Die Top 10 Filme aus 2020 (von Sebastian Stegbauer)

Little Women: Emma Watson, Florence Pugh, Saoirse Ronan, Eliza Scanlen © 2019 Sony Pictures Entertainment Deutschland GmbH

Oh man, das war vielleicht ein schlimmes Jahr. Und doch sitze ich hier und denke an alle die schönen Erinnerungen, die ich hatte, nicht wenige davon dank Filmen. Leider habe ich durch Corona auch einige verpasst, die ich gerne noch gesehen hätte.


Dazu zählen unter anderem Out of Play, Kajillionaire, Waves, Falling und Niemals Selten Manchmal Immer. Trotz allem schaffte ich es 2020 immerhin 76 Mal ins Kino zu gehen, wodurch sich eine ordentliche Menge an großartigen Werken ergab. So schreibe ich nun mit einem Lächeln auf den Lippen diese Liste und denke an all die Film, die dieses Jahr für mich ein wenig Licht in die Dunkelheit gebracht haben. Vielleicht können sie das ja für euch auch in dieser schweren Zeit.

Natürlich haben es leider nicht alle, die ich auch mochte in diese Liste geschafft. Die Folgenden Filme haben meine Top 10 nur knapp verfehlt:

  • Ein verborgenes Leben: Langsames, aber sehr kraftvolles Drama von Terrance Malik über einen Mann, der sich weigert dem Nationalsozialismus zu dienen
  • Vergiftete Wahrheit: spannender und brisanter Thriller über einen Anwalt gespielt von Mark Ruffalo
  • Känguru Chroniken: witzige und satirische Verfilmung des Bestsellers
  • Der Fall Richard Jewell: spannendes Drama von Clint Eastwood, wie der Verdacht eine Bombe gelegt zu haben, das Leben eines Wachmanns auseinandernimmt.
  • Birds of Prey: The Emancipation of Harley Quinn: gewitzte und kreative Comicverfilmung
  • The Devil All The Time: spannender Kleinstadt-Thriller über Machtmissbrauch und die Gefahr von Religion
  • Onward: Interessanter Fantasyfilm mit der typischen Pixar-Mischung aus Emotionen und Humor
  • 7500: Spannendes Kammerspiel in einem Flugzeug
  • 1917: toll aussehender Kriegsfilm als Plansequenz
  • I´m Thinking Of Ending Things: Seltsam, aber vor allem für Fans von Filmen wie Mulholland Drive aber absolut empfehlenswert

1917 wäre übrigens auf jeden Fall in der Liste gelandet, hätte ich nicht das Gefühl, dass das, was den Film so besonders macht, nicht gleichzeitig die Figuren und die Handlung so begrenzt und so seine größte Schwäche ist. Ansonsten möchte ich auch noch die berührende Historienromanze Porträt einer jungen Frau in Flammen wärmstens empfehlen. Obwohl der Film eigentlich letztes Jahr herauskam, habe ich ihn erst heuer sehen können. Da ich aber nach deutschem Startdatum vorgehen möchte, kann er nicht mehr auf der Liste landen. Für Fans von langsameren, berührenden Dramen oder außergewöhnlicherer Filmkunst ist der Film aber ein Muss.

Ansonsten möchte ich noch die folgenden Filme erwähnen:
Blue Story, Jean Seberg, Das Beste kommt noch, Misswahl, Just Mercy, Queen & Slim, Bad Boys for Life, Greenland

Jetzt aber zur eigentlichen Liste:

Berlin erweist sich für Francis (Welket Bungué) als hartes Pflaster.
Berlin erweist sich für Francis (Welket Bungué) als hartes Pflaster. © 2019 Sommerhaus/eOne Germany (Foto:Wolfgang Ennenbach)

10. Berlin Alexanderplatz

Berlin Alexanderplatz erinnert irgendwie ein wenig an „Scarface“. Und das ist grundsätzlich schon mal als großes Kompliment zu sehen. Regisseur Burhan Qurbani setzt in seiner Neuinterpretation von Alfred Döblins Roman aber seinen Fokus mehr auf die Dualität des Menschen und die innere Zerrissenheit seines Protagonisten. Als Folge entsteht so ein unglaublich mitreißender, aber auch sehr tragischer Film über einen Menschen, der eigentlich gut sein, von seinem Umfeld aber mehr und mehr ins Verderben gezogen wird. So entwickelt der Film einen Sog, dem ich mich auf die drei stündige Laufzeit kaum entziehen konnte. Es ist ein relevanter, elektrisierender Film, der jedoch in einigen Aspekten etwas dichter sein könnte, weshalb er sich seine Laufzeit in meinen Augen doch nicht so ganz verdient. Nichtsdestotrotz beweist man hier, dass auch das deutsche Kino seine großen Epen auf Lager hat. Für Fans von Coppola, De Palma und Scorsese ist dieser Film Pflicht!

Pelikanblut: Wiebke (Nina Hoss) trifft ihre neue Adoptivtochter Raya (Katerina Lipovska) im Kinderheim © DCM

9. Pelikanblut

Wahnsinn, nochmal ein deutscher Film auf der Liste? Lasst euch hier von dem etwas sperrigen Titel nicht abschrecken. Pelikanblut lässt sich gut als eine Mischung aus Systemsprenger und Hereditary beschreiben, was dem Endprodukt allerdings nicht so ganz gerecht wird. Der Film zählt zu der neuen Riege an Horrorfilmen, die im Kern ein starkes Drama sind, dabei mit Atmosphäre und Spannungsaufbau überzeugen, statt mit Jumpscares und billigen Schockern. Schauspielerisch ist das dann wirklich aller oberste Schiene, allen voran Nina Hoss spielt sich wirklich an den Rand des eigenen Verstands. Dennoch ist der Film nichts für jeden. Er ist hart, düster und auf psychologischer Ebene zutiefst tragisch. Ich fühle den Schmerz der Figuren, die Verzweiflung, die Angst. Pelikanblut bot mir ein überraschendes und hartes Kinoerlebnis, das mir noch lange im Kopf bleiben wird. Leider wirkt der dritte Akt dabei in einigen Aspekten etwas entrückt, was dem Gesamtwerk nur allerdings kaum schadet.

Gary Oldman als Herman Mankiewicz und Sean Persaud als Tommy
Gary Oldman als Herman Mankiewicz und Sean Persaud als Tommy © Gisele Schmidt / Netflix

8. Mank

„You cannot capture a man’s entire life in two hours. All you can hope is to leave the impression of one.” Und bei Gott wie „Mank“ das gelingt! Allerdings passiert das auf Kosten einer stringenten Handlung, was viele Leute abschrecken dürfte. Genau dadurch erhielt ich aber ein so tolles Gefühl für Mank selbst, der von Gary Oldman in einer Performance für die Ewigkeit zum Leben erweckt wurde. Ich habe genau wie so viele andere bei weitem nicht alles in diesem Film verstanden, muss ich aber eigentlich auch gar nicht. Zwar wird der Film so etwas schwer zugänglich, entwickelt aber auch durch seine hypnotischen Schwarz-Weiß-Bilder einen Sog auf mich, der mich immer tiefer in das Hollywood der 30er und 40er gezogen hat. Die Dialoge geraten dabei rasiermesserscharf, pointiert und immer wieder erdrückend lustig. „Mank“ ist David und Jack Finchers Liebeserklärung an Citizen Kane, zugleich aber eine bissige Sozialsatire auf die Korruption und die Ausbeutung der Traumfabrik. Es ist ein Film für Insider, was durchaus auch ein kleines bisschen als Kritik zu verstehen ist, wovon man sich davon nicht entmutigen lassen darf. Denn letztlich „Mank“ ohne Zweifel einer der besten Filme des Jahres!
(auf Netflix verfügbar)

Matthew McConaughey in The Gentlemen
Matthew McConaughey in The Gentlemen © LEONINE

7. The Gentlemen

Guy Ritchie kehrt nach seinen Ausflügen ins Blockbusterkino wieder in vertraute Gefilde zurück. Hier setzt er allerdings einen anderen Fokus. Er wirkt gereift, erwachsener, aber noch immer genauso frisch und verspielt wie früher. Wieder setzt er auf seinen gewitzten Schnitt, auf zeitlose Figuren und parallel verlaufende Handlungen. Und doch spielt er nicht die Nostalgiekarte aus, oder wiederholt seine gängigen Themen, sondern setzt dabei neue Akzente. Es wirkt vertraut und doch so neu, hat aber seinen Charm, seinen perfekten Sinn für den Schnitt und sein Gespür für grandiose Charaktere nicht verloren. Er spielt clever mit seinem allwissenden Erzähler und bleibt so stets unvorhersehbar, holt dabei sein typisches Ensemble aber clever in die Gegenwart. Guy Ritchie ist Kult, und The Gentlemen beweist das wieder einmal!
(aktuell auf Amazon Prime verfügbar)

Jojo Rabbit: Taika Waititi und Roman Griffin Davis
Jojo Rabbit: Taika Waititi und Roman Griffin Davis © 2019 Twentieth Century Fox

6. Jojo Rabbit

Und damit hätten wir wohl den witzigsten Film des Jahres! Jojo Rabbit kam im Januar in die Kinos und doch sollte ich das ganze Jahr nicht wieder so lachen. Auch bei meinem zweiten Kinobesuch überraschte mich Regisseur und Autor Taika Waititi mit seinem einzigartigen Gespür für Humor, vergisst dabei aber nie seine Figuren aufzubauen, erinnerte mich nebenbei wieder einmal daran, wie großartig Scarlett Johansson doch eigentlich sein kann und endet dann mit einem der kraftvollsten Momente des ganzen Jahres. Dabei stellte sich dann vor allem der junge Roman Griffin Davis als absolute Überraschung heraus. Alleine ihm hätte ich noch Stunden zuschauen können! Wenn der Film tonal noch etwas besser ausbalanciert wäre, hätte es sogar noch für einen höheren Platz auf der Liste gereicht. So bleibt aber ein unvergesslicher Film, der dem Kosmos an Filmen über die Nazizeit sogar noch einiges hinzuzufügen hat.
(aktuell auf Sky Ticket und Sky Go verfügbar)

The Trial of the Chicago 7 - Key Art
The Trial of the Chicago 7 – Key Art © Netflix

5. Trial of the Chicago Seven

Trial of the Chicago Seven ist mehr noch als The Gentlemen ein Bekenntnis an die Macht des Schnitts. Wie hier zunehmend immer mehr und immer kraftvoller mit Parallelmontagen gearbeitet wird, hat mich zutiefst beeindruckt. Bis sich die finale Enthüllung nach langsamem Anschleichen mit einem Faustschlag in die Magengrube meldet, nahm mich das enorm charismatische Ensemble an unterschiedlichsten Figuren auf eine Reise mit, die ich so schnell nicht vergessen werde. Dabei baut sich die Spannung und der eigene Hass auf bestimmte Figuren auch durch die brillanten Dialoge, die Autor und Regisseur Aaron Sorkin hier auf Zelluloid zaubert, perfekt auf. Leider verliert sich der Film irgendwann etwas in seinen Gesprächen. Das Ende ist dann auch etwas drüber. Und doch hat mich der Film nie verloren, was sicherlich auch auf den großartigen Cast zurückzuführen ist. Denn was bleibt ist großartige Unterhaltung, clevere Dialoge und Figuren, mit denen wir leiden, lachen und fiebern können.
(auf Netflix verfügbar)

John David Washington in Tenet
John David Washington in Tenet © Warner Bros.

4. Tenet

Tenet ist irgendwie ein bisschen als würde ich ein wirklich tolles Lied zum ersten Mal in der Disko hören. So ganz versteht man vielleicht nicht alles, aber dennoch bin ich voll dabei. Zum Beat von Ludwig Göranssons basslastigem, aber brillanten Soundtrack, den ich bis in meine Knochen spüre, getrieben vom besten Leinwandduo des Jahres mit John David Washington und Robert Pattinson und auf die Leinwand gebannt durch die großartigen Bilder von Hoyte van Hoytema. So etwas habe ich noch nie in meinem Leben gesehen! Hier gelingt ein bombastischer, innovativer und intelligenter Blockbuster-Meilenstein, der sich zwar einige von Nolans üblichen Kritikpunkten gefallen lassen muss, aber dennoch zu jeder Sekunde beeindruckt. Tenet ist dabei witzig, dramatisch, bombastisch und dann doch auch wieder berührend. Man bietet Action, wie sie die Welt noch nie gesehen hat, und zugleich ein Weltuntergangsgeschichte, die tatsächlich eine glaubwürdige emotionale Fallhöhe aufweist. Es ist ein Spektakel, das ich ganze fünf Mal im Kino erfahren habe und dennoch immer wieder erleben möchte.

Szene aus Soul © Disney

3. Soul

Und dann kommen wir zu einer anderen Art Film. Die der großen Gefühle. Der neueste Pixar-Film behandelt zeitlose und existenzielle Themen mit so viel Respekt und Feingefühl, wie sie es verdienen. Dabei entsteht eine ungemein berührende und emotionale Reise, die uns dank den beiden hervorragend gesprochenen Protagonisten stets mitreißt. Doch verliert man dabei nie den Humor aus den Augen. Denn Soul gerät dabei gleichzeitig ungemein witzig und unterhaltsam. Doch stechen sich hier Emotionen und Humor nie, sie ergänzen sich sogar und bilden so ein meisterhaftes Gesamtkonstrukt. Ich hatte mehr als nur einmal Tränen in den Augen. Dabei hat Soul aber nicht nur ein brillantes Drehbuch, sondern entwickelt sich auch zu einem kreativen Augenschmaus, wie ich ihn selbst in den anderen Pixar-Filmen noch nicht gesehen haben. Untermalt von dem grandiosen Soundtrack von Trent Reznor und Atticus Ross geschieht hier wahre Kinomagie. Gerade in einem Jahr wie diesem brauchen wir Filme wie Soul, die so echt und ehrlich über das Leben erzählen. Es mag uns an den Rand der Belastungsgrenze bringen, doch können wir nie aufhören weiterzumachen und für ein besseres Morgen zu kämpfen. Dafür danke ich Soul!
(auf Disney Plus verfügbar)

Privatdetektiv Benoit Blanc (Daniel Craig) und Marta Cabrera (Ana De Armas)
Knives Out: Jeder ist verdächtig: Privatdetektiv Benoit Blanc (Daniel Craig) und Marta Cabrera (Ana De Armas) © Universum Film

2. Knives Out

Puh. Was soll denn jetzt auf dieser Liste noch kommen? Ganz klar: Knives Out. Rian Johnson hat schon mehrmals bewiesen, dass er es ungemein beherrscht, klassische Genre in ein modernes Gewand zu transportieren und diese dabei immer mit einer ganz eigenen Herangehensweise für sich selbst zu beanspruchen. So durchbricht Knives Out mehrmals, besonders einschneidend aber nach dem ersten Akt, vollkommen unerwartet die gängige Formel des Whodunit-Krimis. So erhält Johnson die Spannung, weil er unvorhersehbar bleibt. Etwas, das in einem solch festgefahrenen Genre (der neue Mord im Orientexpress bewies das wieder) mehr als nur beachtlich ist. Doch füllt er eben sein großartig komponiertes Drehbuch auch mit einem unvergesslichen Ensemble. Dabei stechen vor allem Daniel Craig als schrulliger und höchst amüsanter Detektiv Benoit Blanc heraus (alleine ihm hätte ich noch Stunden zuschauen können) und Ana de Armas als Marta Cabrera als emotionaler Ankerpunkt für den Zuschauer heraus. Knives Out ist böse, lustig und vor allem spannend. So bleibt ein absoluter Ausnahmefilm, der eines der besten originäre Drehbücher der letzten Jahrzehnte bietet. Ein Film der alten Schule, der dabei doch so modern ist. Für mich bereits jetzt ein moderner Klassiker!
(aktuell auf Amazon Prime verfügbar)

Saoirse Ronan in Little Women
Saoirse Ronan in Little Women © 2019 Sony Pictures Entertainment Deutschland GmbH

1. Little Women

Jetzt kommen wir endlich zu dem Meisterwerk, das ich das ganze Jahr mit mir rumgetragen habe. Es gab kaum einen Tag, an dem ich nicht an diesen Film gedacht habe. Little Women hat mich auf emotionaler Ebene berührt wie noch kaum ein Film zuvor. Während ich diese Zeilen schreibe, fällt es mir tatsächlich schwer ein Film zu nennen, der mich auf unter diesem Aspekt noch mehr erreicht hat. Hier vereint man genau die junge Garde an Kreativen, von denen ich einfach nicht genug bekommen kann. Aus dieser Reihe ist hier meine Lieblingsautorin/-regisseuren mit Greta Gerwig vorhanden, meine Lieblingsschauspielerinn in Form von Saoirse Ronan und mein Lieblingsschauspieler Timothée Chalamet. Meine Erwartungen waren demnach groß und wurden dennoch um ein Vielfaches übertroffen. Hier trifft die jugendliche bzw. kindliche Naivität und Erwartung auf die Härte des Erwachsenenlebens in einem Film für die Ewigkeit. Die brillante Parallelmontage verbindet dabei das Glück der Vergangenheit mit der Härte der Gegenwart und der Hoffnung in eine bessere Zukunft. Little Women erzählt in der Vergangenheit, aber über das Leben von uns allen. Der clevere Schnitt formt dabei das Vergehen der Zeit in einen schmerzhaften Schlag in die Magengrube. Dabei entstehen Figuren, die mich mein ganzes Leben lang begleiten werden. Als ich das zweite Mal ins Kino ging wollte ich einfach noch mehr Zeit mit diesen einzigartigen Menschen verbringen, und obwohl ich genau wusste, was passieren würde, hatte ich dennoch permanent Tränen in den Augen. Doch in all diesem Schmerz, der Enttäuschung und der Härte des Erwachsenenlebens liegt immer noch eine ungemein hoffnungsvolle Stimmung. Man zeigt das Leben in all seinen Facetten, seinen Herausforderungen, aber auch in seinem Glück. Die Little Women geben nie auf, genauso wie wir es nie dürfen. So berührt der Film nicht nur, er inspiriert uns alle. Genau so muss Kino sein!
(aktuell auf Sky Ticket verfügbar)

von Sebastian Stegbauer

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