Solange ich atme – Blu-ray Kritik: klassisch erzähltes Gefühlskino

Die Liebe ihres Lebens: Diana (Claire Foy) und Robin Cavendish (Andrew Garfield) © SquareOne/Universum

Die Kritik:

Solange ich atme - Blu-ray Cover
Solange ich atme – Blu-ray Cover © SquareOne/Universum

Wer die Zusammenfassung von „Solange ich atme“ liest, könnte recht wahrscheinlich schnell ein Déjà vu erleben: Ein erfolgreicher junger Brite erleidet Mitte des 20. Jahrhunderts plötzlich eine unheilbare Krankheit, die ihn am ganzen Körper lähmt, woraufhin ihm von Experten nur eine kurze Lebenserwartung prognostiziert wird. Kurz vor seiner Diagnose trifft dieser junge Mann auf eine junge Frau, die ihm trotz der erschütternden Aussicht und seiner eigenen depressiven Verzweiflung beisteht. Die ursprüngliche Diagnose bewahrheitet sich nicht, denn unterstützt von seiner Frau schöpft der junge Mann einen neuen Lebenswillen und überlebt Jahrzehnte lang, wodurch er zu einem medizinischen Ausnahmefall wird. Diese Prämisse bezieht sich sowohl auf das Oscar-gekrönte Stephen Hawking-Biopic „Die Entdeckung der Unendlichkeit“ als auch auf das Regiedebüt von Schauspieler und Motion Capture-Pionier Andy Serkis, das die Geschichte von Robin Cavendish erzählt, der frühzeitig an Polio erkrankt ist und der tödlichen Krankheit länger getrotzt hat als jeder andere Patient in der Geschichte von Großbritannien.

Tatsächlich ähneln sich die Filme erzählerisch schon sehr, jedoch kann man natürlich kaum von einem Plagiat sprechen, wenn es um eine wahre Begebenheit geht. Robins Sohn, Filmproduzent und Serkis Geschäftspartner Jonathan Cavendish war unbedingt gewillt, die Lebensgeschichte seines Vaters zu erzählen, woraufhin „Gladiator“-Autor William Nicholson diese aufrichtige, wenn auch vertraute Story in Drehbuchform presste. „Solange ich atme“ ist ansprechendes Gefühlskino, das primär von der sehr guten Chemie seiner talentierten Hauptdarsteller Andrew Garfield und Shooting Star Claire Foy lebt, aber letztlich nicht an vergleichbare Klassiker des Genres heranreicht.

Andrew Garfield als Robin Cavendish
Andrew Garfield als Robin Cavendish © SquareOne/Universum

Die großen Sentimentalitätsklippen einer Geschichte über eine tödliche Behinderung umschifft Serkis weitestgehend und fokussiert sich lieber auf eine lockere Erzählweise, die die komischeren Seiten von Cavendishs Leben betont. Das soll nicht heißen, dass der Film eine Komödie ist, denn der tödliche Ernst liegt hier über allem, wird aber von Cavendishs Lebenswillen und positiver und angenehm pragmatischer Lebenseinstellung übertrumpft. So zeigt der Film, wie der dauerhaft an ein Beatmungsgerät angeschlossene Cavendish zunächst der Enge des Krankenhauses unter der strengen Führung von Dr. Entwistle (Jonathan Hyde) entflieht und neuen Lebenswillen über seinen Sohn Jonathan entdeckt. Das geschieht alles unter Drängen von seiner Frau Diana, die nicht von der Seite des desillusionierten Robin weicht und ihm verspricht für ihn da zu sein, komme was wolle.

Mit Hilfe des befreundeten Erfinders und Oxford-Professors Teddy Hall (Hugh Bonneville) wird auf Robins Idee hin schließlich ein Rollstuhl mit eingebautem Atemgerät entwickelt. Hier schöpft Robin nochmal viel größeren Lebenswillen, denn nun ist es dem einstigen Geschäfts- und Lebemann möglich sogar zu verreisen. Einen Spanientrip bebildert der Film auf schwungvolle, humoristische und lebensbejahende Weise.

Die Erfindungen des genialen Tüftlers Teddy Hall (Hugh Bonneville) verhelfen Robin Cavendish zu mehr Freiheit
Die Erfindungen des genialen Tüftlers Teddy Hall (Hugh Bonneville) verhelfen Robin Cavendish zu mehr Freiheit © SquareOne/Universum

Mit dem gesteigerten Lebenswillen passt Serkis auch die Tonalität seines Films entsprechend an. Immer wieder kommt es zu Momenten, bei denen man Cavendish erklären will, was nicht möglich ist, die durch seine „Jetzt erst recht“- und „Alles ist möglich“-Mentalität immer wieder durchbrochen werden. Hier entwickelt der klassisch inszenierte Film eine gewisse Beschwingtheit, die häufig weit von genreüblicher Rührseligkeit entfernt ist. Die sehr schönen, sonnendurchfluteten und warmen Widescreen-Kompositionen des mehrfach Oscar-gekrönten Tarantino-/Scorsese-/Stone-Kameramann Robert Richardson geben dem Film zudem einen positiven Glanz, die mit der verspielten Musik von Nitin Sawhney angenehm harmonieren.

Doch trotz der spürbar noblen Absichten des persönlich motivierten, mit der Cavendish-Familie befreundeten Serkis will der Funke hier nie so ganz überspringen. Man entwickelt trotz der erneut starken Darstellungen von Foy und Garfield wegen der recht episodenhaften, Jahrzehnte überdauernden Erzählung nie so richtig Nähe zu den Figuren. Sehr rasch erzählt der Film zu Beginn in wenigen Momenten die klassische Boy-meets-Girl-Situation, ohne die Figuren dreidimensional zu etablieren. Kaum hat man Sonnyboy Cavendish kennengelernt, heiratet er Diana, erhält beim Urlaub in Kenia die frohe Botschaft, dass sie schwanger ist, woraufhin er auch schon schnell erkrankt.

Haben sich gefunden: Diana (Claire Foy) und Robin Cavendish (Andrew Garfield)
Haben sich gefunden: Diana (Claire Foy) und Robin Cavendish (Andrew Garfield) © SquareOne/Universum

Irgendwie wirkt der sensibel erzählte Film dann letztlich doch zu bemüht inspirierend, um die gewünschte kathartische Wirkung zu entfalten. Wenn „Solange ich atme“ am Ende dann schließlich doch noch arg sentimental und kitschig wird, bleibt man als Zuschauer trotz aller Mühen eher unberührt außen vor. Zu sehr macht der Film dann doch den Eindruck einer erzwungenen emotionalen Manipulation, der man dann einfach nicht folgen will. Man kann diesem spürbar aufrichtigen und warmherzigen Film kaum böse sein, doch letztlich sind die Erzählstrukturen zu vertraut, um den Film wirklich abheben zu lassen.

Bild:

Das Bild der Blu-ray erstrahlt in warmen und natürlich gesättigten Farben. Kontraste und Schwarzwerte schwanken ein wenig im Verlauf des Films. Schärfe- und Detailwerte sind jedoch fast durchweg auf sehr hohem Niveau, gerade in hellen Nahaufnahmen erkennt man hier jede Pore. In manchen dunklen Szenen stellt sich ein leichtes Rauschen ein, im Großen und Ganzen bietet sich hier aber ein hochwertiger und sehr ansehnlicher Bildtransfer.

Ton:

Eine faszinierende Frau: Diana Cavendish (Claire Foy)
Eine faszinierende Frau: Diana Cavendish (Claire Foy) © SquareOne/Universum

„Solange ich atme“ ist größtenteils ein dialog- und akustisch damit ein entsprechend frontlastig abgemischter Film. Stimmen ertönen hier in bester Klarheit und Verständlichkeit. Räumlich wird es hier dennoch immer wieder, gerade die Musik füllt schon zu Beginn über die Surroundsprecher den Raum. Auch in Sachen Dynamik und Klangvolumen bietet die Original-Tonspur in geregelten Abständen beachtliche akustische Werte.

Extras:

Das Bonusmaterial der Blu-ray beschränkt sich leider nur auf ein paar Standard-Interviews mit einer Lauflänge von 23 Minuten.
Interviews mit Cast & Crew (Claire Foy (03:49 Min.), Andrew Garfield (06:03 Min.), Tom Hollander (02:03 Min.), Hugh Bonneville (02:18 Min.), Andy Serkis (08:55 Min.))
Trailer (01:50 Min.)
Trailershow

Blu-ray Wertung
  • 6.5/10
    Film - 6.5/10
  • 8/10
    Bild - 8.0/10
  • 8/10
    Ton - 8.0/10
  • 4/10
    Extras - 4.0/10
7/10

Kurzfassung

„Solange ich atme“ ist weitestgehend klassisch erzähltes Gefühlskino, das durch seine optimistisch-warmherzige Herangehensweise und seine guten Hauptdarsteller fast funktioniert.

Fazit:

Regiedebütant Andy Serkis umschifft mit „Solange ich atme“ fast alle sentimentalen Gefühlsduseligkeiten, womit er seiner optimistisch-pragmatischen Hauptfigur tonal meist sehr nahekommt. Am Ende wirkt der schön bebilderte und aufrichtig positiv erzählte Film aber doch ein Stück weit zu bemüht und kitschig, sodass man ihm einfach nicht ganz verfallen kann.


von Florian Hoffmann

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