Interview mit Peter Wohlleben zu Das geheime Leben der Bäume

Peter Wohlleben
Peter Wohlleben © 2019 Constantin Film Verleih GmbH

„RÜCKKEHR ZUR NORMALITÄT“ – EIN GESPRÄCH MIT PETER WOHLLEBEN


Zunächst müssen Sie noch einmal erzählen, was sie dazu gebracht hat, Das geheime Leben der Bäume zu schreiben – und warum ausgerechnet dieses Buch so ungemein erfolgreich geworden ist?
PETER WOHLLEBEN: Grundsätzlich muss ich erst einmal sagen, dass ich mich nie als Schriftsteller oder Autor gesehen habe. Ich bin Förster. Das war immer mein Traumberuf und ist es auch heute noch, ihm gehört meine ganze Leidenschaft. Zum Schreiben hat mich meine Frau gedrängt: Sie war es, die mir nahegelegt hat, das niederzuschreiben, was ich den Menschen bei meinen Führungen durch den Wald in den letzten 30 Jahren erzähle. Weil sie gerne auch nachlesen wollten, was sie gehört hatten, es aber keine entsprechende Literatur gab, hatte meine Frau die Idee, ich müsse das übernehmen. Schreib das doch mal auf! Ich habe mich überreden lassen: So bin ich zum Schreiben gekommen. Vor Das geheime Leben der Bäume hatte ich bereits 15 Bücher verfasst und dabei eher pessimistisch über den Zustand der Forstwirtschaft und der Wälder in Deutschland berichtet, womit ich mich politisch natürlich nach wie vor auseinandersetze. Zum Lesen ist das natürlich nicht so schön. Man kann sich der Sache aber auch anders nähern. Man kann nämlich erst einmal erzählen, was für wunderbare Wesen Bäume überhaupt sind, was viele auf diese Weise gar nicht wissen. Im Vorfeld der Buchveröffentlichung wurde auch von vielen Seiten, insbesondere der Presse, abgewunken: Die dachten, das ist stinklangweilig – ein Buch über Bäume, naja, was soll daran schon so toll sein… Wichtig ist, denke ich, eine positive Grundhaltung. Man kann schon kritisch sein, wobei das in diesem Buch überhaupt nicht im Vordergrund steht, aber es wäre gut, wenn es ein Happy End gibt. Das Schöne ist: Das ist auch gar nicht ausgeschlossen, auch in Bezug auf Klimawandel und all diese Dinge.

Herbstwald
Herbstwald © 2019 Constantin Film Verleih GmbH / nautilusfilm

Sind Sie wirklich optimistisch?
PETER WOHLLEBEN: Wir sagen uns gerne, dass es die heile Welt nicht mehr gibt, wer von der vermeintlich heilen Welt träumt, betreibe Eskapismus. Ich glaube, das stimmt nicht. Unser Problem ist, dass wir Natur über Jahrhunderte viel zu technisch gesehen haben, als große Maschine, als Räderwerk, als seien die Bäume unbeseelte Bio-Automaten, die um uns herum arbeiten. Jetzt weiß man, dass die scharfe Trennung zwischen Tier und Pflanze gar nicht existiert. Die konservative Wissenschaft überholt momentan die Esoterik. Beispielsweise wurde in den letzten Jahren erforscht, dass Pflanzen richtig Schmerzen empfinden können. Die Wissenschaft untermauert, was die Esoteriker lange schon vermuten. Das reicht so weit, dass wir mittlerweile wissen: Bäume können zählen, haben ein Gedächtnis, können sich erinnern und Wissen weiterreichen. Das hätte man höchstens, wenn überhaupt, im Reich der Tiere vermutet. Tatsächlich betreiben wir mit unserem Wunsch nach der heilen Welt keinen Eskapismus. Vielmehr ist es so, dass wir uns als Menschen von der Natur entfremdet haben. Langsam kehren wir wieder zum Normalen zurück: Bäume sind fühlende Wesen – und warum auch nicht? Das fühlt sich auch richtiger an. Mit dem Bauch haben wir das schon immer gewusst.

Und das vermittelt Ihr Buch?
PETER WOHLLEBEN: Der Reiz des Buches besteht aus einer Mischung aus erstaunlichen Fakten, die aber so aufbereitet sind, dass auch Laien sie leicht lesen können, und einer positiven Grundhaltung: Wir können etwas verändern. Das macht Mut. Der Mensch ist ein soziales Wesen, aber außerhalb unserer Gemeinschaft ist in der Natur alles Kampf. Das ist eine weitverbreitete Ansicht, mit der viele von uns groß geworden sind. Sie beruht allerdings auf einer Fehlauslegung des Begriffes Evolution. Darwin spricht in seiner Theorie vom „Survival of the fittest“, also „Der Stärkste überlebt“. Das ist aber falsch: „Survival of the fittest“ bedeutet „Der Passendste überlebt“ – so wurde das von Darwin auch gemeint. Wer sich in ein System einpasst, der drängt sich ihm nicht auf, sondern interagiert mit ihm: Kooperation. Es lässt sich wissenschaftlich mittlerweile nachweisen, dass Bäume, die gut kooperieren, besonders alt werden, dass es besonders stabile Ökosysteme sind. Das sehen wir gerade jetzt, nach diesen trocken-heißen Sommern: In den alten Reservaten, in denen das System intakt ist, hat der Wald keinen Schaden genommen. Die Bäume kühlen sich gemeinsam herunter, unterstützen schwache Exemplare, dass sie nicht absterben. Die Gemeinschaft ist viel überlebensfähiger als die einzelnen Glieder. In Zeiten wie den unseren ist das eine höchst politische Erkenntnis.

Peter Wohlleben, Förster und erfolgreicher Buchautor.
Peter Wohlleben, Förster und erfolgreicher Buchautor. © 2019 Constantin Film Verleih GmbH

Wie ist es nun zur Verfilmung von Das geheime Leben der Bäume gekommen?
PETER WOHLLEBEN: Beim Schreiben des Buches hätte ich mir niemals träumen lassen, dass das irgendwann einmal ein Film werden könnte. Wie auch? Das ist ganz weit weg von meiner Realität. Als sich Constantin Film bei meinem Agenten wegen der Verfilmungsrechte erkundigte, fand ich es aber doch gleich spannend. Ich bin ja neugierig. Wie will man denn ein Sachbuch verfilmen, besonders so eines wie meines? Wenn Hape Kerkeling von seiner Kindheit erzählt, dann hat man gleich Kinobilder vor Augen, auch wenn es sich um ein Sachbuch handelt. Das kapiert jeder. Aber Das geheime Leben der Bäume als Kinofilm? Wie soll das gehen, wenn es nicht einfach eine Naturdokumentation sein soll, wie es schon viele gibt?

Ihnen war nicht klar, dass Sie direkt involviert sein würden?
PETER WOHLLEBEN: Ich dachte, die ziehen los und irgendwann zeigen sie mir den Film. Und dann war ich nicht einfach nur involviert, sondern über eineinhalb Jahre in die Dreharbeiten mit eingebunden. Das war eine verrückte Erfahrung.

Wenn sich Rehe an den Blättern zu schaffen machen, reagieren Bäume mit Duftbotschaften als Abwehr.
Wenn sich Rehe an den Blättern zu schaffen machen, reagieren Bäume mit Duftbotschaften als Abwehr. © 2019 Constantin Film Verleih GmbH / nautilusfilm

Wie sind Sie denn vorgegangen?
PETER WOHLLEBEN: Der Film verfilmt einen Teil des Buches mit Naturaufnahmen von Jan Haft, der andere Teil ist dokumentarisch entstanden, mit Regisseur Jörg Adolph. Er folgt mir, sieht mir zu, was ich im Wald und mit anderen Menschen mache. Wir zeigen Dinge, die Anlass zur Sorge geben, wie der Hilferuf des kleinen Indianerstamms auf Vancouver Island, wo der Wald abgeholzt werden sollte, oder was im Hambacher Forst geschieht. Aber eben auch die andere Seite der Medaille, die Anlass gibt zur Hoffnung, weil man sieht, dass man es auch anders machen kann und vielfach bereits anders gemacht wird. Es findet ein Umdenken statt, auf großer Ebene. Die Mischung macht’s: Einerseits darf man nicht durch die rosarote Brille sehen und die Probleme vernachlässigen. Andererseits ist es mir wichtig, Faszination zu vermitteln und einen positiven Ausblick zu geben. Das ist bereits im Buch so angelegt, aber ich denke, dass sich das im Film noch stärker widerspiegelt.

Was macht den Film denn nun anders?
PETER WOHLLEBEN: Uns war es wichtig, dass die Dinge nicht von einem allwissenden Erzähler aus dem Off erklärt werden, sondern dass sich die Erkenntnisse aus dem Film heraus erklären, dass Wissen durch die Bilder vermittelt wird. Das macht den Film super lebendig. Die Szenen spielen auf den ersten Blick in unterschiedlichsten Bereichen, aber ergänzen sich im Zusammenschnitt zu tollen Aussagen, die teilweise Schmunzeln lassen, aber auch ernste Themen abdecken, ohne dass eine pädagogische Haltung dahinter stünde. Das wäre Quatsch.

Wie kann man sich das vorstellen?
PETER WOHLLEBEN: Wir haben irre lange gedreht, wie gesagt war die Kamera über eineinhalb Jahre immer mit dabei. Ich weiß gar nicht, wie viele hundert Stunden Material gedreht wurden, aus dem man auswählen konnte. Aber die Filmemacher haben genau die richtigen Szenen gefunden, die die verschiedenen Thesen aus dem Buch filmisch stützen. Das kann vom Wald in ein Seminar, zur Buchmesse, in ein Fernsehstudio und wieder zurück in den Wald gehen und behandelt doch den einen bestimmten Aspekt, der gerade im Fokus steht. Deshalb ist das auch sehr unterhaltsam und abwechslungsreich mitanzusehen – und gleichzeitig ein Mehrwert im Vergleich zum Buch, weil man auf eine filmische Reise mitgenommen wird, die einen abholt und an andere Orte transportiert und dabei immer wieder auch staunen lässt.

Trailer zu Das geheime Leben der Bäume

Der Dokumentarfilm DAS GEHEIME LEBEN DER BÄUME startet am 23. Januar 2020 in den Kinos.

von Torge Christiansen

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