Eine Oscarvorhersage in die Vergangenheit – ein etwas anderer, kritischerer Blick auf die Academy

Die Oscars-Statue
Die Oscars-Statue © The Nielsen Company (US)

Ich schreibe diesen Artikel am Samstag vor der Verleihung des prestigeträchtigsten Filmpreises der Welt. Der Artikel wird erst nach der Verleihung erscheinen. Hier geht es darum aufzuzeigen, wie bzw. ob die Academy of Motion Picture Arts and Science wirklich so voraussehbar und politisch ist. Sollte also ein Gewinner oder eine Gewinnerin falsch sein, ist das sicherlich kein Wunder.


Bester Hauptdarsteller

JOAQUIN PHOENIX als Arthur Fleck © Warner Bros. Entertainment / DC Comics

Joaquin Phoenix gewinnt seinen ersten Oscar für seine Rolle des Jokers im gleichnamigen Film. Dies dürfte wohl niemanden verwundert haben, schließlich wurde den anderen Darstellern im Vorfeld der Verleihung so ziemlich keine Chance eingeräumt. Während Leo DiCaprios Nominierung eher einer Selbstverständlichkeit zu gleichen scheint, als wirklich ernst gemeint zu sein und Jonathan Pryce zwar ablieferte, aber in einem Film der viel zu politisch aufgeladen und viel zu antireligiös daherkommt, ist die Figur des Jokers nahezu immer ein Garant für eine tolle Schauspielleistung. Wenn wir Antonio Banderas aus dem Spiel lassen (schließlich ist sein Film ja kein guter, alter amerikanischer Film), hat nur Adam Driver die Chance gehabt Phoenix vom Thron zu stoßen. Driver hätte ohne Frage auch gewonnen, wenn der Joker nicht so einen Hype mitbekommen hätte.

Beste Hauptdarstellerin

Judy Garland (Renée Zellweger) in ihrer Garderobe.
Judy Garland (Renée Zellweger) in ihrer Garderobe. © 2019 eOne Germany

Renee Zellweger gewinnt den Oscar! Wow! What a time to be alive! Das war wirklich nicht schwer vorherzusagen, schließlich verkörpert sie Judy Garland und wir alle wissen wie sehr die Academy die Darsteller aus Biopics liebt, vor allem wenn es sich um Größen des Filmgeschäfts handelt. Da spielt ihr natürlich in die Karten, dass Charlize Theron (wenn sie auch sonst wirklich toll performt) in diesem Jahr nur wegen der politischen Tragweite von „Bombshell“ nominiert wurde. Scarlett Johansson hat leider auch keine Chance in dieser Kategorie (was nicht heißt, dass sie nicht doch absahnen hätte können – Erklärung folgt). Wie kann man denn aber bitte Saoirse Ronan übersehen? Sie war zwar bereits vier mal nominiert und hat auch schon ein, zwei Preise in ihrer Vitrine, aber sie ist schauspielerisch die eigentliche Gewinnerin dieser Kategorie.

Bester Nebendarsteller

Cliff Booth (BRAD PITT, r.) und Rick Dalton (LEONARDO DICAPRIO, l.)
Cliff Booth (BRAD PITT, r.) und Rick Dalton (LEONARDO DICAPRIO, l.) © Sony Pictures Entertainment Deutschland GmbH

Brad Pitt gewinnt seinen ersten Oscar als Darsteller für Cliff Booth. Völlig verdient. Dieser Mann erlebt gerade eine Renaissance in seiner Karriere. Großartig. Wundert aber irgendwie auch niemanden, wenn man sich die schwachen Gegenkandidaten ansieht. Zwei Nominierte für „The Irishman“ scheint eher ein letzter Rückblick in vergangene Tage zu sein und Anthony Hopkins musste wirklich nicht allzu viel machen, um Josef Razinger zu verkörpern. Tom Hanks spielt einmal wieder Tom Hanks, was erst einmal sehr, sehr gut ist, aber wofür er ja bereits Preise gewonnen hat in vorherigen Filmen.

Beste Nebendarstellerin

Laura Dern in Marriage Story
Laura Dern in Marriage Story © Netflix

Laura Dern gewinnt den Oscar. Für was? Sie hat nun wirklich nichts zu „Marriage Story“ beigetragen und war dort auch kaum zu sehen. Scarlett Johannson hätte ihn sicherlich bekommen, hat aber im gesamten auch zu wenig Screentime bei „Jojo Rabbit“. Außerdem hört es bei einer Nazikomödie bei den Nominierungen auf! Die Academy würde sich doch nie erlauben solch politisches auszuzeichnen. Wirklich schade. Die eigentliche Gewinnerin der Herzen ist jedoch Florence Pugh. Sie zeigt in „Little Women“ was sie drauf hat und ist dort sehr präsent. Die verschiedenen Facetten ihrer Figur spielt sie grandios. Schade, dass Laura Dern dazwischen grätschen musste.

Beste Regie

Sam Mendes für „1917“ hat gewonnen. Greta Gerwig fehlt. Mehr muss nicht gesagt werden.

Bester Film

Parasite Teaser
Parasite Teaser © 2020 Koch Films

„Parasite“ war kein englischsprachiger Film. Dieser ist also nicht der Gewinner. „Jojo Rabbit“ – zu kontrovers, denn können wir auch nicht gewinnen lassen. „Joker“ war zu populär. Da sagt nachher jeder die Academy sei zu „Mainstream“. „Once Upon a Time in… Hollywood“ geht unter den ganzen Filmen leider unter, der darf es auch nicht werden. „Ford V Ferrari“ war eher ein kleiner Blockbuster, sowas mögen wir nicht. „The Irishman“ ist von Netflix. „Marriage Story“ ist von Netflix. „Little Women“ – eine Frau gewinnt? Soweit kommts noch! Dass „1917“ gewonnen hat, war keine Frage. Natürlich ist dieser Film wirklich großartig, genau wie alle anderen Filme auf dieser Liste, aber es schade, dass er mehr durch die Umstände gewonnen hat, als durch sein Können selbst.

Fazit:

Was sollte dieses Ratespiel? Nun, vielleicht habe ich auch falsch gelegen und andere Kandidaten gewinnen, aber ich denke schon, dass ich so ziemlich richtig liegen werde. Denn es ist immer eine politische oder kulturelle Entscheidung, wer einen gewinnt und wer nicht. Selten kommt es vor, dass ein Film so stark gemacht ist, dass es nicht anders geht, als ihn triumphieren zu lassen. Ist dieses politisch aufgeladene jetzt schlecht für den Preis? Ein klares Jein. Wenn in den nächsten Jahren hoffentlich mehr Diversität in das Oscar-Rennen eingebunden wird, werden solche Argumente hoffentlich auch verstummt sein und man kann endlich nach Leistung wählen. Da der Preis aber immer noch von Menschen vergeben wird, wird es immer persönliche Präferenzen geben.

Ich persönliche finde das Kinojahr 2019 sehr stark. Auch die Nominierten in diesem Jahr finde ich sehr stark. Es gibt keinen Film der Hauptkategorien, den ich nicht gut fand. Mir fehlen jedoch deutlich die Diversitäten.

von Jan Welsch

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