Bauernopfer – Spiel der Könige – Blu-ray Kritik: Schachmatt inmitten des Kalten Krieges

Ist Schach-Genie Bobby Fisher (Tobey Maguire) das Bauernopfer im Spiel der Könige?
Ist Schach-Genie Bobby Fisher (Tobey Maguire) das Bauernopfer im Spiel der Könige? © Studiocanal

Die Kritik:

Inmitten der weltweit angespannten Lage angesichts des Kalten Krieges war es Anfang der Siebzigerjahre das Duell zweier Schach-Großmeister, die das interkontinentale Duell Westen gegen Osten symbolisierten und die Aufmerksamkeit der Welt für kurze Zeit auf eine Randsportart lenkten.

Bauernopfer - Spiel der Könige Blu-ray Cover
Bauernopfer – Spiel der Könige Blu-ray Cover © Studiocanal

Diese beiden Schachgrößen, Bobby Fischer auf amerikanischer und Boris Spassky aus sowjetischer Seite, bilden nun das Zentrum von Edward Zwicks historischem Drama und Charakterstudie „Bauernopfer“. Auf Basis des akribisch recherchierten und sich nur recht wenige historische Freiheiten nehmenden Drehbuchs des Oscar-nominierten Autors Steven Knight („Tödliche Versprechen“, „No Turning Back“) werden hier zum einen die kühle und angespannte Situation einer Ära dargestellt, aber vor allem das Portrait eines schwierigen Genies gezeichnet, das sich nur bedingt als Identifikationsfigur für einen Spielfilm eignet. Bobby Fischer war ein manisch-besessener Mann, für den seit Kindheitstagen nur eine Sache wichtig war: Schach. Einst ein Wunderkind in Amerika, hatte sich Fischer schon früh das unbedingte Ziel gesetzt, Weltmeister zu sein, allen eindeutig unter Beweis zu stellen, dass er der Beste ist. Dieser Weg führte nur über den amtierenden Weltmeister Boris Spassky, dessen sowjetische Herkunft aus einem eigentlich rein sportlichen Duell plötzlich ein politisch aufgeladenes Ereignis werden ließ und Fischer kurzfristig auf den Status eines Superstars hob.

Bauernopfer“ schildert zunächst die Kindheit und Jugend von Fischer, der von seiner kommunistisch orientierten und oft abwesenden Mutter Regina (Robin Weigert) ohne Vater in New York großgezogen wird. Er beginnt sich schon mit sechs Jahren selbst das Schachspiel beizubringen und entwickelt hier bereits einen wahnhaften Ehrgeiz und unbedingten Siegeswillen, der ihm einen schnellen Aufstieg in der Szene bereitet. Sein erster großer Erfolg ist der Sieg nationaler Meisterschaften und der Titel als jüngster Großmeister aller Zeiten. Nachdem Fischer bei einem internationalen Turnier in Bulgarien Betrug in Form von geheimen Absprachen unter den sowjetischen Spielern vermutet, beendet er nicht nur kurzerhand das Turnier, sondern auch direkt seine Karriere.

Bauernopfer - Spiel der Könige - Schachpartie
Bauernopfer – Spiel der Könige © StudioCanal

Mithilfe des amerikanischen Anwalts und Schachfans Paul Marshall (Michael Stuhlbarg („A Serious Man“, „Steve Jobs“) und dem ehemaligen Junior-Weltmeister und jetzigem Priester William Lombardy (Peter Sarsgaard, „Die glorreichen Sieben“, „Garden State“) versucht Fischer jedoch schnell den nächsten Anlauf auf der internationale Schachbühne. Seine Turnierteilnahmen erweisen sich als sehr erfolgreich, er schlägt einen Großmeister nach dem anderen und erfreut sich bald auch bei der allgemeinen Bevölkerung als Berühmtheit. Sein Ziel Boris Spassky (Liev Schreiber, „Spotlight“, „Der Manchurian Kandidat“) rückt immer näher, aber auch seine Paranoia und sein unermesslicher Größenwahn steigern sich zusehends…

Der Film beginnt direkt mit dem erwachsenen Bobby Fischer (Tobey Maguire, „Spider-Man 1-3“, „The Great Gatsby“), der vor seinem Match gegen Spassky alleine in einem Hotelzimmer in Island sitzt und von einem Anflug der Paranoia überkommen wird. Er ist sich sicher, dass die Russen ihn verfolgen und versuchen abzuhören. Diese Momente verteilen sich im gesamten Film und werden immer gravierender, Fischer hat sogar Angst davor, dass die Sowjetunion Bomben in sein Flugzeug schmuggelt oder ihn über Zahnfüllungen abhört. Die Paranoia und seine obsessives Verhalten, das sich unter anderem in immer sonderbarer werdenden Anforderungen an seine Umwelt darstellt, machen einen wesentlichen Teil des Films aus.

Bauernopfer - Spiel der Könige - Liev Schreiber
Bauernopfer – Spiel der Könige – Liev Schreiber © StudioCanal

Tobey Maguire, der hier auch als Produzent fungierte, spielt seine schwierige Rolle mit großer Inbrunst und Intensität, auch wenn er dem realen, sehr athletisch und groß gebauten Fischer überhaupt nicht ähnlich sieht. Regisseur Edward Zwick, der besonders für seine großen, oft historischen Filme wie „Last Samurai“, „Glory“ oder „Blood Diamond“ bekannt ist, aber auch eine Stärke für charakterorientierte Stoffe wie „Love and Other Drugs“ oder „Nochmal so wie letzte Nacht“ besitzt, inszeniert „Bauernopfer“ im Großen und Ganzen wie einen Sportfilm: Der Sportler, hier Bobby Fischer, hat ein großes Ziel, auf das er hinarbeitet, ihm werden aber immer wieder Steine in den Weg geworfen. Bei dieser Art von Film ist es selbstverständlich, dass man sich mit dem Protagonisten identifiziert und ihm alles Glück der Welt wünscht, um an sein Ziel zu gelangen. Im Falle von „Bauernopfer“ fällt das etwas schwerer, denn die Hauptfigur wird als unerträgliches, häufig cholerisches Scheusal mit schlechten sozialen Fähigkeiten dargestellt, für den nichts außer Schach eine Bedeutung hat. Fischer ist maßlos arrogant, selbstverliebt, aggressiv und offensiv, um den Aufbau von Sympathie sind Zwick und Maguire sichtlich nicht interessiert. Filme mit unsympathischen, fehlerbehafteten und komplexen Charakteren im Zentrum können funktionieren (Scorsese ist z.B. ein Meister hierfür, siehe „Wie ein wilder Stier“), „Bauernopfer“ ist leider eher keiner davon.

 

Es dauert nicht lange, da wird klar, dass Fischer eine Persönlichkeit mit ernsthaften psychologischen Störungen zu sein scheint, deren Symptome zwischen paranoider Persönlichkeitsstörung, Schizophrenie und Autismus schwanken (beim realen Fischer wurde nie eine offizielle Diagnose aufgestellt).

Bauernopfer - Spiel der Könige - Bobby Fischer in jungen Jahren
Bauernopfer – Spiel der Könige – Bobby Fischer in jungen Jahren © StudioCanal

Vielleicht war Fischer aber auch einfach nur ein wahnsinnig Getriebener, der Film vertieft die Thematik nicht, er stellt nur dar, gibt ihm keine echte menschliche Dimension. In seiner erzählerischen Struktur folgt er jedoch dem historischen Sportdrama und gewisse stilistische Griffe von Zwick machen deutlich, dass man den Zuschauer mitfiebern lassen möchte. Das fällt besonders bei dem ziemlich pathetischen Finale auf, das angesichts einer Figur, für die man nur schwer Empathie aufbauen kann, recht flach fällt. Maguire ist eine aufgedrehte und schrullige Präsenz, die die unangenehme Art seiner Figur fast schon zu überzeugend darstellt, Schreiber im Gegensatz dazu ist die überlegte Ruhe in Person. Sein Spassky kommt letztlich als weit sympathischere Figur daher, die ohne großes Gehabe viel größeres Selbstbewusstsein ausstrahlt als Fischer. Schreibers subtil menschliche und gefasste Darstellung gehört so zu den großen Stärken des Films.

Es fällt einfach schwer, sich hier packen zu lassen (besonders wenn man den Ausgang des Films ohnehin schon kennt), denn auch wenn eine faszinierende Persönlichkeit in außergewöhnlichen Umständen dargestellt wird, ist eine für diese Art von Film so wesentliche Identifikation quasi unmöglich. „Bauernopfer“ sieht aber großartig aus, ein Umstand, der Kameramann Bradford Young („A Most Violent Year“, „The Saints“, „Selma“) zu verdanken ist, der aktuell zu den feinsten Vertretern seiner Zunft gehört.

Bauernopfer - Spiel der Könige - junger Bobby Fischer im Turnie
Bauernopfer – Spiel der Könige – junger Bobby Fischer im Turnier © StudioCanal

Die Ausstattung und Kostümarbeit von Isabelle Guay bzw. Renée April ist bestechend und lässt mit den starken Bildern viel Atmosphäre, sowie Zeit- und Lokalkolorit aufkommen, ohne jedoch je dick aufzutragen. Dabei helfen auch gelegentliche etwas klischeehaftige Montagen aus Archivmaterial, die Zwick weitestgehend effektiv einsetzt. Ansonsten wirkt „Bauernopfer“ allerdings merkwürdig flach und kühl, ohne echtes emotionales Zentrum. Der Stoff weiß durchaus zu faszinieren, der Film ist gut gespielt und solide inszeniert, doch letzten Endes will der Funke nie so ganz überspringen, der aus „Bauernopfer“ ein fesselndes Ereignis macht.

Bild:

Ein Großteil von „Bauernopfer“ wurde auf analogen Filmkameras (hauptsächlich die Aaton Penelope) gedreht, wodurch der Film eine sehr hübsche und organische Filmkorn-Texturierung aufweist. Der Film sieht auf Blu-ray sehr gut aus, das Filmkorn ist nahezu immer zu sehen, wirkt aber nicht aufdringlich. Teile des Films wurden auch digital auf Arri Alexa aufgezeichnet, die Übergänge sind aber sehr unauffällig. Abgesehen davon überzeugt das Bild durch sehr hohe Schärfe- und Detaillevel und starke Kontraste und Schwarzwerte. Die Farbpalette, die größtenteils aus kühlen und erdigen Farbtönen besteht, wird natürlich und präzise wiedergegeben.

Ton:

Akustisch präsentiert sich die Blu-ray eher zurückhaltend, aber auf hohem Niveau. Die Klarheit und Verständlichkeit der weitestgehend frontlastigen Abmischung ist sehr gut. Atmosphäre über die Surround-Kanäle kommt nur bedingt auf, manche Geräusche verteilen sich jedoch sehr subtil auf die umliegenden Boxen.

Extras:

Die auf der Blu-ray enthaltene Featurette klingt vielversprechend und beginnt auch so, doch kaum hat sie angefangen, ist sie auch bereits wieder vorüber. Sehr enttäuschend, dass neben dieser knapp über dreiminütigen Mini-Doku kein weiteres Bonusmaterial enthalten ist – gerade angesichts des spannenden historischen Hintergrundes.

  • Featurette Bobby Fischer: Der Kalte Krieg und das Schachspiel des Jahrhunderts (03:17 Min.)
  • Weitere Highlights (A Bigger Splash, Love & Mercy, Mein ein, mein alles, The Program – Um jeden Preis, Selma)

 

Blu-ray Wertung
  • 6/10
    Film - 6/10
  • 9/10
    Bild - 9/10
  • 8/10
    Ton - 8/10
  • 2/10
    Extras - 2/10
6.3/10

Kurzfassung

Für Fans von historischen charakterorientierten Dramen ist der atmosphärisch dichte Film einen Blick wert.

Fazit:

Bauernopfer“ ist ein handwerklich sehr solider Film über eine faszinierende, aber sehr schwierige Persönlichkeit, die eine Identifikation seitens des Zuschauers aber nur bedingt zulässt.


von Florian Hoffmann

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