7 Tage in Entebbe – Blu-ray Kritik: ambitionierter Politthriller

Wilfried Böse (Daniel Brühl) und Brigitte Kuhlmann (Rosamund Pike) bewachen das entführte Flugzeug.
Wilfried Böse (Daniel Brühl) und Brigitte Kuhlmann (Rosamund Pike) bewachen das entführte Flugzeug. © 2018 eOne Germany

Die Kritik:

7 Tage in Entebbe Blu-ray Cover
7 Tage in Entebbe Blu-ray Cover © 2018 eOne Germany

7 Tage in Entebbe“ bietet eigentlich alles, was ein packender Politthriller benötigt: Den politisch und moralisch aufgeladenen realen Hintergrund der Entführung eines mit größtenteils israelischen Passagieren besetzten Airbus von deutschen und palästinensischen Terroristen, kombiniert mit den parallel stattfindenden Verhandlungen der israelischen Regierung über die Vorgehensweise zur Befreiung der Geiseln. Ereignet hat sich dieser Vorfall im Sommer 1976, als die beiden schwerbewaffneten deutschen Terroristen Wilfried Böse und Brigitte Kuhlmann gemeinsam mit Anhängern der palästinensischen Terrorgruppe PLFP den Air France Flug 139 von Tel Aviv nach Paris kaperten und schließlich in die ehemalige ugandische Hauptstadt Entebbe umleiteten. Dort nahmen die Terroristen eine Trennung der jüdischen und nicht-jüdischen Geiseln vor, um schließlich die Freilassung von 53 inhaftierten gleichgesinnten deutschen und palästinensischen Kameraden zu erzwingen. Motiv für die zuvor in Frankfurt lebenden linksextremen Böse und Kuhlmann war auch die Anerkennung des unterdrückten palästinensischen Staates der israelischen Regierung.

Mit einem Regisseur wie José Padilha, der die beiden „Tropa de Elita“-Filme zu verantworten hatte, konnte hier eigentlich ein hochintensiver, dokumentarisch anmutender Film erwartet werden. Umso erstaunlicher ist dann schließlich, dass „7 Tage in Entebbe“ kaum mitzureißen weiß und über den Großteil der Laufzeit seltsam sediert wirkt. Der Film schildert zwar präzise den Ablauf der Entführung vor Ort, hinter den Kulissen der israelischen Regierung und teilweise aus Sicht eines Soldaten der israelischen Spezialeinheit, die den Terminal stürmen sollte, jedoch baut sich hier selten echte Spannung auf. Padilha und Drehbuchautor Gregory Burke geben sich durchaus sichtlich Mühe die Thematik komplex zu erfassen, indem sie den beteiligten Personen zahlreiche hintergründige Dialoge über Motive und moralische und politische Denkweisen bieten, jedoch kocht der Film nie wirklich so hoch, wie es den besten Politthrillern gelingt.

Wilfried Böse (Daniel Brühl) bedroht den Flugzeugingenieur Jacques Lemoine (Denis Menochet) mit einer Handgranate.
Wilfried Böse (Daniel Brühl) bedroht den Flugzeugingenieur Jacques Lemoine (Denis Menochet) mit einer Handgranate. © 2018 eOne Germany

Gerade die von Daniel Brühl und Rosamund Pike gespielten deutschen Terroristen werden über immer wieder eingestreute Rückblenden, die ihre Motivation mit allen verständlichen Zweifeln über die Wahl ihrer Mittel darstellen, beleuchtet. Sie entsprechen in der Darstellung des Films sicher nicht dem geltenden Terroristenideal, denn obwohl sie eine klare Haltung zur israelischen Regierung haben, sind sie keine gewalttätigen und skrupellosen Menschen. Gerade das sehr wahrscheinliche mediale Bild von Deutschen, die Juden gefangen halten, ist ihnen bewusst, jedoch akzeptieren sie diese Problematik, um ihre Ziele durchsetzen zu können. Viel mehr Tiefe als diese oberflächlichen Konflikte gönnt der Film seinen Protagonisten aber kaum.

Die Debatte der israelischen Führungskräfte wird nicht minder komplex dargestellt: Während Premierminister Jitzchak Rabin (Lior Ashkenazi) als zweifelnde Persönlichkeit dargestellt wird, die sich über die israelische Hardliner-Position subtil hinwegsetzen will und Kommunikation sucht, wird Verteidigungsminister Schimon Peres (Eddie Marsan) als sein Gegenpol portraitiert: Für Peres steht überhaupt nicht zur Debatte, von der Anti-Verhandlungsposition der Regierung abzugehen. Er fordert ein schnelles und hartes Vorgehen, auch wenn Kollateralschäden nicht auszuschließen wären. An sich bietet sich hier großes dramatisches Potential, jedoch nutzt Padilha es kaum. Der Film ist durchaus ambitioniert, der Komplexität des Nahostkonflikts gerecht zu werden, jedoch gelingt es Padilha kaum dramatisches Momentum aufzubauen.

Während der Selektion der jüdischen und nicht-jüdischen Geiseln: Die verängstigten Geiseln warten auf den Aufruf ihrer Namen.
Während der Selektion der jüdischen und nicht-jüdischen Geiseln: Die verängstigten Geiseln warten auf den Aufruf ihrer Namen. © 2018 eOne Germany

Die Inklusion eines weiteren Erzählstrangs über eine israelische Tanzgruppe, die an einer Performance zur Befreiung der Israeliten aus der Sklaverei arbeitet, ist zwar immer wieder bildgewaltig und originell, irritiert aber letztlich eher. Man kann nur erahnen, um was es hier eigentlich geht, wodurch diese metaphorisch gemeinten Tanzdarstellungen eher befremdlich und unpassend zur restlichen nüchternen Tonalität des Films wirken. Wenn Padilha die finale Tanzperformance mit der Befreiungsaktion der Spezialeinheit parallel montiert, wird der Film zum ersten Mal richtig lebendig, mitreißend und sogar besonders. Hier erreicht der brasilianische Regisseur über originelle filmische Mittel schließlich eine kraftvolle Wirkung, die sonst leider ausbleibt.

Das Hin- und Herspringen zwischen Erzählperspektiven ist wohl letztlich entscheidend, dass „7 Tage in Entebbe“ nie wirklich in Fahrt kommt und trotz aller intellektuellen Ansprüche flach fällt. Man baut nie echte Nähe zu den distanziert wirkenden Figuren auf, die mehr wie Stichwortgeber als dreidimensionale Charaktere wirken. Daniel Brühl kommt einer Identifikationsfigur noch am nächsten, Rosamund Pike wirkt schlicht fehlbesetzt in einer leider recht bemüht und aufgesetzt wirkenden Darstellung, während der knapp gehaltene Erzählstrang über einen Soldaten der Einsatztruppe (Ben Schnetzer), der zudem mit einer der Tänzerinnen zusammen ist, wie ein nachträglicher Einfall daherkommt. Dass man den Geiseln zudem kaum ein Gesicht gibt und hier emotionales Potential verschenkt, ist ebenfalls schade.

Man hat hier eigentlich stets den Eindruck von verschenktem Potential, denn Padilha hält seinen Film durch authentische Darstellung und dokumentarisch nüchterne Inszenierung zumindest optisch größtenteils glaubwürdig. Dass der Film manchmal eher wie ein Probedurchlauf wirkt, ist dann schon erstaunlich, wenn man Padilhas brasilianische Filme betrachtet. Anders als beim sträflich zurückhaltend und langsam inszenierten „7 Tage in Entebbe“ ging es dort nämlich fiebrig und intensiv zu, hier geht es letztlich mehr um eine inhaltliche Annäherung, die durchaus zu würdigen ist, aber dabei die Bedürfnisse des Zuschauers etwas aus dem Auge verliert.

Bild:

Die israelischen Militärs stürmen das Flughafen-Terminal in Entebbe.
Die israelischen Militärs stürmen das Flughafen-Terminal in Entebbe. © 2018 eOne Germany

Das Bild der Blu-ray überzeugt durchweg sowohl mit sehr guten Schärfe- und Detailwerten, als auch einer lebhafte, warmen und natürlich gesättigten Farbpalette. Kontraste und Schwarzwerte überzeugen ebenfalls, während Bildfehler wie Rauschen nahezu komplett ausbleiben. Das Bild überzeugt darüber hinaus mit subtiler Texturierung.

Ton:

Von Beginn an wirkt die Original-Tonspur der Blu-ray in Bezug auf die Stimmen erstaunlich flachbrüstig und schlicht zu leise. Das bessert sich im Verlauf des Films minimal, dennoch ist hier sicher Lift nach oben. Ansonsten ist die Abmischung durchaus dynamisch und druckvoll geraten, auch die Surround-Beschallung erfreut durch sehr gute Atmosphäre und wirkungsvoll platzierte Effekte.

Extras:

Das Bonusmaterial besteht leider nur aus entfernten Tanzszenen und einem kurzen Making of.
Deleted Scenes (05:26 Min.)
Hinter den Kulissen von Entebbe (07:24 Min.)

Blu-ray Wertung
  • 6/10
    Film - 6.0/10
  • 9/10
    Bild - 9.0/10
  • 7/10
    Ton - 7.0/10
  • 3.5/10
    Extras - 3.5/10
6.5/10

Kurzfassung

„7 Tage in Entebbe“ ist ein ambitionierter Politthriller, der leider hinter seinen Ansprüchen zurückfällt und wenig zu packen weiß.

Fazit:

„Tropa de Elite“-Regisseur José Padilha versucht sich der Komplexität des Nahostkonflikts zu nähern, scheitert jedoch an zu verhaltener Inszenierung. Letztlich verzettelt er sich auch in zu vielen Erzählsträngen, denen es jeweils an nätiger Tiefe fehlt, um aus „7 Tage in Entebbe“ einen wirklich packenden Film zu machen.


von Florian Hoffmann

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