The Killing of a Sacred Deer – Blu-ray Kritik: Schwer zu verdauende Kost

Das Ärzte-Ehepaar Steven und Anna (Colin Farrell und Nicole Kidman)The Killing Of A Sacred Deer © AlamodeFilm
Das Ärzte-Ehepaar Steven und Anna (Colin Farrell und Nicole Kidman) The Killing Of A Sacred Deer © AlamodeFilm

Die Kritik:

Colin Farrell als erfolgreicher Herzchirurg Steven Murphy © AlamodeFilm
Colin Farrell als erfolgreicher Herzchirurg Steven Murphy © AlamodeFilm

Dass Yorgos Lanthimos unkonventionelle Filme dreht, dürfte den Cineasten spätestens nach Dogtooth bekannt sein. Größere internationale Bekanntheit erhielt er vor 2 Jahren mit The Lobster, in dem Colin Farrell die Hauptrolle übernahm. In The Killing of a Sacred Deer arbeiten die Beiden wieder zusammen. Herausgekommen ist ein Film, der zwar absolut keinen Spaß macht, weil er eher ein „feel-bad“ Film ist als ein feel-good Streifen, jedoch schlichtweg einzigartig ist und mit seiner düsteren Atmosphäre den Zuschauer zu fesseln weiß. Über die Handlung sollte man so wenig wie möglich wissen. Die wichtigsten Infos werden hier dennoch kurz angerissen.

Steven (Colin Farrell) spricht mit dem Teenager Martin (Barry Keoghan) © AlamodeFilm
Steven (Colin Farrell) spricht mit dem Teenager Martin (Barry Keoghan) © AlamodeFilm

Das Ärzte-Ehepaar Steven und Anna Murphy haben zwei Kinder. Eine Tochter im Teenager-Alter und einen jüngeren Sohn. Beide leben ein eher ruhiges Vorstadtleben. Steven ist von Beruf Herzchirurg und Anna ist Augenärztin. Gespielt werden beide von Colin Farrell und Nicole Kidman. Steven pflegt seit geraumer Zeit den Kontakt mit einem Jungen namens Martin (Barry Keoghan), der ungefähr das Alter seiner Tochter hat. Diese eigenartige Beziehung führt zu mysteriösen Entwicklungen und Schicksalsschlägen, welche das Leben von Steven und Anna völlig auf den Kopf stellen und sie in eine Ecke voller Verzweiflung treiben. Was genau vor sich geht, wird an dieser Stelle nicht besprochen. Auch macht eine genaue Analyse dieses Films im Rahmen dieser Kritik wenig Sinn, da man, um diese Analyse nachvollziehbar zu gestalten, letztlich doch recht tief in die Handlung gehen müsste, was den Rahmen dieser Review sprengen würde. Es ist hier mehr eine knappe Empfehlung, die hier ausgegeben wird, auch wenn der Film für eine große Menge Diskussionsstoff und Interpretationen sorgt. The Killing of a Sacred Deer könnte man mit dutzenden Adjektiven umschreiben und hier werden viele auch verwendet werden, um den Film möglichst gut zu charakterisieren. Aber eines ist er mit Sicherheit nicht, nämlich einfach. Um diesen Film evtl. in seiner Gänze zu verstehen und greifen zu können, müsste man diesen womöglich mehrmals anschauen. Doch es gibt einige Erkenntnisse und Beobachtungen, welche man nach dem ersten Schauen begutachten kann.

Martin (Barry Keoghan) bei einer Herzuntersuchung. © AlamodeFilm
Martin (Barry Keoghan) bei einer Herzuntersuchung. © AlamodeFilm

Die Filme von Yorgos Lanthimos zeichnen sich durch eine bemerkenswerte Exzentrizität aus, die sich in erster Linie in eigenartige Dialoge und der besonderen Sprechweise der Charaktere wiederfinden. Beispiele hierfür werden nicht genannt, um den Überraschungseffekt beim Schauen zu wahren. Doch es ist immer wieder befremdlich und verblüffend wie hier der Regisseur seine Figuren emotionslos und distanziert miteinander über teilweise intime Dinge kommunizieren lässt. Lanthimos erzählt aufs Neueste interessante und vor allem bizarre Geschichten und diese hier ist vermutlich die Beste. Sie ist extrem unvorhersehbar und macht einen teilweise sprachlos. Man weiß gar nicht was man davon halten soll, was einem geboten wird. Der Film besticht durch eine äußerst dichte Atmosphäre gepaart mit sterilen und ruhigen Bildern und einem sonderbaren Soundtrack, der aus immer wieder in die Szenerie eingesetzten schrillen Tönen besteht. Der Soundtrack darüberhinaus sehr dominierend und direkt und ist teilweise eine orchestrale Dröhnung, die sich in die außergewöhnliche Geschichte perfekt einfügt. Als Zuschauer fühlt man sich beim Beobachten des Handlungsverlaufs nach und nach immer unwohler und dieses Gefühl wird ab einem gewissen Punkt in diesem Film extrem. Wichtig dabei ist, sich auf diese seltsame Geschichte einzulassen. Denn auch wenn vieles hier sehr befremdlich ist, sollte man empfänglich für das Gezeigte im Film sein. Wer allerdings generell eher seichte Filmkost konsumiert und nur eine nette Unterhaltung sucht, ist hier fehl am Platz. The Killing of a Sacred Deer ist harter Tobak, der an die Nieren geht und dies mit einer brutalen Konsequenz bis zum Schluss auf eine Art und Weise durchzieht, die nicht einfach zu ertragen ist. Doch gerade im ersten Drittel gibt es den einen oder anderen humorvollen Moment, der einen zum Schmunzeln bringt. Doch viel zu lachen hat man im weiteren Verlauf der Handlung keineswegs. Es wird immer bedrückender und für die Protagonisten verzweifelter.

Das Ärzte-Ehepaar Steven und Anna (Colin Farrell und Nicole Kidman) im Gespräch zu Hause. The Killing Of A Sacred Deer © AlamodeFilm
Das Ärzte-Ehepaar Steven und Anna (Colin Farrell und Nicole Kidman) im Gespräch zu Hause. The Killing Of A Sacred Deer © AlamodeFilm

Lanthimos schafft es auf seine unnachahmliche Art und Weise, für Filme eher gewöhnliche Themen wie Vergeltung, Schicksal oder auch das Treffen harter Entscheidungen in einen Film einzupacken, der alles andere als gewöhnlich ist. Der Film tut weh, geht unter die Haut und trotz des leichten übernatürlichen Schleiers, der über der Handlung liegt, wird die Geschichte sehr geerdet auserzählt. Auf Kitsch oder sonstige dramatische Szenen, die auf die Tränendrüsen drücken sollen, wird hier gezielt verzichtet. Der Film bleibt schmerzhaft und sehr kaltherzig und hat gleichzeitig eine faszinierende Wirkung auf den Zuschauer. Dabei geht Lanthimos fast wie schon ein Herzchirurg mit dem Skalpell äußerst präzise vor. Er hetzt nicht, das Tempo ist passend gewählt und er lässt seine Figuren genügend Raum zur Entfaltung und führt alles zu einem Finale, das es in sich hat. Der Film hat zudem grandiose Darsteller, die einen überragenden Job machen. Allen voran Colin Farrell, der einer der besten Leistungen seiner Karriere zeigt. Allein mit seiner Optik besitzt er eine unglaubliche Ausstrahlung. Auffallend ist dabei sein Bart, der wohl das einzige ist, was noch dichter ist als die Atmosphäre dieses Films. Die komplexe Figur des Steven Murphy verkörpert er eindrucksvoll und äußerst sublim. Sein Schauspiel ist geprägt von einer nuancierten, kühlen, aber nicht emotionslosen Charakteristik. Vor allem das Zusammenspiel mit Nicole Kidman, die nach Lion eine weitere herausragende und höchst couragierte Performance abliefert, lässt einen begeistert zurück. Fast der heimliche Star des Films ist Barry Keoghan. Der junge Schauspieler glänzt hier auf ganzer Linie. Die mysteriöse und schräge Art seiner Figur Martin, die im Kern sehr höflich ist, im nächsten Moment dann sehr befremdlich wirkt, spielt er ausgezeichnet. Er schafft es mit seiner Gestik und Mimik den Zuschauer zu verunsichern und den labilen Charakter bemerkenswert zu porträtieren. Die Darsteller der Kinder von Steven und auch der restliche Cast sind mehr als überzeugend. Der Film ist gewiss nicht für Jedermann geeignet. Doch wer ein außergewöhnliches, unangenehmes, geheimnisvolles, kaltherziges und spannendes Mystery-Drama sehen möchte, das weit weg vom Mainstream ist, sollte sich diesen Film nicht entgehen lassen.

 

Bild:

Die Bildqualität ist auf einem guten Niveau. Es kann aber sein, dass die Tatsache, dass der Film analog und nicht digital gedreht wurde, viele in manchen Szenen, was das Bild angeht, stören könnte. So kommt es immer wieder mal vor, gerade in Szenen, in denen es weniger hell ist oder besonders hell ist, beispielsweise im Krankenhaus, dass das Bild arg kriselig wird und extrem viel Filmkorn hat. Ansonsten sind jedoch die Farben sehr satt und in den meisten Szenen gibt es auch ein scharfes Bild und grundsätzlich passt auch das körnige Bild an manchen Stellen in die unangenehmen Szenerie.

Ton:

Die Tonqualität ist exzellent. Der schrille Soundtrack kommt toll zur Geltung, ohne dass die verschiedenen Klänge nicht zu laut werden, während im nächsten Moment die Dialoge ebenfalls  sehr klar verständlich sind.

Extras:

Bei den Extras gibt zwei ausführliche Interviews, welche einzeln mit Yorgos Lanthimos und Colin Farrell am Set geführt wurden, die ca. jeweils 20 Minuten andauern. Dazu gibt es mehrere kurze Interviews mit Nicole Kidman, ein weiteres Einzelinterview mit Regisseur Yorgos Lanthimos und ein Doppelinterview mit Barry Keoghan und Colin Farrell im Rahmen der Premiere in Cannes. Insbesondere das lange Interview mit Lanthimos ist sehr informativ. Die Cannes-Interviews sind auch sehr unterhaltsam, vor allem das Dopppelinterview mit Barry Keoghan und Colin Farrell ist sehr amüsant. Zudem gibt es B-Roll-Aufnahmen, welche 10 Minuten andauern und wie gewohnt dem Zuschauer ein recht authentisches Bild vom Setting und Dreh vermitteln, auch wenn man sich hier einen Off-Kommentar o.ä. gewünscht hätte, um mehr zu erfahren. Letztlich kann man den Trailer zum Film sehen.

 

Blu-ray Wertung
  • 8/10
    Film - 8/10
  • 7.5/10
    Bild - 7.5/10
  • 9/10
    Ton - 9/10
  • 7.5/10
    Extras - 7.5/10
8/10

Kurzfassung

Schauspielerisch auf hohem Niveau überzeugt The Killing of a Sacred Deer mit einer außergewöhnlichen Geschichte, die dem Zuschauer an die Nieren geht.

Fazit:

The Killing of a Sacred Deer ist ein filmisches Kunstwerk, das trotz seiner äußerst positiven Kritiken und User-Bewertung ein besonders breites Publikum spalten würde. Mit den Werken von Yorgos Lanthimos kann gewiss nicht jeder damit was anfangen. Man muss hier aber anmerken, dass er es vor allem hier schafft einen Film zu kreieren über den man noch Stunden reden und dutzende Seiten schreiben kann. Dieser Streifen hat eine abstruse und skurrile Geschichte und besitzt dabei einen ungewöhnlichen Soundtrack, einen tollen Cast, ruhige, teilweise weite Aufnahmen und eine beklemmende Atmosphäre. Der Film ist schwer zu verdauende Kost und geht stark an die Nieren und gipfelt in ein höchst brisantes und heftiges Finale. Es ist unter dem Strich ein mehr als sehenswertes Mystery-Drama, das sich durch eine kühle und bedachte Erzählweise auszeichnet und kein einfaches Stück Kino ist.


von Morteza Wakilian

Hinterlasse jetzt einen Kommentar

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht. (Kommentar wird erst geprüft)


*