Interview zur Sky-Serie HAUSEN mit Lilith Stangenberg

HAUSEN: Lilith Stangenberg in der Rolle der Cleo

Lilith Stangenberg (*1988, Berlin) begann ihre Laufbahn im Jugendtheater der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz und wurde anschließend ans Schauspiel Hannover und ans Theater Basel engagiert. Von 2009 bis 2012 war sie festes Ensemblemitglied des Schauspielhauses Zürich, bevor sie an die Volksbühne Berlin wechselte. Seit Anfang diesen Jahres gehört Lilith Stangenberg zum Ensemble des Castorf-Stücks „Aus dem bürgerlichen Heldenleben“ am Schauspiel Köln. In den letzten Jahren stand sie darüber hinaus für diverse Filmprojekte vor der Kamera: „Der Staat gegen Fritz Bauer“, „Wild“. 2017-18 spielte sie in den Fernsehfilmen „Bella Block – Am Abgrund“ sowie im „Tatort – Blut“. Dazu kommen Rollen in weiteren Kinofilmen, u.a. in „Idioten der Familie“, „Ich war zu Hause, aber…“, „Blutsauger“, „Love is a Dog from Hell“ sowie „Orphea“. 2019 drehte sie mit dem Künstler Paul McCarthy „Night Vater“, ein Remake des Nazi Dramas „Der Nachtportier“ von 1974. In der Sky-Serie „Hausen“ spielt sie Cleo, eine junge Mutter, deren Baby vermisst wird.


Wie kam es zu diesem Projekt?

Lilith Stangenberg: Ganz Klassisch, ich hab die Bücher bekommen und später ein Casting mit Thomas Stuber und Charly Hübner gehabt und Thomas hat sich dann ziemlich schnell entschieden.

Was hat Dich an der Rolle angesprochen?

LS: Die Rolle der Cleo durchlebt heftige Gefühle, wird von dunklen Emotionen gequält: Angst, Schmerz, Trauer, Verlust und Schuld. Das ist ein spannender Motor der diese Rolle antreibt. Zudem befreit einen das Genre des Horrors irgendwie von der Psychologie und bietet einem andere extremere Möglichkeiten der Darstellung an, das finde ich sehr attraktiv.

Wie hast Du Dich in diese Gefühle hineingesteigert?

LS: Ich bin selbst nicht Mutter, stelle mir aber den Verlust des eigenen Kindes als das Schlimmste vor, was einem passieren kann. Für mich war Cleos Entwicklung im Laufe der 8 Folgen wie eine Reise in den Wahnsinn, in die zersetzende Kraft der Angst und in den Tod. Was ich schon im Buch rührend fand, war die unberechenbare Kraft der Figur. In einem Moment ist sie so aufgeräumt und im nächsten Moment fällt sie, tiefer als alle anderen. Ich habe viele Horrorfilme im Vorfeld angesehen und genau geschaut, wie hier extremen Gefühle dargestellt werden.

Wie waren die Dreharbeiten mit dem Baby?

LS: Ich habe gar nicht soviel mit dem Baby gedreht, weil es Cleo ja gleich weggenommen wird. Die wenigen Szenen mit Kind habe ich dafür fast immer mit einem echten Neugeborenen gedreht. Insgesamt waren etwa drei Babys im Wechsel am Set, die teils nicht älter als 14 Tage alt waren. Die Mutter hatte es schon zum Casting angemeldet, als es noch gar nicht geboren war. (lacht). Diese Momente waren natürlich aufgeladen und auch anrührend. Geprobt wurde mit einer Puppe, da verhält man sich natürlich anders als wenn dann das echte Kind an Set kommt, manches ist auf einmal nicht mehr möglich. Aber die Anwesenheit eines Kindes schenkt einem auch sehr viel, weil es immer unverstellt und lebendig ist. Ich fand es eher schwierig mit der Puppe zu drehen.

Die Serie ist sehr düster. Waren auch die Dreharbeiten unheimlich?

LS: Wir haben in dem ehemaligen DDR Regierungskrankenhaus gedreht. Dies war ein dunkler, abgekühlter grosser Gebäudekomplex Das Team war sehr groß und ich hatte das Gefühl, dass die Ausstrahlung des Ortes Einfluss auf uns hatte. Ich fühlte mich in den dunklen Gängen irgendwie verloren und bedrückt.

Fühltest Du dich nach Ende der Dreharbeiten und dem Verlassen des Sets wieder freier?

LS: Es gab ein paar Drehtage, die so finster waren, dass mich anschließend bis zu drei Tagen ein komisches Gefühl begleitet hat. So ein Filmset, auch wenn viele Leute anwesend sind, ist fern vom Alltag und von der Realität. In dem Moment, in dem die Kamera angeht, entsteht ein intimer Raum, wo man Gefühle auslebt, denen man im realen Leben vielleicht gar keinen Raum geben kann. Deswegen fühlt man in so einem Moment immer ganz anders. Für mich hat Filmen auch etwas mit halluzinieren zu tun. Manchmal ist es sogar wie ein nicht enden wollender Prozess von Tagträumen. Wenn man sich – wie in diesem Fall – über einen langen Zeitraum mit so düsteren Momenten befasst, lässt einen das nicht ungestraft entkommen.

Wann fanden die Dreharbeiten statt?

LS: Ende September letzten Jahres bis Januar dieses Jahres, wobei ist selbst von Oktober bis Dezember gedreht habe.

Kannst Du jetzt bereits etwas über Deine kommenden Film „Die schwarze Spinne“ und „Blutsauger“ verraten?

LS: „Die schwarze Spinne“ habe ich letzte Woche (Anmerkung der Redaktion: Anfang Oktober) in Budapest abgedreht. Das Stück wurde um 1900 geschrieben, ist aber eine mittelalterliche Novelle, die in der Schweiz so bekannt ist wie „Wilhelm Tell“. Es ist eine der ersten Fantasiegeschichte. Die Themen sind nicht so weit entfernt von dem, worum es in „Hausen“ geht. Die Disposition zum Bösen und zu der Dunkelheit ist in jedem Menschen verankert. Was die Gesellschaft mit einem macht, ist wichtig. Es gibt immer die persönliche Schuld, aber auch die kollektive. Diese Strukturen sind zeitlos. „Blutsauger“ ist hingegen etwas ganz anderes, eher eine Gesellschaftskritik, Vampirismus im Kaptalismus. Ich spiele dort eine blutsaugende Fabrikantentochter. Es wird aber nicht wirklich Blut gesaugt, dies ist mehr metaphorisch zu verstehen.

Nach welchen Kriterien wählst Du deine Projekte aus?

LS: Ich definiere mich sehr über das, was ich mache. Ich habe konstant das Gefühl, etwas produzieren zu müssen. Bisher habe ich meine Projekte immer intuitiv ausgewählt. Ich hatte immer stets das Gefühl, dass ich zu der jeweiligen Rolle etwas zu sagen hatte. Also meistens waren es leidenschaftliche Entscheidungen.

Wie erlebst Du die Zeit der Corona-Pandemie, wo das Produzieren für Dich nur eingeschränkt möglich ist?

LS: Schwierig. (lacht). Wenn ich von einem Dreh zurückkomme, muss ich eh meistens sehr kämpfen, damit ich nicht in ein schwarzes Loch falle. Nach dem Drehende von „Hausen“ habe ich mich entschieden, mich fallenzulassen. Ich fühle mich am aller wohlsten und bin am glücklichsten, wenn ich etwas kreieren kann. Zu Hause zu sitzen und in meiner Freiheit eingeschränkt zu sein, ist für mich eher schwierig. Aber ich habe die Zeit genutzt, um viele Filme zu sehen, zu studieren und französisch und das Gitarre spielen geübt.

Vielen Dank für Deine Zeit und Deine ehrlichen Antworten.

von Sandy Kolbuch

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