Beale Street – Blu-ray Kritik: Kinomagie, wie man sie heutzutage selten sieht

Fonny (Stephan James) und Tish (KiKi Layne) beim Tanzen
Fonny (Stephan James) und Tish (KiKi Layne) beim Tanzen ©Tatum Mangus Annapurna Pictures DCM

Die Kritik:

Beale Street Blu-ray Cover
Beale Street Blu-ray Cover © DCM

Nach Moonlight gibt es mit „Beale Street“ das nächste hochwertige Drama von Regisseur Barry Jenkins. Basierend auf einen Bestseller von Autor James Baldwin erzählt der Film die Liebesgeschichte zwischen Fonny und Tish. Der Film spielt in den 70er, in Harlem, New York und verknüpft hier Sozialdrama, Liebesdrama und Gesellschaftskritik miteinander und erschafft ein visuell schlicht wunderschönes Werk, das berührt und den Zuschauer verzaubert. Hier spielen Dinge wie Familie, Liebe, Rassismus oder soziale Ungerechtigkeit eine große Rolle. Themen, welche auch heute noch eine hohe Relevanz besitzen. Was Jenkins hier letztlich kreiert hat, ist ein Streifen, der den Zuschauer nicht mit der Brechstange mit sozialen Missständen konfrontiert, mit voller Kraft auf die Tränendrüse drückt oder kitschig seine Szenen auserzählt. Vielmehr legt Barry Jenkins besonders viel Wert auf die Ästhetik seiner mit der Kamera eingefangenen Bilder, zeigt die Schönheit und Reinheit der Liebe und der Figuren, ohne pathetisch zu wirken und lässt den Rassismus wie ein Schleier über den Handlungsverlauf fallen. Zwar fehlt ihm gerade im Mittelteil und bis zu einem gewissen Grad über den ganzen Film hinweg eine dramatische Intensität und eine zielgerichtete Erzählweise. Nichtsdestotrotz ist Beale Street definitiv ein Muss für Liebhaber von Dramen, die eine sozialkritische Note besitzen.

Einer der großen Stärken des Films ist die Figurenzeichnung. Hier hat jede Figur seine Ecken und Kanten, seine Stärken und Schwächen und sind kaum klischeebehaftet geschrieben. Man bekommt schnell das Gefühl, dass man hier echte Menschen zu sehen bekommt mit realen Problemen und Herausforderungen, die es zu bewältigen gibt. So kann der Zuschauer sofort einen emotionalen Bezug zum Schicksal der Hauptfiguren herstellen, die es auch zwingend braucht, da der Film grundsätzlich sehr langsam erzählt ist und man Sitzfleisch benötigt, da Beale Street sicherlich kein kurzweiliger und schnelllebiger Film ist. Worauf Barry Jenkins verzichtet und was als sehr erfrischend wahrgenommen werden kann, ist die Tatsache, dass sich der Film nicht im Elend, der Trauer und der Verzweiflung suhlt und seine Figuren nicht non-stop leiden lässt. Der Film ist auf zwei Zeitebenen erzählt. Während die eine Zeitebene im aktuellen Geschehen spielt, in dem Fonny aufgrund des Verdachts der Vergewaltigung in Untersuchungshaft sitzt, zeigt die andere Zeitebene die Beziehung der beiden Hauptfiguren vor der Verhaftung auf. Die Art und Weise, wie hier Barry Jenkins seine Figuren filmt bzw. gar schon fotografiert, vor der Kamera spielen lässt und Intimitäten inszeniert, hat was äußerst einfühlsames und sensibles. Er versteht es die Geschichte und dessen Thematik mit viel Fingerspitzengefühl auf die Kinoleinwand zu visualisieren.

Fonny (Stephan James)
Fonny (Stephan James)
©Tatum Mangus Annapurna Pictures DCM

Gut geschriebene Figuren sind letztlich nur halb so viel wert, wenn die schauspielerische Leistung mittelmäßig ist. Dies ist hier gewiss nicht der Fall. Der gesamte Cast trumpft hier auf und bietet zudem den einen oder anderen interessanten Gastauftritt. Es ist vor allem das zurückhaltende, aber auf den Punkt genaue Spiel der Darsteller, welche ihre Figuren lebendig aussehen lassen. Gerade wenn man sich Stephan James und KiKi Layne anschaut, welche Fonnie und Tish spielen, keimt schnell das Gefühl auf, ein echtes Paar zu sehen. Darüber hinaus glänzt natürlich Regina King, als fürsorgliche Mutter, die aufopferungsvoll zum Wohle ihrer Tochter ihre Unterstützung anbietet. Auch sie stiehlt hier niemanden die Show oder versucht dem Film ihren Stempel aufzudrücken. Dennoch besticht sie hier durch ein sehr feinfühliges Spiel und bringt die nötige Authentizität und Bodenständigkeit in den Charakter rein, welcher der Film verlangt.

KiKi Layne als Tish
KiKi Layne als Tish
©Tatum Mangus Annapurna Pictures DCM

Was vor allem auffällt, ist, dass Beale Street, nicht das klassische Rassismus-Drama ist, dass vor lauter gezeigter Ungerechtigkeit dem Zuschauer an die Nieren geht und dem Zuschauer den Rassismus in den USA frontal präsentiert. Der Film widmet sich nahezu ausschließlich seinen Figuren und den Beziehungen untereinander. Er zeigt das Alltagsleben sowohl von Tish und Fonnie vor der Verhaftung als auch das Zusammenleben Tishs mit ihrer Familie und ebenfalls den juristischen Kampf für die Freilassung Fonnies. Auch letzteres artet zu keinem Zeitpunkt in irgendwelchen spannend geschriebenen Gerichtsszenen aus. Vielmehr fokussiert sich der Film auf die Beziehung zwischen Tish bzw. ihrer Mutter und ihrem Anwalt. Das Thema Rassismus ist omnipräsent im Film, jedoch prinzipiell nicht die Hauptproblematik, mit dem sich der Film befasst. Es ist eine Begleiterscheinung, welche die Figuren und dessen Schicksal prägt. Insofern zeigt der Film nüchtern auf, welch Einfluss Rassismus im Alltag von Afro-Amerikaner besitzt. Der Film verliert sich jedoch leicht in seinem Fokus der ansehnlichen Inszenierung der Geschichte und erzählt zudem vor allem im zweiten Drittel die Geschichte im Kern nicht weiter fort. So wird Beale Street bis zu einem gewissen Grad zäh und langatmig, doch der Zauber, den er zu Beginn entfacht, verblasst nie. Somit bleibt Beale Street bis zum Schluss ein magisches Stück Kino, dessen Ende vielleicht nicht befriedigend im Sinne eines Happy Ends ist, jedoch genau mit der richtigen Tonalität seine Geschichte stilvoll zu Ende bringt.

Bild:

Das Bild ist geprägt von einem eher dunklen Ton und warmen Farben. So gibt es hier sowohl sehr scharfe Nahaufnahmen also auch Filmkorn, um die 70er Jahre visuell darzustellen. Prinzipiell gibt es hier ein zufriedenstellendes Bild, auch wenn rein aus technischer Sicht die Aufarbeitung hätte besser ausfallen können.

Ton:

Tish (KiKi Layne) und Fonny (Stephan James)
Tish (KiKi Layne) und Fonny (Stephan James) ©Tatum Mangus Annapurna Pictures DCM

Die Synchro ist zwar prinzipiell gelungen, jedoch sind teilweise die Dialoge sehr leise. Dies kann bis zu einem gewissen Grad beabsichtigt sein, da die musikalische Untermalung in der einen oder anderen Szene dominieren sollte. Dennoch sollte man sich darauf gefasst machen, erstmal beim Fernseher laut aufzudrehen, um alles zu verstehen. Ansonsten gibt es hier keine nennenswerten Mängel, da Hintergrundgeräusche, die Gespräche zwischen den einzelnen Figuren und vor allem die Musik durch die Disc schön wiedergegeben werden.

Extras:

In einem kleinen Behind-The-Scenes-Video wird hier nochmals auf die Hintergründe des Films eingegangen. Die Darsteller und der Regisseur kommen zu Wort und es wird ein Blick hinter den Kulissen des Films gewährt und Ausschnitte aus den Dreharbeiten gezeigt. Zudem gibt es eine Trailershow. Hier ist aber auf jeden Fall deutlich Luft nach oben gewesen.

Blu-ray Wertung
  • 8.5/10
    Film - 8.5/10
  • 7/10
    Bild - 7/10
  • 7/10
    Ton - 7/10
  • 5.5/10
    Extras - 5.5/10
8/10

Kurzfassung

Beale Street ist Kinomagie, wie man sie heutzutage in dieser Form selten sieht.

Fazit:

Barry Jenkins zeigt mit Beale Street, das Moonlight gewiss keine Eintagsfliege von ihm war. Hier erschuf er einen faszinierenden Film über Liebe, Familie, Beziehungen und Rassismus in den 70er Jahren in New York. Visuell eine Augenweide, erzählerisch bis auf einzelne Schwächen glänzend und auch schauspielerisch beeindruckend – Beale Street gehört, wenn man nach dem deutschen Kinojahr geht, definitiv zu den besten Filmen 2019.


von Morteza Wakilian

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