Ghostland – Blu-ray Kritik

Vera (Taylor Hickson) in Todesangst.
Vera (Taylor Hickson) in Todesangst. © capelight pictures

Die Kritik:

Ghostland Bluray Cover
Ghostland Bluray Cover © capelight pictures

Vor über zehn Jahren schwappte eine Welle knüppelharter französischer Horrorfilme über die Welt, die selbst für die hartgesottensten Genrefans eine Herausforderung darstellten. Vertreter dieser grenzüberschreitenden „New Wave“ waren Alexandre Aja mit „High Tension“, Julien Maury und Alexandre Bastillo mit „Inside“, Xavier Gens mit „Frontière(s)“ und eben Pascal Laugier mit „Martyrs“. Letzterer hat wie Aja schon vor einigen Jahren den Weg über den großen Teich geschafft, jedoch blieb sein in Kanada produziertes Jessica Biel-Vehikel „The Tall Man“ eine eher enttäuschende Angelegenheit. Auch „Ghostland“, sein nun vierter Film, ist international besetzt und auf kanadischem Boden entstanden, auch wenn sich Laugier strikt als europäischer Filmemacher sieht. Die englische Sprache vergrößert natürlich auch die internationale Reichweite und Aufmerksamkeit, so schaffte es ein Laugier-Film nun auch zum ersten Mal in die deutschen Kinos. Doch auch wenn „Ghostland“ für manchen Horrorfan durchaus etwas zu bieten hat, bleibt Laugier erneut trotz spürbarer Ambition, Leidenschaft und vieler interessanter Ansätze hinter den hohen Erwartungen zurück.

Von Beginn an macht Laugier keinen Hehl um seine Vorbilder, die in Form von zahlreichen mal direkteren und mal subtileren Referenzen Pate standen. Direkt lässt er das Portrait der Horror-Ikone H.P. Lovecraft erscheinen, begleitet mit den überschwänglichen Worten „Freakin‘ awesome horror writer. The best. By far.“ Wer mit der Zitatgeberin Elizabeth Keller nicht vertraut ist, braucht sich nicht zu schämen, denn das ist der Name der Protagonistin von „Ghostland“. Dieser begegnen wir als 14-jährigem Mädchen (Emilia Johnson), das sich gerade mit ihrer Mutter Pauline (Mylène Farmer) und der älteren Schwester Vera (Taylor Hickson) auf der Autoreise zu ihrer neuen Behausung befindet. Hierbei handelt es sich um das Anwesen ihrer kürzlich verstorbenen Tante, ein spukiger Ort, der mehr einem Kuriositätenkabinett ähnelt als einem wohligen Zuhause. Schon auf dem Weg entpuppt sich Beth als alte Seele, die ihre Faszination zu klassischer Horror-Literatur in eigene Geschichten kanalisiert. Nach dem Vortrag einer ihrer Stories wird jedoch deutlich, dass sie ihre eigene Stimme wohl noch nicht ganz gefunden hat und ihr Vorbild H.P. Lovecraft spürbar Vorbild war.

Völlig verängstigt: Beth (Emilia Jones) weiß nicht, was als als nächstes passieren wird
Ghostland: Völlig verängstigt: Beth (Emilia Jones) weiß nicht, was als als nächstes © capelight pictures passieren wird

Laugier spielt hier kontinuierlich mit bekannter Horror-Ikonografie. Der ominöse „Candy Truck“, der hupend an der verängstigten Familie vorbeirast, sorgt für erste Bedrohlichkeit und weckt Erinnerungen an bekannte Horrorfilme. Am Haus angekommen, hört die Referenzwelle auch nicht auf, denn Vera stellt direkt treffend fest: „Das ist Rob Zombies Haus“ Und tatsächlich: „Ghostland“ fühlt sich teilweise an wie ein Zombie-Film, was nicht von ungefähr kommt, denn Laugier bezeichnete „The Lords of Salem“ als einer der drei Horrorfilme der letzten Jahre, die ihm Hoffnung für das Genre gegeben haben. Nachdem sich die Gruppe etwas eingefunden hat, dauert es nicht lange, bis sie von den beiden Passagieren des Süßigkeitenwagens besucht werden. Diese beiden grässlichen Gestalten, ein bärgroßer, grunzend-stöhnender Oger (Rob Archer) und eine Transgender-Frau (Kevin Power), bringen jedoch erwartungsgemäß nichts Süßes, sondern sehr Saures. Sie attackieren die hilflose Familie mit psychopathischer Motivlosigkeit und degenerierter Härte.

Hier schwingt viel Zombie, aber auch ganz sicher Tobe Hooper à la „The Texas Chainsaw Massacre“ mit, aber auch Laugier scheint sich selbst mit „Martyrs“ zu zitieren. Der Franzose inszeniert das Ganze mit stumpfer Brutalität und Intensität, die jedoch schon zu Beginn irgendwie kaum Wirkung entfaltet. Zu sehr verlässt sich Laugier auf seinen immer wieder einsetzenden übertrieben lauten Soundtrack und enttäuschend plumpe Jumpscares, die sich leider mit erschreckender Vorhersehbarkeit durch den ganzen Film ziehen. Jeder Schlag ist hier ein lauter, fast schon cartoonartiger Punch, die einfallslosen Schreckmomente kann man fast auf die Sekunde genau vorhersagen, etwa wenn mal wieder der berühmte Blick durchs Schlüsselloch herhalten muss.

16 Jahre nach der Tat: Beth (Crystal Reed) ist erfolgreiche Horror-Autorin und schreibt an ihrem nächsten Roman.
16 Jahre nach der Tat: Beth (Crystal Reed) ist erfolgreiche Horror-Autorin und schreibt an ihrem nächsten Roman. © capelight pictures

Nach dem zwanzigminütigen Terror-Beginn springt „Ghostland“ in die Gegenwart. Mittlerweile ist Beth tatsächlich eine erfolgreiche Horror-Autorin mit Mann und Kind geworden (nun gespielt von Crystal Reed), ihr neuestes Buch „Incident in a Ghostland“ ist ihr persönlichstes Werk, denn hier verarbeitet sie die gerade gesehene Schreckensnacht. Als sie dann eines Tages einen Anruf ihrer hörbar verstörten Schwester Vera erhält, macht sie sich sofort auf zum Schauplatz ihres Traumas. Auch ihre Mutter hat die Nacht des Grauens überlebt, jedoch hat sie das traumatisierende Erlebnis sichtlich besser verarbeitet als die mysteriöserweise im Keller hausende Vera (nun Anastasia Phillips), die von schlimmen Psychosen verfolgt wird. Doch wer Laugiers Filme kennt, weiß, dass der Regisseur auch in „Ghostland“ wohl ein doppelbödiges Spiel treibt, bei dem man nie sicher sein kann, was als Nächstes passiert…

„Ghostland“ ist sicher ein durchaus origineller Film, der spannende Ideen aufweist und von spürbarer Leidenschaft für filmisches Erzählen und das Horror-Genre an sich geprägt ist. Auch die Darsteller geben sichtlich alles, was sich jedoch tatsächlich eher negativ auf die Zuschauer auswirkt. Laugier führt seine Darstellerinnen auf einen derartigen Terrortrip, dass sie sich in einem lang anhaltenden Zustand enormer Hysterie durch den Film schreien und weinen. Laugier wirft allerhand Härte und gelegentliche Perversion in den Film, jedoch transportiert sich davon wenig auf das Publikum. Trotz interessanter Erzählweise, bei der sich Vergangenheit und Gegenwart und Traum und Realität ständig überlappen, ist die Inszenierung an sich nur wenig effektiv. Zu oft hat man das Gefühl, alles schon mal besser gesehen zu haben, angefangen bei dem Klischee-Horrorhaus, einem zurückgebliebenen Wüstling à la „The Hills Have Eyes“ und einem Psychopathen in Frauenkleidern. Gerade die beiden letztgenannten irritieren in ihrer Klischeehaftigkeit, die zudem gerade im Fall des Transgender-Killers ein Relikt der Vergangenheit darstellen. Angst machen diese Gestalten wenig, tatsächlich droht der Film fast schon zur albernen Selbstparodie zu entgleiten. Auch das unsinnige Verhalten der Akteurinnen strapaziert schnell die Nerven.

Ghostland - Vera (Taylor Hickson, links) und Beth (Emilia Jones, rechts) erkunden die Zimmer im Haus ihrer verstorbenen Tante
Ghostland – Vera (Taylor Hickson, links) und Beth (Emilia Jones, rechts) erkunden die Zimmer im Haus ihrer verstorbenen Tante © capelight pictures

Was bleibt, ist ein halbwegs originell erzählter Horrorfilm mit guten Darstellerinnen (abgesehen von Laugiers Schwarm Mylène Farmer, die als Sängerin sicher mehr taugt), ansprechenden visuellen Qualitäten und zahlreichen Genre-Huldigungen. Umso bedauerlicher ist es dann, dass es Laugier nicht gelungen ist, seiner Inszenierung mehr Kreativität und Effektivität abzugewinnen. So wird „Ghostland“ letztlich aus den falschen Gründen zu einer schwer erträglichen Tortur. Dass Taylor Hickson bei einem völlig überflüssigen Set-Unfall vermutlich für immer ihr Gesicht entstellt hat, hinterlässt dann noch einen ganz, ganz bitteren Beigeschmack.

Bild:

„Ghostland“ wartet mit insgesamt eher geerdeten Farben auf, die hier solide zur Geltung kommen. Der Film ist eine recht düstere Angelegenheit, Kostraste und Schwarzwerte schwanken jedoch und sind insgesamt nur solide. Auch in Sachen Schärfe und Detailumfang gibt es hier, gerade in den dunklen Szenen, durchaus Luft nach oben. Auch das gelegentliche digitale Rauschen trübt den Eindruck, der insgesamt anständig ausfällt.

Ton:

Akustisch bietet der Film viel dick auftragenden Bombast. So geht es hier sehr laut und voluminös zur Sache, wodurch der Subwoofer im Dauereinsatz ist. Zu gefallen weiß die ansprechende Räumlichkeit. Auch Stimmen und Dialoge erfreuen durch ihre Klarheit und Deutlichkeit.

Extras:

Ein kurzer Moment des Glücks: Pauline (Mylène Farmer) ist stolz auf ihre erfolgreiche Tochter Beth (Crystal Reed)
Ein kurzer Moment des Glücks: Pauline (Mylène Farmer) ist stolz auf ihre erfolgreiche Tochter Beth (Crystal Reed) © capelight pictures

Beim Bonusmaterial begeistert ein großartiges Making-of, das einen angenehm ehrlichen und sehr einsichtsreichen Blick hinter die Kulissen wirft. Hier bekommt man einen echten Eindruck von Laugiers Arbeitsweise, dem man hier in guten wie in schlechten Momenten begegnet. Für diejenigen, die am filmisch-kreativen Prozess interessiert sind, bietet sich hier ein echtes El Dorado. Dazu kommen noch gute Interviews und obligatorische Trailer.
Making-of (73:02 Min.)
Interview mit Crystal Reed (09:06 Min.)
Interview mit Emilia Johnson (09:03 Min.)
Interview mit Pascal Laugier (09:38 Min.)
Original Kinotrailer (02:02 Min.)
Deutscher Kinotrailer (01:44 Min.)
Filmtipps

Blu-ray Wertung
  • 5.5/10
    Film - 5.5/10
  • 7/10
    Bild - 7.0/10
  • 8.5/10
    Ton - 8.5/10
  • 7.5/10
    Extras - 7.5/10
6.5/10

Kurzfassung

Ein referenzhaltiger Horrortrip, der zwar spürbar ambitioniert ist, aber leider neben einer recht originellen Erzählung inszenatorisch überraschend dürftig und stumpf ausfällt.

Fazit:

Pascal Laugier findet in Ansätzen zu alter Form zurück, jedoch erweist sich der erzählerisch interessante „Ghostland“ als ermüdende, nervige und flache Angelegenheit. Thematisch steckt hier durchaus Vielversprechendes drin, trotz guter Darstellungen transportiert sich hiervon jedoch wenig auf den Zuschauer.


von Florian Hoffmann

Hinterlasse jetzt einen Kommentar

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht. (Kommentar wird erst geprüft)


*