Against All Enemies – Blu-ray Kritik zum Jean Seberg Biopic

Against All Enemies - Kristen Stewart als Jean Seberg
Against All Enemies - Kristen Stewart als Jean Seberg © Prokino

Die Kritik:

Against All Enemies – Blu-ray © Prokino

Die amerikanische Schauspielerin Jean Seberg hat sich für Cineasten vorrangig mit ihrem Auftritt in Jean-Luc Godards Nouvelle Vague-Klassiker „Außer Atem“ unsterblich gemacht. Doch noch mehr als ihre Filmkarriere sorgten ihre Verwicklungen mit der Black Panther-Bewegung für Aufsehen, wodurch sie Ende der 60er Jahre ins Fadenkreuz des FBI unter dem berüchtigten J. Edgar Hoover geriet. Diese Schicksalsjahre behandelt „Seberg“, der in Deutschland arg plakativ „Jean Seberg – Against All Enemies“ betitelt wurde. Regisseur Benedict Andrews („Una und Ray“) ist nur wenig an der Schauspielerin, sondern eher an der politischen Aktivistin Jean Seberg interessiert, deren Privatleben und Filmkarriere von zunehmender Paranoia durch die ständigen Observierungen des FBI systematisch erdrückt wird. Das ist sehr ansehnlich und mit viel 60s Flair inszeniert, bleibt aber insgesamt eher an der Oberfläche und ergründet die Faszination seiner Hauptfigur nur in Ansätzen. Ein interessanter, wenn auch unausgegorener Blick auf die tragische Geschichte von Jean Seberg ist der Film dennoch, der zudem von der bislang wohl besten Leistung von Kristen Stewart in der Titelrolle erheblich profitiert.

Wer sich von dem Film also zahlreiche Einblicke ins Setleben und überhaupt von Sebergs Filmarbeit erhofft, der wird sicherlich enttäuscht sein. Andrews setzt Ausschnitte aus ihren Filmen nur spärlich, aber sehr bewusst da ein, wo sie bedeutungsvoll aufgeladen werden: Der Beginn, der Seberg in ihrem Debüt als Jeanne d’Arc auf dem Scheiterhaufen in Otto Premingers misslungenem „Die heilige Johanna“ zeigt, könnte kaum symbolgeladener sein, eine subtile Herangehensweise sieht aber auch anders aus. Wissenswerter Fakt hierzu: Seberg, die ohne jede Schauspielerfahrung unter tausenden Bewerberinnen ausgewählt wurde, trug beim Dreh der Szene echte Brandverletzungen davon, die für immer Narben am Bauch hinterließen.

Narben hinterließ dann eben auch die sich immer weiter zuspitzende COINTELPRO-Überwachungsaktion des FBI, die Direktor Hoover höchstpersönlich initiierte und überwachte. So schildert der Film wie Seberg an ihrer Öffentlichkeitswirkung scheinbar völlig desinteressiert mit dem kontroversen Black Panther-Mitglied Hakim Jamal (Anthony Mackie) anbandelt und seine revolutionäre Gruppierung finanziell unterstützt. Da die Panthers dem FBI ein Dorn im Auge sind, wird auch Seberg zum Ziel. So folgt der Film neben Seberg auch dem jungen idealistischen Agenten Jack Solomon (Jack O’Connell) und dessen grobem Partner Walt Breckman (Vince Vaughn), die die Aktrice fortan observieren, sogar in ihr Haus einbrechen, um es zu verwanzen und schließlich auch öffentliche Schmutzkampagnen befeuern, um sie zu diskreditieren. Kurz gesagt: es wird eine reaktionäre Behörde präsentiert, die in ihren Maßnahmen völlig außer Kontrolle geraten war.

Zazie Beetz als Dorothy Jamal
Zazie Beetz als Dorothy Jamal © 2019 PROKINO Filmverleih GmbH

Das ist von Andrews durchaus gefällig und unterhaltsam als Hybrid zwischen Drama und Thriller inszeniert. Große Pluspunkte gibt es für Jahmin Assas („Mid90’s“) stimmungsvolle und authentische Ausstattung, Michael Wilkinsons („American Hustle“, „The Gentlemen“) modische Kostüme und Rachel Morrison („Black Panther“, „Mudbound“) agile und ausdrucksstarke Kameraarbeit. Der Film sieht also überaus ansprechend aus und gibt ein klares, jedoch nicht aufdringliches Bild der späten 60er Jahre wieder. Dennoch bleibt Andrews in seiner Herangehensweise an die ohnehin schon enigmatische Jean Seberg recht abstrakt und zu oberflächlich, sodass wirklich erhellende Eindrücke eher ausbleiben. Wer noch nichts über die tragische Geschichte der Schauspielerin weiß, muss hier viele Lücken füllen, wer schon informiert ist, würde sich wohl mehr Tiefe wünschen.

Was Seberg antreibt, wer sie wirklich ist und was ihre Persönlichkeit ausmacht, bleibt eher unbeantwortet. So kann man ihre erste Begegnung mit dem Aktivisten Hakim bei einem Linienflug und ihr anschließendes Posen mit anderen Black Panther-Genossen durchaus als reine Provokation und bedeutungsleere Geste einer liberalen Privilegierten missverstehen, jedoch war Seberg tatsächlich sozial wie politisch engagiert und ernsthaft am Wohlergehen von Minderheiten interessiert. Das kommt dann später sicherlich ansatzweise zum Vorschein, doch verpufft die anfänglich vielversprechende Beziehung zu Hakim zunehmend. Am Rande erzählt sich auch die Ehe zu dem bedeutend älteren Autor und Regisseur Romain Gary (Yvan Attal), mit dem sie einen jungen Sohn teilt. Vieles, etwa das Thema der Untreue, bleibt hier angedeutet, da der Film auch noch nebenbei die Ehe zwischen dem jungen FBI-Agenten und seiner Frau Linette (Margaret Qualley) schildert. Diese leidet unter Jacks ständiger Geheimhaltung seiner Arbeit, die zudem immer belastender für den eigentlich gewissenhaften jungen Mann wird. Diese Einzelteile funktionieren im Moment immer gut und ergeben wirkungsvolle Szenen, sorgen aber dafür, dass der Film als Ganzes unfokussiert und sämtliche Figuren unterentwickelt erscheinen. Noch effektiver wäre es wohl gewesen, völlig auf den Strang mit dem Agenten zu verzichten und das FBI als nicht greifbare Bedrohung für Seberg zu inszenieren.

Against All Enemies - Anthony Mackie und Kristen Stewart
Against All Enemies – Anthony Mackie und Kristen Stewart © Prokino

Die steigende Paranoia und das damit einhergehende Gefühl der Beklemmung transportiert sich dennoch gut und wirkungsvoll. Kristen Stewart fasziniert in der Rolle dieser besonderen und fragilen Frau mit ihrer grazilen Erscheinung und sehr präzisem sowie facettenreichem Spiel, das sich im Verlauf des Films subtil steigert und ihre nervliche Belastung nahegehend offenbart. Stewarts schwer greifbare Art erscheint förmlich prädestiniert für das Portrait einer der geheimnisvollsten Frauen der Filmgeschichte, auch wenn angesichts ihrer eigenen Bekanntheit und abgesehen von der Frisur sehr geringer Ähnlichkeit eine Verschmelzung mit der realen Figur nie stattfindet. Dass Stewart unter Olivier Assayas mit den Filmen „Die Wolken von Sils Maria“ und „Personal Shopper“ ihre größten Achtungserfolge feierte, erscheint zudem als interessante Parallele zu ihrem realen Vorbild, das zwischen europäischen und amerikanischen Filmen hin- und herwechselte.

Jean Sebergs tragisches Ende erklärt sich am Ende nur anhand der üblichen Texttafeln. So erscheint der Film letztlich wie der zweite Akt in Sebergs Leben, der sie als bereits etablierte Darstellerin präsentiert und mit dem FBI-Terror die Grundlage für ihren Niedergang bietet. Die zunehmende Depression, ihre Drogenprobleme und schließlich die mysteriösen Umstände ihres Todes klammert Andrews aus, da er das Gesicht der Ikone respektvoll wahren möchte und nur bedingt dahin gehen will, wo es wirklich wehtut. Das ist nachvollziehbar, aber dennoch erscheint so ein Film, der letztlich unausgegoren und hinter seinen Möglichkeiten leicht zurückgeblieben erscheint.

Bild:

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Ton:

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Extras:

Das Bonusmaterial bleibt leider sehr überschaubar. Einblicke zur Entstehung bleiben auf ein kurzes Interview mit Kristen Stewart beschränkt, während ein Vergleich zwischen Szenen aus „Außer Atem“ und den Imitationen im Biopic nur ein netter Zusatz ist.

• Originalszenen im Vergleich (Vor dem Spiegel (00:51 Min.), Eine unvergessene Geste (01:51 Min.)
• Trailer „Außer Atem“ (01:19 Min.)
• Interview Kristen Stewart (04:59 Min.)

Blu-ray Wertung
  • 6.5/10
    Film - 6.5/10
  • 3/10
    Extras - 3/10
6/10

Kurzfassung

Bleibt leider hinter seinen Möglichkeiten zurück.

Fazit:

„Jean Seberg – Against All Enemies“ bietet einen interessanten Schnappschuss auf das Leben der ikonischen Schauspielerin Jean Seberg, die auf interessante Weise in einer Karrierebestleistung von Kristen Stewart verkörpert wird. Regisseur Benedict Andrews gelingt ein gut aussehender Film mit viel Flair, der den Zuschauer durchaus bei der Stange hält, aber letztlich nicht tiefschürfend genug ist, um wirklich erhellen zu können.


von Florian Hoffmann

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