The Autopsy of Jane Doe – Blu-ray Kritik

Tommy (Brian Cox) und Austin Tilden (Emile Hirsch)
Tommy (Brian Cox) und Austin Tilden (Emile Hirsch) © Universum Film GmbH

Die Kritik:

The Autopsy of Jane Doe - Blu-ray Cover
The Autopsy of Jane Doe – Blu-ray Cover © Universum Film GmbH

Eine ganze Weile lang ist The Autopsy of Jane Doe einer der besten Horrorfilme der letzten Zeit – bis er spätestens im letzten Drittel auseinanderfällt und mit Klischeehaftigkeit enttäuscht. Der norwegische Regisseur André Øvredal sorgte 2013 mit seinem originellen „Trollhunter“ für Aufsehen, nun liefert er hier sein englischsprachiges Debüt. Von Beginn an zeigt sich der Norweger als überaus stilsicher und kreiert unmittelbar eine unheimliche Atmosphäre in stark komponierten Bildern. Alles beginnt in einem Familienhaus in Virginia, das gerade von der Spurensicherung begangen wird. Hier präsentiert sich ein grausamer Massenmord, den Øvredal in ähnlich pathologischer Bildsprache inszeniert wie einst David Fincher seine Eröffnung zu „Sieben“. Der Tathergang ist zunächst unerklärlich, doch was die Ermittler wirklich stutzig macht, ist die halb vergrabene und perfekt erhaltene nackte Leiche einer jungen Frau, die sie im Keller vorfinden. Zu dem Mysterium kommen die Umstände, dass die Leiche nicht zugeordnet werden kann und die Einbruchsspuren am Haus nicht von äußerer, sondern scheinbar innerer Kraft herrühren…

Nach diesem effektiven und vielversprechenden Beginn verlagert Øvredal das Geschehen auf das alte Leichenschauhaus von Tommy Tilden (Brian Cox), der gemeinsam mit seinem Sohn Austin (Emile Hirsch) gerade eine schlimm verbrannte Leiche obduziert. Hier wird deutlich, das ist business-as-usual für die beiden Männer, die schon alles gesehen haben. Doch ihre Nacht soll eine unerwartete Wendung nehmen, als Sheriff Burke (Michael McElhatton) mit der unerwarteten Lieferung der als Jane Doe (Olwen Kelly) betitelten Leiche daherkommt. Bis zum nächsten Morgen soll der alt eingesessene Tommy eine Todesursache feststellen. Das Date mit Austins Freundin Emma (Ophelia Lovibond) ist so erst mal hinfällig, denn auch wenn er alles andere als eine Leichenbeschauer-Karriere anvisiert, fühlt sich Austin verpflichtet, seinen Vater zu unterstützen. Doch Jane Doe stellt sich schließlich als ganz besonderer Fall heraus, der mit zahlreichen Anomalien bestückt ist.

 

Tommy Tilden (Brian Cox), mit seinem Sohn Austin (Emile Hirsch) und dessen Freundin Emma (Ophelia Lovibond)
Tommy Tilden (Brian Cox), mit seinem Sohn Austin (Emile Hirsch) und dessen Freundin Emma (Ophelia Lovibond) © Universum Film GmbH

Mehr sollte man von der Handlung von „The Autopsy of Jane Doe“ auch nicht erfahren. Øvredal beweist wie eingangs erwähnt ein hervorragendes Händchen für das Erschaffen dichter Atmosphäre und präziser Bilder. Was jedoch besonders herausragt ist sein Gespür für effektiven Spannungsaufbau, aber auch für präzise und nachvollziehbare Figurenzeichnung. Mit dem Vater-Sohn-Gespann präsentieren sich hier nämlich zwei wirklich sympathische Figuren, denen man gerne folgt. Das liegt natürlich auch an der starken Besetzung mit dem brillanten Routinier und Charakterdarsteller Brian Cox, der immer mühelos eine ganz starke Präsenz liefert, aber auch dem chronisch unterschätzten Emile Hirsch, der hier eine starke Identifikationsfigur bietet. Øvredal ist sehr ökonomisch in seiner Figurenzeichnung und braucht nicht viel Zeit um diese Konstellation mit ihren Motivationen und Hintergründen effektiv zu etablieren.

Die Stimmung ist unheimlich, die Prämisse spannend und vielversprechend. Besonders eine kurze Szene mit Emma im Leichenschauhaus ist nicht nur besonders unheimlich, sondern auch auf gewisse Weise amüsant. Sie ist hier eine Art Stellvertreter für den Zuschauer, denn ihre morbide Neugier für das, was hinter den stählernen Fächern liegt, treibt hier auch den Zuschauer an.

Austin (Emile Hirsch)
Austin (Emile Hirsch) © Universum Film GmbH

Der Alltag im Leichenschauhaus wird überaus grafisch, aber auch sachlich und präzise beobachtet, ohne eben je ausschlachtend zu wirken. Øvredal ergötzt sich nicht an den grässlichen Details, er zeigt sie mit einem klinischen und auch faszinierten Auge. Es hat fast schon einen Infotainment-Charakter, wenn man den beiden Männern hier beim Sezieren zuschaut, denn Øvredal hat hier ganz offensichtlich gut recherchiert. Das ganze Prozedere und die methodischen Abläufe der Leichenbeschauer fasziniert so letztlich mehr als abzustoßen. Dennoch: Für schwache Mägen ist „The Autopsy of Jane Doe“ sicherlich nichts, denn an grafischen anatomischen Details wird hier nichts ausgespart.

So hat man über weite Strecken den Eindruck, einen richtig originellen Film zu sehen, der gekonnt die Aufmerksamkeit des Zuschauers packt und unterschwellig immer Gänsehaut macht. Das Gefühl verstärkt sich bei der Autopsie von Jane Doe nochmal, bei der immer mehr ungewöhnliche Beobachtungen gemacht werden, die selbst einen Routinier wie Tommy zunehmend irritieren. Ein Highlight ist tatsächlich Newcomerin Olwen Kelly, die selbst als Leiche eine faszinierende Präsenz erzeugt. Das nutzt Øvredal auf subtil-effektive Weise, wenn er während der Obduktion immer wieder auf ihr Gesicht schneidet, das seltsam vielsagend und zunehmend unheilvoller wirkt. Unheimliche Ereignisse häufen sich genregemäß um sie herum und auch wenn der Film hier die Spannungsschrauben andreht und das Gefühl seitens des Zuschauers immer unwohler wird, driftet „The Autopsy of Jane Doe“ immer weiter ins Abstruse ab.

Leichenbeschauer Tommy Tilden (Brian Cox)
Leichenbeschauer Tommy Tilden (Brian Cox) © Universum Film GmbH

Es soll wie erwähnt nicht zu viel verraten werden, aber der Film verfängt sich zunehmend in Spukhausfilm-Klischees. Dazu gehören natürlich auch die obligatorischen, durchaus effektiven, aber eintelegrafierten Jumpscares, während sich draußen hörbar ein schlimmer Sturm aufbaut. Die Geschehnisse werden immer irrationaler, weshalb man erwarten würde, dass die zwei als so rational etablierten Protagonisten nun ja, rationaler reagieren würden. Doch leider sind Tommy und Austin Sklaven des Skripts und sorgen mit eher unsinnigem Verhalten für leichtes Kopfschütteln beim Zuschauer. Hier verliert der Film leider Glaubhaftigkeit, auch weil Cox und Hirsch das unfassbare Geschehen um sie herum eher nüchtern aufnehmen, statt mit ungläubiger Panik zu reagieren. Hier fällt Øvredals Regie leider etwas flach, denn ihm gelingt es nicht für ein vollkommenes Gefühl zunehmenden Terrors und spürbarer Eskalation zu sorgen.

Dennoch erzählt er den Film solide zu Ende, jedoch kriegt man dein Eindruck nicht los, das hier großes Potential leicht verschwendet wurde. Wie dem auch sei, Øvredals Talent ist unübersehbar, er bestätigt den starken Eindruck von „Trollhunter“ und macht Lust auf weitere Filme. Letztlich bleibt hier der Eindruck eines starken und sehr originellen Films, der sicher zu den besseren und interessanteren Genrevertretern der letzten Zeit gehört.

Bild:

Das Bild der Blu-ray überzeugt insgesamt mit sehr guten Werten. Der klinisch-coole Look des Films wird immer wieder mit Farbakzenten effektvoll aufgewertet, ohne dass jedoch Natürlichkeit eingebüßt wird. So erscheint das Bild plastisch und kontrastreich, Schärfe- und Detailwerte bewegen sich auch auf sehr gutem Niveau. Generell ist der Bildeindruck aber eher soft und um eine filmischere Ästhetik bemüht. Ein Großteil des Films ist eher dunkel ausgeleuchtet, jedoch bleiben Details auch hier immer sehr gut erhalten. Bildfehler gibt es keine zu vermelden.

Jane Doe (Olwen Catherine Kelly) auf dem Seziertisch
Jane Doe (Olwen Catherine Kelly) auf dem Seziertisch © Universum Film GmbH

Ton:

In akustischer Hinsicht begeistert die Blu-ray mit einer überaus lebhaften und dynamischen Tonspur. Geräusche, Dialoge und die Filmmusik verteilen sich auf alle Lautsprecher, wodurch starke räumliche Atmosphäre aufgebaut wird. Soundeffekte sind dynamisch und scharf abgemischt, werden außerdem immer druckvoll vom Subwoofer akzentuiert. Man spürt dem Film die Mühe an, die in das Sounddesign gesteckt wurde, was die Blu-ray auch entsprechend wirkungsvoll repräsentiert. Stimmen ertönen darüber hinaus mit bester Klarheit und Verständlichkeit.

Extras:

Die Blu-ray bietet einzeln oder gesamt abspielbare EPK-Interviews mit allen Beteiligten von Cast & Crew. Das ist solide Kost, aber nichts Besonderes. Ein unkommentiertes B-Roll gibt dann zusätzlich noch gute Eindrücke hinter die Kulissen der Produktion.

  • Interviews
  • B-Roll
  • Trailershow
Blu-ray Wertung
  • 7/10
    Film - 7.0/10
  • 8/10
    Bild - 8.0/10
  • 9.5/10
    Ton - 9.5/10
  • 3.5/10
    Extras - 3.5/10
7/10

Kurzfassung

„The Autopsy of Jane Doe“ ist einer der besseren Horrorfilme der letzten Zeit, auch wenn er nicht ganz überzeugend den wirklich starken Beginn effektiv und zufriedenstellend über die Ziellinie bringt.

Fazit:

Während „Trollhunter“-Regisseur André Øvredal in der ersten Hälfte von „The Autopsy of Jane Doe“ sein Gespür für Atmosphäre, Spannung und auch effektive Figurenzeichnung eindrucksvoll unter Beweis stellt, wird das vorhandene Potential besonders im dritten Akt zunehmend verschwendet. Dennoch gefällt dieser originelle und oft wirkungsvolle Film sehr und sollte vor allem bei Horrorfans punkten.


von Florian Hoffmann

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