The Gray Man – Filmkritik zum Netflix-Actionkracher

The Gray Man (2022) Ryan Gosling als Six
The Gray Man (2022) Ryan Gosling als Six © Paul Abell/Netflix 2022

Nach ihrer oft erschreckend farblosen und uninspirierten Regiearbeit im MCU wirkt es so als müssten die Russo-Brüder hier plötzlich zwanghaft überkompensieren. The Gray Man will dermaßen verzweifelt einer von den coolen Kids wie Mission Impossible, die Bourne-Reihe oder James Bond sein, dass das Ergebnis mehr an einen unsicheren Teenager erinnert, der beinahe schon krankhaft versucht dazu zu gehören. Das Ergebnis ist purer Fremdscham.


Selten war Style over Substance derartig befremdlich. Bei einem Budget von über 200 Mio. Dollar ballern die Russos wirklich alles auf den Bildschirm, was geht. Dabei landet das Geld aber nicht in ausgeklügelten Choreographien, dem Drehbuch oder den Effekten (wo es überall dringend benötigt wäre). Endlose Locationwechsel, die irgendwann beinahe parodistisch wirken, die einzelnen teuren Orte selbst und hirnlos ausartender Action – und natürlich die Akteure– verschlingen sichtbar Unsummen von Geld, ohne dem Film tatsächlich einen Mehrwert zu geben. Dabei springen einem die Farben förmlich ins Gesicht und die Kamera gerät unwahrscheinlich dynamisch – es ist eben alles super stylisch. Nur eben auch sinnlos und nervtötend.

Anfangs war ich noch sehr angetan, da die Russo eben nicht die ausdrucksstärksten Regisseure sind und ich anderes erwartet. Doch wird schnell klar, dass eben keine Regieentscheidung im Sinne der Geschichte oder Figuren steht, sondern mehr aus dem scheinbar gebrechlichen Ego seiner Regisseure herauskommt.

The Gray Man - FIlmplakat
The Gray Man – FIlmplakat © Netflix

Ryan Gosling selbst macht seine Sache dabei nicht einmal schlecht. Allerdings wirkt er mit einer Figur, die letztlich nur aus pseudo-coolen One-linern besteht und sonst nur aus einer uninspirierten Backstory, die kaum als solche zu bezeichnen ist, vollkommen unterfordert. Einer der besten Darsteller unserer Zeit wird vollkommen verheizt. Immerhin hat Chris Evans als soziopathischer, schnurbarttragender Schurke seinen Spaß. Wir allerdings nicht.

Denn während Gosling und Co. offensichtlich hart an den Choreographien gearbeitet haben, sieht sich das Team hinter der Kamera vollkommen unfähig, diese auch nur annähernd interessant auf den Bildschirm zu transportierten. Das Schnitttempo ist wieder einmal zu hoch, die Szenen-Geographie zu undeutlich und die Kameraführung zu wirr. Da filmt man doch lieber mal ein Feuerwerk während einem Kampf, um zwanghaft einen „Wow“-Moment beim Zuschauer auszulösen, statt einfach mal eine Einstellung stehen zu lassen und annährend so etwas wie Übersichtlichkeit zu erschaffen. Dabei gibt’s dann zwar immer wieder nette Momente (Gosling der durch eine spiegelnde Glasfassade erkennt, wo sein Gegner unter ihm in der Straßenbahn ist), die machen das Kraut aber auch nicht mehr fett.

Ein weiteres Problem der Action ist dabei auch, dass die Hauptfigur Six auch einfach zu kompetent wirkt. Nichts kann ihn wirklich ausbremsen, zu selten wird er vor wirkliche Herausforderungen gestellt. Mehrere Messerstiche fallen dabei eher in die Kategorie „leicht unpassend, aber auch nicht mehr“. So wird die ohnehin schon spannungsfreie Action leider zu einer einzigen Farce. In ihren MCU-Filmen wirkten die Russos da noch wesentlich kompetenter.

Die Geschichte selbst ist dabei erwartungsgemäß eine seelenlose Aneinanderreihung von Klischees und Bausteinen aus besseren Spionagegeschichten. Das Drehbuch wirkt hier wie nach Rezept zusammengefügt. Man nehme eine Prise Bond, fügt dann etwas Action aus Fast and Furious hinzu, nimmt die Abenteuer von Jason Bourne als Geschmacksgrundlage und rundet es mit etwas Mission Impossible ab. Nur um es dann anbrennen zu lassen.

The Gray Man (2022). Rege-Jean Page als Carmichael, Ana de Armas als Dani Miranda
The Gray Man (2022). Rege-Jean Page als Carmichael, Ana de Armas als Dani Miranda © Netflix

Ich habe diese Sorte Film so satt, die keine einzige wirkliche eigene Idee mit an Bord bringen, und auch einfach nicht verstehen, was einige dieser Vorbilder, aus denen man sich so freizügig bedient, so brillant gemacht hat. So ist die Geschichte natürlich auch noch zum Biegen konstruiert, bis ins Finale lächerlich vorhersehbar und gespickt mit unzähligen Logiklöchern. Spannung und Emotionen bleiben völlig auf der Strecke.

Am ärgerlichsten finde ich dabei aber vielleicht sogar, dass The Gray Man (wie so viele Filme) schon mit dem halben Kopf beim Sequel ist, statt mit Teil 1 einfach mal einen guten Film abzuliefern. Die Geschichte endet deshalb erwartungsgemäß unbefriedigend.

Filmwertung
4.5/10

Kurzfassung

Diese Art von Film kotzt mich inzwischen nur noch an. Man verballert Millionen, liefert bestenfalls mittelmäßige Action ab, klaut sich quer durch die Filmgeschichte durch und hat dann auch noch die Frechheit mir eine Fortsetzung anzudrohen. Würg

von Sebastian Stegbauer

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