Allied – Vertraute Fremde – Filmkritik: Casablanca läßt grüßen

Brad Pitt als Max Vatan in Allied
Brad Pitt als Max Vatan in Allied ©2016 Paramount Pictures / Daniel Smith

Die Kritik:

Allied - Filmplakat
Allied – Filmplakat © 2016 Paramount Pictures

Für viele Filmwissenschaftler und -kritiker gehört Michael Curtiz legendäre Zweite-Weltkriegs-Romanze „Casablanca“ immer noch zu den ganz großen Meisterwerken der Filmgeschichte. Robert Zemeckis, einer der erfolgreichsten Filmemacher des amerikanischen Mainstream-Kinos der letzten 30 Jahre, visiert mit seinem neuen Film „Allied“ zweifelsohne das durch „Casablanca“ personifizierte klassische Hollywood-Kino vergangener Tage an. Der Regisseur solcher vielgeliebter Klassiker wie der „Zurück in die Zukunft“-Trilogie, „Forrest Gump“, „Contact“ oder „Cast Away“ ist an großen Emotionen und durch und durch filmischen Momenten interessiert, vernachlässigt dabei aber auch nie seine komplex gezeichneten Figuren. „Allied“, für dessen straff konstruiertes Drehbuch sich der Oscar-nominierte Autor Steven Knight („Kleine schmutzige Tricks“, „Tödliche Versprechen“, „Bauernopfer – Spiel der Könige“) verantwortlich zeichnet, erweist sich gewissermaßen als zwei Filme in einem, denn hier trifft eine ergreifende Romanze auf einen überaus spannenden und glamourös inszenierten Spionage-Thriller voller herausragender Suspense-Sequenzen, die in ihren besten Momenten das Kino eines Alfred Hitchcock à la „Berüchtigt“ evozieren. Um seinem Film den nötigen Hollywood-Glanz zu verschaffen, verpflichtete Zemeckis mit Brad Pitt und Marion Cotillard zwei waschechte Stars, die hier nicht nur eine starke Chemie teilen, sondern auch mit starken Darstellungen überzeugen.

Marion Cotillard als Marianne Beausejour in Allied
Marion Cotillard als Marianne Beausejour in Allied ©2016 Paramount Pictures / Daniel Smith

Eine überdeutliche Referenz an besagten Humphrey Bogart- und Ingrid Bergman-Klassiker ist auch das Setting des Films: „Allied“ beginnt im Jahr 1942 im marokkanischen Casablanca. Dort treffen der kanadische Spion Max Vatan (Brad Pitt) und die französische Widerstandskämpferin Marianne Beauséjour (Marion Cotillard) aufeinander, die beide von den Alliierten beauftragt wurden, den deutschen Botschafter zu eliminieren. Für ihre gefährliche Mission schließen sich die Beiden zusammen und geben sich als Ehepaar aus. (Wer die Trailer nicht gesehen hat und sich die Spannung komplett aufheben möchte, sollte nun nicht weiterlesen) Nachdem ihr Auftrag ausgeführt wurde, macht Max Marianne einen Heiratsantrag und bittet sie, mit ihm nach London zu kommen. Marianne nimmt den Antrag an und es dauert nicht lange, bis sie eine Tochter auf die Welt bringt. Das Paar genießt ein Jahr ihr glückliches Zusammensein, als Max von seinem Special Operations Executive-Vorgesetzten darüber unterrichtet wird, dass Marianne unter starkem Verdacht steht, nicht die Person zu sein, für die sie sich ausgibt und tatsächlich als Spion für Nazi-Deutschland zu arbeiten. Max ist schockiert von den unfassbaren Vorwürfen, muss sich jedoch einem unausweichlichen Konflikt stellen: Ohne sein Wissen vor ihr preiszugeben, muss er seine eigene Frau innerhalb von 72 Stunden testen – wenn sie sich tatsächlich als Spionin herausstellt, ist er gezwungen sie höchst selbst hinzurichten, tut er dies jedoch nicht, wird er wegen Hochverrats gehängt…

Brad Pitt als Max Vatan in Allied
Brad Pitt als Max Vatan in Allied ©2016 Paramount Pictures / Daniel Smith

Im Mittelpunkt von „Allied“ stehen somit eine überaus spannende Prämisse und ein packendes erzählerisches Motiv, das Zemeckis voll ausspielt. Kann Max dieser Frau trauen, von der er weiß, dass sie eine Meisterin darin ist, anderen etwas vorzuspielen, auch Gefühle? Gerade wenn Max in der intensiven, schweißtreibenden zweiten Hälfte des Films versucht die Unschuld seiner geliebten Frau und Mutter seiner Tochter zu beweisen, jagt eine virtuos inszenierte Suspense-Sequenz die nächste. Echte Spannung kann natürlich nur entstehen, wenn man auch mit den Figuren fiebert, was Zemeckis und Knight dank eines behutsam und ruhig erzählten ersten Aktes gelingt, in der Max und Mariannes Beziehung effektiv etabliert wird. Besagter erster Teil ist aber nicht minder spannend, denn hier geht es schließlich darum, eine überaus gefährliche und für eine oder beide Seiten potentiell tödliche Mission auszuführen. Auch hier kostet Zemeckis die Spannungsmomente voll aus, ständig geht es darum, eine glaubwürdige Beziehung vorzugaukeln und sich das Vertrauen der elitären Nazi-Kreise und französischen Nazi-Unterstützer zu erarbeiten. Ein Höhepunkt ist hier das Aufeinandertreffen mit dem hohen Nazi-Offizier Hobar, der in einem spannenden Moment Max perfide testet. Fast schon irritierenderweise wird diese Figur von August Diehl gespielt, auf den Pitts Aldo Raine bereits in Quentin Tarantinos „Inglourious Basterds“ in einem seiner vielen erinnerungswürdigen Momente traf. Wie auch schon in Tarantinos Meisterwerk spielt Diehl seine Nazi-Figur auf kriecherische und burschikose Art und Weise, während er versucht sein Gegenüber zu lesen und zwischen den Zeilen darum bemüht ist, seine wahre Identität aufzudecken. Seine Gestik, Mimik und gesamte Verhaltensweise ist überähnlich zu seiner „Inglourious Basterds“-Figur, was schon für eine Art Déjà Vu beim aufmerksamen Zuschauer sorgt.

Brad Pitt als Max Vatan und Marion Cotillard als Marianne Beausejour in Allied
Brad Pitt als Max Vatan und Marion Cotillard als Marianne Beausejour in Allied ©2016 Paramount Pictures / Daniel Smith

Zwischen (und auch während) diversen Spannungs- und Spionagemomenten baut Zemeckis subtil die Beziehung zwischen seinen beiden Protagonisten auf. Hier wird nicht allzu viel über Dinge außerhalb ihres Auftrags gesagt, eine überdeutliche Anziehungskraft zwischen diesen unbestreitbar überaus attraktiven Menschen ist jedoch früh spürbar. Zemeckis entlädt die sich angestauten Gefühle schließlich in einer hart an der Grenze zur übertriebenen Theatralik schwebenden fieberhaften Liebesszene in einem Auto mitten in der Wüste. Dort kommt es zu einem immer stärker werdenden CGI-Sandsturm, während die Kamera unentwegt um die beiden sich leidenschaftlich Liebenden im Auto kreist. Für viele Zuschauer wird so ein bewusst artifizieller und gefühlsbetonter Moment zu viel des Guten sein, ebenso die Geburt von Max und Mariannes Kind mitten auf den zerbombten Straßen Londons während eines verheerenden Luftangriffs. Zemeckis trägt gerne mal dick auf, mag solche zutiefst filmischen und visuell aufgeladenen Momente, bei denen die Realität nicht abgebildet, sondern bewusst überhöht wird. Sein filmischer Ansatz mag zwar so alles andere als subtil sein, die Herangehensweise an die Figuren ist jedoch weit zurückhaltender und eleganter.

Marion Cotillard als Marianne Beausejour in Allied
Marion Cotillard als Marianne Beausejour in Allied ©2016 Paramount Pictures / Daniel Smith

Brad Pitt agiert hier sehr bedacht und brodelnd-intensiv, oft wirkt er regelrecht stoisch, man merkt seiner beobachtenden und sein Umfeld analysierenden Darstellung aber immer wieder die Aufruhr an, die in seinem Innern tobt. Er agiert sehr viel mit den Augen und präziser Mimik und Körpersprache, was seine emotionalen Ausbrüche umso effektiver macht. Marion Cotillard fasziniert wie gewohnt mit ihrer geheimnisvollen Präsenz, die es dem Zuschauer nie einfach macht, sie zu lesen – ein integraler Bestandteil der Funktionsweise des Films. Gerade in der zweiten Hälfte ist ihre Auftrittszeit dann eher begrenzt, jedoch bewegt sie gerade am Ende mit einer emotionalen Kraftleistung. Pitt und Cotillard verkaufen ihre Anziehungskraft hervorragend, sodass man emotional gebannt von dem Film ist und am Ende mit einem wahrlich überraschenden Punch aufgerüttelt wird, der nachwirkt und bewegt – sofern man sich dieser romantischen und gänzlich Zynismus-freien Vision hingeben möchte.

Wie von Zemeckis gewohnt, ist „Allied“ ein visuell opulent gestalteter Film, bei dem jedes Bild akribisch komponiert ist. Reale Elemente werden hier meist nahtlos mit zahlreichen visuellen Effekten verbunden, Don Burgess Kamera bewegt sich mit erhabener Virtuosität. Bemerkenswert und über jeden Zweifel erhaben ist der gesamte Look des Films: Gary Freemans bildgewaltige und detailreiche Ausstattung trifft hier auf Joanna Johnstons fabelhaft extravaganten Vierziger Jahre-Kostüme, wodurch hier mindestens ein echtes Fest fürs Auge geboten wird. Hinzu kommt Alan Silvestris schwelgerische Musik, die Robert Zemeckis atmosphärisch überaus dichte und romantisch durchtränkte Vision wunderbar abrundet und genau die Art von Film für Erwachsene darstellt, die es auf diesem Niveau heute leider nur noch viel zu selten gibt.

  • 8.5/10
    Film - 8.5/10
8.5/10

Kurzfassung

Ein exzellent inszenierter Mix aus aufregendem Spionage-Thriller voller virtuoser Suspense-Momente und altmodischer, schwelgerisch ausgestatteter Hollywood-Romanze.

Fazit:

An der Oberfläche ist „Allied“ wunderbar klassisch-verschwenderisches Hollywood-Kino der alten Schule voller spannender filmischer Momente, das zugleich aber auch überaus modern und frisch wirkt. Das liegt vor allem an seinen beiden hervorragenden Hauptdarstellern, die den Film emotional grundieren, aber auch an der technisch erstklassigen Inszenierung.


von Florian Hoffmann

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