet damit ein weit komplexeres Bild, als es der erste Eindruck vermutlich zugelassen hat. Spätestens wenn Bernadette und Bee gemeinsam im Auto Cyndi Laupers „Time After Time“ singen, offenbart sich eine unerwartet tief verbundene Mutter-Tochter-Beziehung, die Linklater warmherzig, einfühlsam und sensibel zum Leben erweckt. Als klar wird, welche Opfer die hochtalentierte Architektin erbringen musste und wie sie zu ihrem gegenwärtigen agoraphobischen, widerspenstigen und unzufriedenen Selbst wurde, lebt der Film spürbar auf.

Emma Nelson in der Rolle von Bernadettes Tochter Bee.
Emma Nelson in der Rolle von Bernadettes Tochter Bee. © LEONINE

Dass Bernadette irgendwann von der Bildfläche verschwindet, ist angesichts des cleveren Originaltitels „Where’d You Go, Bernadette“ kaum eine Überraschung. Doch deutet der Titel nicht nur das physische Verschwinden der Protagonistin an, es greift auch mit subtiler Doppeldeutigkeit ihre angesprochene charakterliche Transformation auf. Das Verschwinden sorgt jedoch nicht dafür, dass sich aus der Tragikomödie ein Mysterythriller entwickelt, denn Linklater bleibt stets bei seiner Figur, die sich aus der Not heraus auf eine Selbstfindungs- und schließlich Selbsterfüllungsreise geht.

Auf der Suche nach sich selbst: Cate Blanchett als Bernadette.
Auf der Suche nach sich selbst: Cate Blanchett als Bernadette. © Universum Film

Sicher, der Film fordert etwas Geduld, denn traditionellerweise erfordert es das Medium Film, dass man sich so schnell wie möglich mit der Hauptfigur identifiziert. Hier hat es das Buch vermutlich leichter, doch Linklaters gewohnt unaufgeregter Touch sowie Cate Blanchetts starke Performance belohnen das Wohlwollen des Zuschauers. Als etwas schwerfällig und nicht allzu elegant erweisen sich die immer wieder eingewobenen, von den Figuren selbst angesehenen Dokumentarfilmclips, die zu großen Teilen den Hintergrund von Bernadette beleuchten. Dennoch wird mit ihnen und Erzählungen der Figuren ein immer komplexeres Bild dieser Frau gezeichnet, sodass schließlich alles Sinn macht und man zunehmend in die Geschichte involviert ist und mit einem zufriedenstellenden wie süßen Schluss belohnt wird.

Bild:

Das digital aufgezeichnete und sehr saubere Bild überzeugt an sich durchweg. Der Schärfe- und Detailgrad ist wie bei heutigen Produktionen gerade bei Nahaufnahmen von Gesichtern auf konstant hohem Niveau. Kontraste und Schwarzwerte sowie eine natürliche wie vielfältige Farbpalette sorgen für einen sehr angenehmen Bildeindruck. Aus ästhetischen Gründen verfügt über das Bild scheinbar über ein digital eingefügtes Filmkorn, wodurch der Film texturierter und weniger glatt erscheint. Bildfehler bleiben aus.

Ton:

Akustisch überrascht die Blu-ray mit einen überaus lebhaften und differenzierten räumlichen Klang. Sei es das Plätschern von Regen, die Filmmusik oder andere atmosphärische Klänge, die Surroundsprecher werden recht konstant gefüttert. Bei einer Erdrutschsequenz wird auch der Subwoofer eingeschaltet, wodurch es auch zu wuchtigen Momenten und hoher Klangdynamik kommt. Stimmen und Dialoge erfreuen durch beste Klarheit.

Extras:

Das Bonusmaterial überzeugt mit zwei kurzweiligen und einsichtsreichen Featurettes.

  • Bringing Bernadette to Life (14:47 Min.)
  • Who is Bernadette (04:47 Min.)
Blu-ray Wertung
  • 7.5/10
    Film - 7.5/10
  • 9/10
    Bild - 9/10
  • 9/10
    Ton - 9/10
  • 4.5/10
    Extras - 4.5/10
7.5/10

Kurzfassung

Richard Linklater gelingt es ein komplexes und gewohnt menschliches wie warmherziges Portrait einer Frau in einer persönlichen Krise zu zeichnen.

Fazit:

„Bernadette“ ist wie seine Hauptfigur nicht ohne Schwächen, jedoch gelingt es Richard Linklater ein komplexes und gewohnt menschliches wie warmherziges Portrait einer Frau in einer persönlichen Krise zu zeichnen. Der Weg zur Selbstfindung mag holprig sein, ist aber letztlich lohnenswert und sogar überraschend.


von Florian Hoffmann

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