Winchester – Haus der Verdammten – Blu-ray Kritik

Helen Mirren in Winchester
Helen Mirren in Winchester © Splendid Film

Die Kritik:

Winchester - Haus der Verdammten - Blu-ray Cover
Winchester – Haus der Verdammten – Blu-ray Cover © Splendid Film

73. Eine Zahl, für die das Herz vieler Waffen-Liebhaber weltweit schlägt, denn eine der wohl bekanntesten Schusswaffen der Welt trägt sie in ihrem Namen. Die Rede ist natürlich von der legendären Winchester 73. Sie erfreute und erfreut sich sogar einer solchen Beleibtheit, dass ihr Anthony Mann 1950 mit WINCHESTER ’73 einen eigenen Film spendierte, der die Geschichte dieses Gewehrs erzählt. Doch auch 68 Jahre später beschäftigen sich Filme noch mit der hinter der Waffe steckenden „Winchester Repeating Arms Company“. Das neuste Beispiel findet sich im Haunted House-Film WINCHESTER – DAS HAUS DER VERDAMMTEN.

WINCHESTER startete am 15. März 2018 in den deutschen Kinos und geht 109 Minuten. Am 31.08.2018 feiert der Film sein Debüt im Heimkino-Markt und steht auf DVD und Blu-Ray in den Regalen des Landes. Für Euch durften wir die Blu-ray bereits sichten.

Bei einem Film wie WINCHESTER – DAS HAUS DER VERDAMMTEN, der schon bereits aufgrund seines Plots das Haus als Objekt so massiv in den Vordergrund stellt, ist es wenig überraschend, dass er auch mit Aufnahmen jener Behausung beginnt. Logischerweise bildet das Anwesen, auf dem neben unzähligem Personal und Dutzenden Bauarbeitern auch Sarah Winchester (Helen Mirren; THE QUEEN) als Hausherrin, ihre Nichte Marion Marriott (Sarah Snook; PREDESTINATION), Marriotts Sohn Henry Marriott (Finn Scicluna-O’Prey; THE SECRET RIVER) und später dann ebenfalls der Psychologe Dr. Eric Price (Jason Clarke; ZERO DARK THIRTY) leben, das in diesem Fall äußerst wichtige Filmsetting.

Das Haus, das als Touristenattraktion mit dem Namen „Winchester Mystery House“ tatsächlich in San José (Kalifornien, USA) zu finden ist, ist ungemein riesig. Hunderte Zimmer, mehrere Stockwerke und viele weite Quadratmeter Fläche zeichnen es aus. Und trotzdem kommt kaum Atmosphäre im Film auf. Ein verdächtiger Grund dafür ist der Fakt, dass man zum Großteil in einer Nachbildung des Hauses fotografierte. Als Begründung hörte man die übermäßige Verwinkelung und Enge des originalen Hauses, die das Filmen hätten enorm erschwert. In der Nachbildung sieht man um einiges weniger Winkel, breitere Gänge und größere Flächen, weshalb das Maß des Anwesens oft nur akustisch über Aussagen der Handlungspersonen übermittelt wird. Die Verweigerung des Original-Schauplatzes ist eine absolute Fehlentscheidung.

Helen Mirren und Jason Clarke in Winchester
Helen Mirren und Jason Clarke in Winchester © Splendid Film

Im fertigen Film bleibt von seiner so spannenden und interesseweckenden Innenarchitektur nur ganz wenig übrig (vgl. Szene im „Treppenraum“ mit Winchester und Henry). Diesen verhängnisvollen Veränderungswillen hätte man viel passender an der Fassade des Hauses ausleben sollen, die man im Sinne des Films und einer schaurigen Szenerie entgegen des „Winchester Mystery Hauses“ in dunkleren und schweren bräunlichen Farbtönen hätte halten sollen, statt mit seinen üppigen und zweifelhaften rot-blauen Akzenten zu versehen. Auch das Set-Design bleibt viel zu blass. Der Film vermittelt, dass Winchester jeden Raum so bauen lässt wie es der Geist einer durch eine Winchesterwaffe gestorbenen Seele befiehlt. Trotzdem findet man kaum Charakteristik in den Räumen und Kreativität durch architektonische Kuriositäten gehören zu den Dingen, die es lediglich beim Wunsch belassen. Die kurz zuvor erwähnten Dimensionen der Behausung kommen optisch ebenso wenig zur Geltung, da man die Drehorte im Haus zu spärlich festlegte und auch vor und außerhalb des Settings fast nie filmte.

Der Horroraspekt ist auch auf Storyebene ein nennenswerter Faktor für den geringen Unterhaltungswert des Streifens. Ein Horrorfilm – egal welches Subgenres – kann nicht ohne Unwohlsein oder Beklommenheit funktionieren. WINCHESTER – DAS HAUS DER VERDAMMTEN macht hier keine Ausnahme. Setzt man im Jahre 2018 und mit dem durchaus namhaften Cast ausschließlich auf immer uninspirierte Jumpscares, um ein Mindestmaß an Grusel und erhöhtem Puls zu erzwingen, so ist dies mehr als ärgerlich. Die Horroranteile laufen nach dem immer und immer wieder selben Muster ab und brechen ihre langatmige Grundeinstellung nur selten durch das Konstruieren einer hinreichenden Atmosphäre (vgl. Szene des geführten Skizzieren von Winchester der Grundrisse der Zimmer).

Sarah Snook und Finn Scicluna-O'Prey in Winchester
Sarah Snook und Finn Scicluna-O’Prey in Winchester © Splendid Film

Der Cast kann sich den Namen nach zu urteilen wie bereits erwähnt sehen lassen, allerdings kommt an dieser Stelle sehr zügig die oft mangelnde Charakterzeichnung im Drehbuch um die Ecke, die Mirren und Co. Brillanz verweigert. Während Snook noch eine hinreichende Zeichnung zugesprochen bekam, die sie – auch wenn ihre Rolle an manchen Stellen etwas an Notwendigkeit entbehrt – mit einer wertigen schauspielerischen Leistung kombiniert, wird Mirren durch eine nicht ausbalancierte Zeichnung in ihrem Schauspiel gehandicapt. Ihr Erstauftritt mit einem schwarzen Schleier über dem Gesicht, langsamen Gang und am Tisch auf sie wartenden Personen wirkt sehr mysteriös und geheimnisvoll, bevor ihr Charakter kurze Zeit später fast schon sanftmütig wird und emotionale Fläche bietet. Da die Story sowieso viel zu wenig auf ihre Rolle und ihre Intentionen eingeht, ist dieser Kontrast für den Zuschauer noch weniger verständlich und wird als Mangel aufgefasst.

Den gegenteiligen Fall, nämlich zu viel Fokus, findet man bei Dr. Price vor. Die negativen Züge der Zeichnung Winchesters setzen sich bei ihm dahingehend fort, dass er insgesamt besonders zu Beginn zu fesch gezeichnet wird. Er lächelt zu viel in unpassenden Momenten, bekommt sodann aber auch viel zu plötzlich Angst und führt zahlreiche Selbstgespräche. Außerdem nimmt ihm der Zuschauer sein Psychologen-Dasein und eine damit verbundene Fachkenntnis nie ab, worunter zuletzt auch seine eher unterdurchschnittliche Schauspielleistung leidet. Erfrischend wird im Gegensatz zu diesen beiden Charakteren isoliert gesehen aber die Beziehung und der Umgang zwischen den beiden zu- und miteinander inszeniert. Man wählt hier nicht eine völlige rhetorische Überlegenheit seitens Dr. Price, sondern setzt Winchester in Dialogen auf eine mindestens ebenbürtige und herausfordernde Ebene. Generell sind die Protagonisten jedoch innerlich schwach gezeichnet, allerdings sind ihre äußeren Rollen während des Storyverlaufs flexibel, was an dem ein oder anderen Punkt an der Geschichte halten kann.

Jason Clarke und Laura Brent in Winchester
Jason Clarke und Laura Brent in Winchester © Splendid Film

Die Story beschäftigt sich hauptsächlich mit dem besessenen Ausbau des Anwesens und der plottechnischen Involvierung und Gutachten-Erstellung des Psychologen, das am Ende auf ein gevierteltes Post-it passen dürfte. Sie bleibt in ihrer Gesamtheit flach und bedient altbekannte Konventionen, obwohl der sich hinter ihr befindliche Plot Unmengen an Potenzial bietet. Auch die unterschwellig angedeutete Kritik am Waffengebrauch ändert hieran nicht viel und bleibt nasskalt. Nebenbei wirbt der Film damit, auf wahren Begebenheiten zu beruhen, was marketingtechnisch sehr dreist ist. Man impliziert, dass die wahre Existenz des Geisterhauses gleichbedeutend mit den Vorkommnissen in ihm wäre, was natürlich absoluter Nonsens ist.

Da WINCHESTER – DAS HAUS DER VERDAMMTEN es weiter nicht bewerkstelligen kann, eine verfolgenswürdige Story rein durch seine Storyline und -elemente zu generieren, gestaltet man das gesprochene Wort durch Phrasen nach dem Muster „Ich verstehe gar nichts mehr.“, „Ich weiß nicht, was wir machen sollen.“ oder „Wir sind verloren.“ zu effekthascherisch und legt aus Gründen der Katalyse der Stimmungsbildung beim Zuschauer zu viel Gewicht darauf, sodass es immer wieder leicht überzogen und geistlos charakterisiert wird. Auch die sehr kurz eingebrachten Visual Effects gegen Ende des Films oder an einer Hand abzählbare schneller gepacte Szenen schaffen es nicht, den Zuschauer doch noch auf eine Schiene der Begeisterung zu verfrachten. Die musikalische Untermalung wird neben den erwähnten Jumpscares, die natürlich mit einem schlagartigen, lauten Sound begleitet werden, nur sehr dezent verwendet, was dem Streifen aufgrund seiner unwirschen Handhabung mit Wort und Drehbuchschreiben positiv anzurechnen ist.

Die deutsche Synchronisation ist sehr wertig. Die Sprecher passen gut zu den Schauspielern. Allen voran Helen Mirren, deren vornehme und kultivierte Art durch die Stimme sehr gut getragen wird. Der Titel übertragt die Tradition und die Passion hinter den Winchesterwaffen optimal, da er diese durch eine absolute Nennung fokussiert. Eher überdrüssig ist der marketingpolitische deutsche Titelzusatz, allerdings erfährt man durch ihn zumindest, dass es sich um einen Haunted House-Film handeln muss. Die Bezeichnung der verstorbenen Seelen als „Verdammte“ ist durchaus diskussionswürdig. In der originalen englischen Handlungsbeschreibung wird dieses Wort nicht benutzt, sondern der „Status“ der Todesopfer umschrieben, was geschickter und plausibler ist. Die Handlung wird am Ende des Films nochmal ein wenig komplexer und versucht einen kleinen, aber unausgegorenen Plot Twist einzuwerfen.

Bild:

WINCHESTER – HAUS DER VERDAMMTEN hat trotz seines wenigen Lichts und seiner düsteren Optik keine Probleme mit unerkennbaren Konturen oder Bildelementen, was natürlich in erster Linie der Bildtechnik zu verdanken ist. Korn ist ebenso wenig festzustellen, allerdings büßt der Streifen in seiner Detailzeichnung etwas ein, wenn es an die Abbildung etwa von Personen und ihren Gesichtern geht.

Ton:

Sarah Snook in Winchester
Sarah Snook in Winchester © Splendid Film

Der Ton wirkt dem Film über die gesamte Lauflänge angemessen. Soundeffekte, die sich noch auf einem höheren Niveau befinden als die visuellen Effekte, werden hinreichend transportiert. Bei ihnen handelt es sich vorwiegend um bildsprachliche Kniffe und hallende Echos. Hin und wieder ist die Tonsättigung etwas zu niedrig und könnte etwas mehr Druck vertragen. Die deutsche wie auch die englische Tonspur liegen beide in einem DTS HD 5.1 vor.

Extras:

Die Blu-ray beinhaltet in der Extras-Abteilung ein Making Of, das durchaus interessant ist, den originalen Trailer, ein Featurette und Interviews mit Helen Mirren, Jason Clarke und den beiden Regisseuren. Letztere Extras wirken leider etwas konstruiert und man bekommt das Gefühl, dass die gewählten Worte nur umstritten das echte Empfinden der Interviewten gegenüber der Filmelemente wiedergeben. Viel interessanter wären Inhalte über das echte „Winchester Mistery House“, seine Geschichte und seine Besonderheiten gewesen. Diese wurden aber aufgrund der mangelnden Aufmachung des Films verständlicherweise nicht eingebracht.

Blu-ray Wertung
  • 4/10
    Film - 4.0/10
  • 8.5/10
    Bild - 8.5/10
  • 7/10
    Ton - 7.0/10
  • 6/10
    Extras - 6.0/10
5/10

Kurzfassung

Winchester – Haus der Verdammten ist trotz frischer Idee und hochkarätigem Cast ein vergessenswürdiger Horrorfilm ohne Horror.

Fazit:

WINCHESTER – DAS HAUS DER VERDAMMTEN ist trotz frischer Idee und hochkarätigem Cast ein vergessenswürdiger Horrorfilm ohne Horror, der nie fesselt und sich selbst unfreiwillig B-Movie-Charakter einverleibt.


von Denis L. Klemm

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