Captain Marvel – Filmkritik

Carol Danvers/Captain Marvel (Brie Larson)
Carol Danvers/Captain Marvel (Brie Larson) © Marvel Studios 2019

Die Kritik:

Captain Marvel Plakat
Captain Marvel Plakat © Marvel Studios 2019

Für Superheldenenthusiasten sollten die momentanen Entwicklungen im Blockbusterkino eigentlich den Himmel auf Erden darstellen. Jedes Jahr werden bis zu sechs Filme, auf den Geschichten der Comicgiganten Marvel und DC Comics basierend, in den Kinos veröffentlicht. Das Wort, das die Gefühle vieler Filmbegeisterter inzwischen jedoch am besten verkörpert, geht jedoch in eine andere Richtung: Ermüdung. Das Marvel Cinematic Universe (MCU) bietet seit Jahren stets dasselbe. In beinahe jedem Film findet man den gleichen leichtfüßigen Humor, der meist tiefere Emotionen oder gar Ernsthaftigkeit zu selten erlaubt. Von der Idee, langfristige Konsequenzen aus gravierenden Ereignissen zu ziehen, hat man sich ohnehin vor langem verabschiedet (wobei Avengers: Endgame hier eine willkommene Ausnahme darstellt). Die Action, zwar oftmals bildgewaltig, erzeugt nur in den wenigsten Momenten tatsächliche Spannung, von komplexen Choreographien und durchdachten set pieces ist fast ausschließlich in den Filmen der Russo Brüder zu reden. Darüber hinaus wird CGI gerade in diesen Sequenzen zu uninspiriert und zu häufig eingesetzt. Dass die Effekte selbst in ihrer Qualität oftmals innerhalb der einzelnen Filme stark schwanken, kommt zur bereits schlechten Verwendung erschwerend hinzu. Die immer gleiche Dramaturgie und Struktur, die schon immer besonders den Origin-Filmen schwer zusetzte, hat sich seit 2008 mit ihrer Einführung ins MCU durch den ersten „Iron Man“ nicht ein bisschen verändert.

Dass „Captain Marvel“ letztlich genau dasselbe macht, wie jeder Andere dieser Filme ist bereits schlimm genug, dass jedoch dieses ohnehin sehr durchschnittliche Niveau nicht erreicht werden kann, stellt ihn selbst im Kontext seiner Vorgänger in ein sehr schlechtes Licht. Dass Marvel selbst in Phase 3 sich noch immer nicht von der ohnehin sehr plumpen Origin-Formel wegbewegt hat, ist eine Schande. Bereits 2005 hat Christopher Nolan mit dem großartigen „Batman Begins“ bewiesen, wie man den Ursprung eines Superhelden richtig inszeniert, ohne dass seither das Genie dieses Films je erreicht wurde. Es wäre allerdings unfair von Captain Marvel zu erwarten in derselben Liga wie jenes Werk zu spielen. So waren die Erwartungen gering und wurden dennoch bitter enttäuscht. Bereits vor zwei Jahren bewies Wonder Woman erstmals, dass auch weibliche Superheldinnen auf der Leinwand funktionieren können. Diana war in diesem Film stark, wunderschön, aber auch verletzlich und stand vor einem inneren Konflikt.

Carol Danvers/Captain Marvel (Brie Larson)
Carol Danvers/Captain Marvel (Brie Larson) © Marvel Studios 2019

Eben auch unter diesem Aspekt bedeutet Captain Marvel einen großen Schritt nach hinten. Der Protagonistin werden vom Drehbuch kaum Steine in den Weg gelegt. So wird sie durch kein Problem, keinen Kampf vor eine wirkliche Herausforderung gestellt. Am gravierendsten ist jedoch, dass die von der eigentlich enorm fähigen Brie Larson verkörperten Hauptfigur (die hier allerdings derartig stoisch und ernst spielt, dass man durch sie keinerlei Gefühl für ihre Figur bekommt) so blass bleibt, dass wohl kaum ein Zuschauer am Ende eine tatsächliche Charaktereigenschaft von ihr nennen könnte. Die Folge äußert sich darin, dass man kein bisschen in den Film gerissen wird. Mit so einer Figur zu sympathisieren oder sich sogar zu identifizieren ist problematisch. Hier werden einfachste Grundregeln des Drehbuchschreibens vernachlässigt. Normalerweise bringen die Marvelfilme zwar interessante Hauptfiguren auf die Leinwand, scheitern aber am Antagonisten. Der Grund hierfür liegt in der Laufzeit, die eben meist nur dafür reicht, entweder Protagonist oder Gegenspieler genauer zu beleuchten. So ist es schon erstaunlich, dass hier beide Figurenzeichnungen scheitern. Tragischerweise ist es beinahe schon logisch, dass die Geschichte selbst ebenfalls nicht funktioniert. Doch auch über die schlecht geschriebenen Charaktere hinaus, wird diese von zahlreichen Problemen geplagt.

So wirkt die gesamte Geschichte und der eigentliche Grundkonflikt zu konstruiert, gerade um den eigentlichen Twist herum. Dieser schwankt enorm zwischen unglaubwürdig und für den Zuschauer selbst unwichtig. Genau an dieser Stelle würde ein durchdachtes Drehbuch die Hauptfigur vor einen emotionalen, vielleicht sogar moralischen Konflikt stellen, doch davon fehlt jede Spur. Dafür wäre allerdings wohl mehr Fokus auf diese neue Welt, die uns hier eröffnet wird, nötig gewesen. Seltsamerweise erzählt das Drehbuch weder die Geschichte der Figuren noch dieser Welt, was es genau erzählt, ist wohl keinem so recht klar. Da hilft es auch nicht, dass dem Zuschauer stets eine gefühlte Ewigkeit nichts Nennenswertes erzählt wird, man aber anschließend innerhalb von Sekunden mit zu viel Exposition bombardiert wird, als dass man diese vernünftig verarbeiten könnte. Gutes Storytelling geht anders.

Carol Danvers/Captain Marvel (Brie Larson)
Carol Danvers/Captain Marvel (Brie Larson) © Marvel Studios 2019

Viel Spaß ist mit dem Film an den meisten Stellen nicht zu haben, auch da die Action erschreckend unmotiviert gefilmt wurde. Die Choreographie kaum als eine solche zu bezeichnen ist und immer wieder so wenig Licht eingesetzt wurde, dass man streckenweise kaum etwas erkennen kann. Zudem sind die eigentlichen Kräfte der Hauptfigur visuell wenig kreativ umgesetzt. Nichtsdestotrotz ist natürlich auch diesem Film etwas abzugewinnen. Zwar fügt er sich in den großen Plan des MCU nicht vernünftig ein, so sollte sich Marvel eigentlich weiterentwickelt haben, als die nächste typische Origingeschichte zu erzählen, dennoch ist „Captain Marvel“ eindeutig eine klassische Geschichte des MCU. So unterhalten die Auftritte von Nick Fury und Phil Coulson, deren Schauspieler durch beeindruckende Effekte verjüngt wurden. Sofern man für diese Art Humor empfänglich, kann man auch hier einige Lacher herausziehen. Zwar werden die Rückblicke und der Nebenplot rund um Gedächtnisverlust ungeschickt eingesetzt, dennoch ist es interessant diese Elemente zum ersten Mal in einem Superheldenfilm zu sehen. Als MCU-Fan hat man hier sicher seine Freude. Viele Filmliebhaber sind davon aber wohl nur noch gelangweilt.

Filmwertung
4/10

Kurzfassung

„Captain Marvel“ fügt sich in einen Einheitsbrei aus unkreativen Superheldenfilmen ein, an den man sich in einigen Jahren kaum mehr erinnern wird.

Fazit:

„Captain Marvel“ fügt sich in einen Einheitsbrei aus unkreativen Superheldenfilmen ein, an den man sich in einigen Jahren kaum mehr erinnern wird, gerade weil man weder eingeladen wird für die Protagonistin mit zu fiebern, noch um die eingeführte Welt zu bangen. Hier wird etwas gezeigt, das dem modernen Kinogänger schon unzählige Male vorgelegt wurde, nur schlechter.


von Sebastian Stegbauer

Mehr zum Film:
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