25 km/h – Blu-ray Kritik: Das vielleicht langsamste Roadmovie

Lars Eidinger und Bjarne Madel in 25 km/h
Lars Eidinger und Bjarne Madel in 25 km/h © 2017 SUNNY SIDE UP GMBH / DEUTSCHE COLUMBIA PICTURES FILMPRODUKTION GMBH. ALL RIGHTS RESERVED.

Die Kritik:

25 km/h - Blu-ray Cover
25 km/h – Blu-ray Cover © Sony Pictures Entertainment

Christian (Lars Eidinger) ist eigentlich ein ziemlich aufgeblasener Kotzbrocken. Wir begegnen ihm auf dem Rücksitz eines Taxis, das sich gerade den Weg durch den idyllischen Schwarzwald bahnt, während er spürbar selbstverliebt in nicht gerade akzentfreiem Englisch mit einem irischen Geschäftspartner telefoniert und dabei nicht nur seine Fahrerin zu nerven droht. Das Ziel des gut aufgelegten Mannes im schwarzen Anzug: Die Beerdigung seines Vaters im Heimatkaff Löchingen. Zu dieser kommt er schließlich zu spät, was direkt auf dem Friedhof zu einer handfesten Rauferei mit seinem Bruder Georg (Bjarne Mädel) führt. Dieser hat den krebskranken Vater bis zuletzt gepflegt, während sein Bruder als polyglotter Businesstyp mittlerweile in Singapur weilt. Georg hat die ländliche Heimat nie verlassen und ist Tischler geworden. Die Distanz zu seinem aalglatten Bruder scheint mit all ihren Unterschiedlichkeiten unüberwindbar, doch nach einer schließlich durchzechten Nacht auf dem Dachboden ihres Elternhauses kommen sich die beiden Männer, die sich seit Jahrzehnten nicht gesehen haben, nochmal nahe: Sie entschließen sich im Suff, die Schnapsidee aus Jugendtagen aufzunehmen, mit ihren Mofas vom Schwarzwald bis zum Timmendorfer Strand zu fahren.

Doch dieser nie in die Tat umgesetzte Plan, den Christian und Georg als 15-jährige geschmiedet haben, beinhaltet weitere infantile Aufgaben: Neben mehrfach Sex haben, sollen sie einen 20 Meter-Wheelie bergab machen, beim Griechen die komplette Speisekarte essen, eine Arschbombe vom Zehner machen, eine schlafende Kuh umwerfen und schließlich am Timmendorfer Strand ins Meer pinkeln. Noch in ihren Anzügen steckend, fahren sie in einer Kurzschlusshandlung einfach benebelt mitten in der Nacht auf ihren alten klapprigen Mofas los und begeben sich auf einen denkbar langsamen Roadtrip quer durch Deutschland. Schon am Morgen fühlt man sich jedoch in der Realität des nach „The Straight Story“ wohl langsamsten Roadtrips aller Zeiten aufgewacht.

25 km/h: Lars Eidinger und Bjarne Madel auf ihren Mopeds
25 km/h: Lars Eidinger und Bjarne Madel auf ihren Mopeds © 2017 SUNNY SIDE UP GMBH / DEUTSCHE COLUMBIA PICTURES FILMPRODUKTION GMBH. ALL RIGHTS RESERVED.

Regisseur Markus Goller, der bereits mit „Friendship!“, „Frau Ella“ und „Simpel“ sowohl ein Faible für Roadmovies als auch Familiengeschichten zeigte, gelingt hier eine sympathisch-charmante Komödie, die Leichtfüßigkeit gekonnt mit ehrlich empfundener melancholischer Tiefe und leiser Nostalgie verbindet. Ganz wesentlich für das Gelingen des Films ist zweifelsohne das denkwürdige Leinwand-Bruderpaar Lars Eidinger und Bjarne Mädel, die hier schlichtweg wunderbar miteinander harmonieren. Es ist eine Freude, die beiden überaus gut aufgelegten Schauspieler zu beobachten und letztlich der vielleicht entscheidende Grund, warum „25 km/h“ so sehenswert ist.

Ein wenig holprig kann dieser insgesamt durchaus unterhaltsame und weitestgehend kurzweilige Roadtrip aber schon sein. Die Prämisse an sich kommt eher schlecht ins Rollen, denn man muss erst mal schlucken können, dass der anfangs als arbeitsbesessene und scheinbar gefühllose Klischee-Workaholic Christian zu einer derart impulsiven Handlung überhaupt fähig wäre. Dieser war wohl solange in seiner Arbeit vertieft, dass er erst nach Monaten festgestellt hat, dass sein Apartment in Singapur über einen Balkon verfügt. Dass er auch seit ganzen 30 Jahren keinen Kontakt mit seinem Bruder hatte und dann in einem Anflug von Nostalgie alle Distanz über Bord wirft, sollte auch dem gutmütigen Georg zu denken geben.

25 km/h: Ute (Franka Potente) und Ingrid (Alexandra Maria Lara)
25 km/h: Ute (Franka Potente) und Ingrid (Alexandra Maria Lara) © 2017 SUNNY SIDE UP GMBH / DEUTSCHE COLUMBIA PICTURES FILMPRODUKTION GMBH. ALL RIGHTS RESERVED.

So kommt es natürlich bei dem abenteuerlichen Trip durch Deutschland immer wieder zu Differenzen zwischen den scheinbar so verschiedenen Männern. Auch wenn das Drehbuch von Oliver Ziegenbalg („Mein Blind Date mit dem Leben“, „Russendisko“, „Friendship!“) Tiefe zwischen Christian und Georg nur andeutet, füllen Eidinger und Mädel ihre Rollen mit der nötigen Eingelebtheit und Glaubwürdigkeit. So gewinnt man schließlich auch Sympathie für den eingangs schwer verdaulichen Christian, während Bjarne Mädels leicht traurig-verklemmter Georg von Anfang bis Ende überaus liebenswert erscheint und aus seiner anfangs wunderbar trockenen Art zunehmend im Laufe des Films erwacht.

Die Selbstfindungsreise des Bruderpaares führt durch verschiedene mal komische, mal skurrile und mal nachdenklichere Momente und Zwischenstopps. So kommt es bei einem Weinfest zum beschwingten Aufeinandertreffen mit den verheirateten Freundinnen Ute (Franka Potente) und Ingrid (Alexandra Maria Lara), was schließlich zu einer feucht-fröhlichen Nacht führt, die nur teilweise so erotisch abläuft, wie man es vielleicht erwarten würde. Darüber hinaus kommt es zur Begegnung mit der Hippie-Tramperin Willie (Jella Haase), die Christian und Georg zum sogenannten Wurzelfest in Paderborn führt, wo es dann auch etwas esoterisch-spirituell wird. Eine späte Offenbarung von Christian sorgt dann schließlich zur Entscheidung, nach Berlin zu fahren, bis es dann weiter zu einem ereignisreichen Finale samt Tischtennis-Match und Verfolgungsjagd an der Ostsee kommt.

Lars Eidinger und Bjarne Madel in 25 km/h
Lars Eidinger und Bjarne Madel in 25 km/h © 2017 SUNNY SIDE UP GMBH / DEUTSCHE COLUMBIA PICTURES FILMPRODUKTION GMBH. ALL RIGHTS RESERVED.

Goller lässt sich Zeit und Ruhe für seinen angenehm entschleunigten Film, wodurch einem dieses Bruderpaar schon ans Herz wächst. Es ist diese unbeschwerte und unprätentiöse Art, die auch den Film sehr liebenswert macht und trotz insgesamt vorhersehbarer Dramaturgie höchstens in Ansätzen aufgesetzt oder erzwungen wirken lässt. Die Melancholie bleibt still, Lebensweisheiten werden subtil und zwischen den Zeilen vermittelt. Natürlich geht es hier um vertane Chancen und sarum, dass man auch als Ü-40er sein Leben noch umkrempeln kann. Goller und Ziegenbalg gelingt es dennoch, Klischees meist angenehm elegant zu umschiffen und subtil ironisch zu brechen, ohne groß darauf aufmerksam zu machen. Darüber hinaus verfügt „25 km/h“ über eine angenehme Stimmung, die auch aus der wirklich gelungenen filmischen Inszenierung voller pittoresker Eindrücke, atmosphärischem Lokalkolorit und dem guten Soundtrack vermittelt, der Songs von The Cure, T. Rex, Sufjan Stevens, Bilderbuch und Yo La Tengo bereithält. Viel Neues nimmt man hier am Ende zwar nicht mit, dennoch bringt dieser entspannte und stimmige Film durchaus Freude.

Bild:

Die Blu-ray von „25 km/h“ liefert exzellente Bildwerte. Der Gesamteindruck des Bildes ist sehr natürlich. Die Farben verfügen über eine hohe Strahlkraft und Sättigung. Knackige Kontraste und tiefe Schwarzwerte tun dann ihr übriges, um einen wirklich angenehmen Bildeindruck zu erzeugen. Auch in Sachen Schärfe und Detailfreudigkeit begeistert das Bild. Gerade Nahaufnahmen von Gesichtern offenbaren hier einen sehr hohen Schärfegrad.

Ton:

Lars Eidinger und Bjarne Madel in 25 km/h
Lars Eidinger und Bjarne Madel in 25 km/h © 2017 SUNNY SIDE UP GMBH / DEUTSCHE COLUMBIA PICTURES FILMPRODUKTION GMBH. ALL RIGHTS RESERVED.

Auch auf der Tonspur setzt sich der starke technische Eindruck fort. Von Beginn an begeistert hier eine lebhafte und sehr dynamische Tonkulisse, die sämtliche Umgebungslautsprecher mit mal subtilen, mal offensiveren Effekten ansteuert. Der Dynamikumfang ist auch immer wieder überraschend hoch, gerade wenn es zu Musikeinsätzen kommt. Beim Wurzelfest etwa sorgt eine Clubszene für ein wahrlich bebendes Wohnzimmer. Die Stimmwiedergabe ist darüber hinaus sehr klar und verständlich ausgefallen.

Extras:

Das Bonusmaterial der Blu-ray ist leider sehr spärlich ausgefallen. Außer einem kurzen Making of und Eindrücken von der Premiere wird hier leider nichts geboten.
• Making of (04:09 Min.)
• Premierenclip (04:00 Min.)
• Trailer (02:22 Min.)

Blu-ray Wertung
  • 7/10
    Film - 7/10
  • 9/10
    Bild - 9/10
  • 9/10
    Ton - 9/10
  • 4/10
    Extras - 4/10
7/10

Kurzfassung

Sympathischer Roadmovie der durch seine unaufgeregte Machart, Leichtfüßigkeit, stille Melancholie und subtile Klischeebrüche gefällt.

Fazit:

Das vielleicht langsamste Roadmovie seit „The Straight Story“ gefällt durch seine sympathisch-unaufgeregte Machart, Leichtfüßigkeit, stille Melancholie und subtile Klischeebrüche. Vor allem überzeugt aber durch das wunderbar harmonierende und bestens aufgelegte Brüderpaar Lars Eidinger und Bjarne Mädel, die 25 km/h erst richtig mit Leben füllen.


von Florian Hoffmann

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